Mario Balotellis Stotterstart bei Brescia: Ärger in der Super Mario World

Mario Balotelli steht mit Brescia Calcio auf dem letzten Tabellenplatz der Serie A.
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Mario Balotelli spielt mit Brescia gegen den Abstieg in der Serie A. Im Gespräch mit SPOX und DAZN wird klar, wie euphorisch Balotelli nach dem Wechsel in seine Heimatstadt war. Drei Monate nach dem gefeierten Empfang in Brescia ist er aber bereits umstritten. Es gibt Ärger in der Super Mario World.

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Trainer-Rauswurf, Tabellenletzter, Rassismus-Eklat. 92 Tage ist es her, dass Balotelli bei Brescia Calcio vorgestellt wurde. 92 wirklich lausige Tage.

Dabei hatten sich Balotelli und Brescia alles so schön ausgemalt. Der 29 Jahre alte Angreifer wurde zwar in Palermo geboren, wuchs aber in Brescia auf und kokettierte schon länger mit der Vorstellung, seine Karriere in seiner Heimatstadt zu beenden.

"Das ist mein Zuhause. Es ist eine Ehre, für Brescia zu spielen", sagte Balotelli im Gespräch mit SPOX und DAZN im Oktober.

Balotelli kehrt in seine Heimatstadt zurück: Super Mario World

Er setzte sich mit diesem Wechsel scheinbar in ein gemachtes Nest. Brescia ist die Super Mario World. Er ist bei seiner Familie. Nach dem Tod seines Vaters 2015 ist Balotelli die Nähe zu seiner Mutter noch wichtiger geworden. Jeden Tag isst er gemeinsam mit ihr zu Mittag und zu Abend. "Es ist ein kleines Detail, aber ein schönes. Es ist das Beste, deine Eltern in der Nähe zu haben", schwärmte Balotelli.

Mario Balotelli vor dem Spiel gegen Napoli mit seiner Tochter auf dem Arm.
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Mario Balotelli vor dem Spiel gegen Napoli mit seiner Tochter auf dem Arm.

Er ist glücklich in Brescia. Zumindest war er das in den ersten Wochen. Die starken Statistiken, die er in Frankreich auflegte (76 Spiele, 41 Tore), erklärte sich Balotelli mit der "tollen Atmosphäre" in Nizza und Marseille. Er fühlte sich heimisch, konnte sich frei bewegen, seine Privatsphäre wurde respektiert. "Ich war immer glücklich auf dem Platz. Gute Leistungen waren die Folge", sagte er.

Die Brescia-Tifosi, der Klub, Balotelli selbst - alle erhofften sich aufgrund der perfekten Umstände in Balotellis Heimat ähnlich starke Leistungen. Er war der Königstransfer des Aufsteigers und schien hochmotiviert. "In den letzten anderthalb Monaten habe ich wohl mehr gearbeitet als in den letzten zehn Jahren meiner Karriere. Was meine Fitness angeht, habe ich ein komplett neues Niveau erreicht", sagte Balotelli. Er fühle sich neun Jahre jünger.

Mario Balotelli braucht Zeit, die Brescia nicht hat

Die ersten Auftritte für "Le Rondielle" (die kleinen Schwalben) waren vielversprechend. In seinem zweiten Pflichtspiel gegen Neapel traf Balotelli zum 1:2. Im darauffolgenden Freundschaftsspiel gegen den Amateurklub US Bagnolese (11:0) gelang ihm ein Dreierpack. Er schien das Team wie erhofft tragen zu können.

Mittlerweile aber ist er umstritten. In sieben Einsätzen schoss er zwar zwei Tore, wirkte bisweilen aber unmotiviert und apathisch. Balotelli erklärte, dass er Zeit brauche, sich wieder an den italienischen Fußball zu adaptieren. "Ich muss taktisch disziplinierter sein. Dann kann ich auch meine individuellen Fähigkeiten einbringen", sagte er.

Seit seinem Debüt am 5. Spieltag (vier Spiele musste er aufgrund einer Roten Karte im letzten Spiel für Marseille gesperrt aussetzen) holte Brescia in sieben Partien nur einen Punkt. Trainer Eugenio Corini musste Anfang November nach der 1:2-Pleite bei Hellas Verona seinen Hut nehmen.

Rassismus-Eklat um Mario Balotelli lässt die Stimmung kippen

Es war das Spiel, das die Stimmung bei Balotelli endgültig kippen ließ. Beim Stand von 0:1 schirmte er nach einem Einwurf den Ball gegen zwei Gegenspieler ab. Das war direkt vor der Hellas-Fankurve, aus der er wiederholt Affengeräusche und weitere diskriminierende Beleidigungen vernahm. Balotelli stieg auf den Ball, nahm ihn in die Hand und schoss ihn in die Ränge.

Nicht zum ersten Mal wurde er in Italien Opfer von rassistischen Beleidigungen. Nur durch das Zureden von Mit- und Gegenspielern verließ Balotelli nicht den Platz. In der 85. Minute gab er durch einen sehenswerten Distanztreffer die perfekte Antwort. Doch der Eklat hallte nach.

Verona will keine Beleidigungen gehört haben, der konservative Bürgermeister Federico Sboarina warf Balotelli gar vor, die Stadt diffamiert zur haben, obwohl Balotelli explizit "diese paar Idioten" verurteilte. Sein Klub stellte sich hinter Balotelli, die Fans taten das allerdings nicht ausnahmslos.

Die Ultras der Curva Nord distanzierten sich von Balotellis Reaktion und warfen ihm Arroganz vor. Er solle sich stattdessen hinterfragen, ob er wirklich alles für Brescia gebe. "Am wichtigsten ist, sich aufopfern zu wollen, Leidenschaft, Respekt, Motivation, ein verschwitztes Trikot. Werte, die ihm im Moment unbekannt erscheinen", teilte die Curva Nord in einer Pressemitteilung mit.

Mario Balotelli: Keiner für den Abstiegskampf?

Die anfängliche Liebe scheint erloschen, der Haussegen in der Super Mario World hängt schief. Der Vorwurf der Ultras ist so grotesk wie ignorant, die Unzufriedenheit mit den sportlichen Leistungen Balotellis aber nachvollziehbar.

Im Gespräch mit SPOX und DAZN schwärmte Balotelli von seinen neuen Teamkameraden: "Jeder trainiert so hart. Das ist das erste Team, mit dem ich trainiert habe, in dem jeder mit 200 Meilen pro Stunde fährt." Er scheint dieses Tempo aktuell aber nicht mitzugehen, wenngleich er mit seiner Schusstechnik und seinem satten Abschluss jederzeit für ein Tor gut ist.

Es stellt sich immer mehr die Frage, ob Balotelli wirklich zur Underdog-Mentalität des Aufsteigers passt und den Abstiegskampf annehmen kann. "Ich würde für keine Mannschaft spielen, deren Ziel der Nichtabstieg ist - außer Brescia", meinte Balotelli vielsagend.

Immer mehr Fans fordern den Bankplatz für Balotelli. Sie wollen das Stürmer-Duo aus dem Aufstiegsjahr, Alfredo Donnarumma und Ernesto Torregrossa, in der Startelf sehen. Bei der 0:4-Klatsche gegen Turin nahm der neue Trainer Fabio Grosso Balotelli nach 45 Minuten runter. Im Testspiel während der Länderspielpause fehlte er mit Muskelproblemen.

Brescia Calcio: Die Stürmer im Vergleich

SpielerMinutenToreSchüsse (aufs Tor)PassquoteZweikampfquote (Luft)Balleroberungen/verluste (pro 90 min)
Alfredo Donnarumma721410 (8)61,54 Prozent44,83 (31,82) Prozent2,25/13,23
Florian Aye58307 (1)54,62 Prozent48,18 (49,18) Prozent3,24/13,58
Mario Balotelli522222 (10)66,39 Prozent54,24 (46,15) Prozent2,41/9,83
Alessandro Matri7004 (1)57,89 Prozent38,89 (50) Prozent2,57/28,29
Ernesto Torregrossa4500 (0)44,44 Prozent87,5 (100) Prozent2/12

Mario Balotelli will zur EM - und muss dafür kämpfen

Dabei wollte Balotelli seine Rückkehr nach Italien auch dazu nutzen, sich wieder in die Nationalmannschaft zu spielen. Seit September 2018, seit seinem schwachen Auftritt beim 1:1 gegen Polen in der Nations League, wurde er nicht mehr in die Squadra Azzurra berufen.

Trotz der überaus überzeugenden EM-Qualifikation der Italiener (ohne Balotelli) schließt Nationaltrainer Roberto Mancini eine EM-Teilnahme seines ehemaligen Schützlings (bei Manchester City und Inter Mailand) aber nicht aus.

Doch für seine Nominierung müsse Balotelli kämpfen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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