Als Bundestrainer Julian Nagelsmann im vergangenen Mai in Blankenhain im Weimarer Land seine Mannschaft auf die damals bevorstehende Heim-Europameisterschaft vorbereitete, war auch Brajan Gruda mit dabei. Nagelsmann hatte den heute 20-Jährigen zwar nicht in den vorläufigen Kader berufen, Gruda durfte jedoch, genauso wie Rocco Reitz von Borussia Mönchengladbach, mit den großen Stars wie Ilkay Gündogan oder Toni Kroos zumindest als Ergänzungsspieler mittrainieren.
Beim Testspiel gegen die Ukraine am 3. Juni stand Gruda sogar im Kader, wenngleich er das 0:0 nur von der Ersatzbank aus verfolgte. Nichtsdestotrotz war die Berufung in Nagelsmanns Trainingskader damals für Gruda ein neuer Höhepunkt in seiner noch so jungen Karriere.
Erarbeitet hatte sich der Sohn albanischer Eltern all dies in der Spielzeit 2023/24 mit auffällig guten Leistungen im Trikot des 1. FSV Mainz 05. Der Rechtsaußen avancierte bei den Rheinhessen nicht nur schnurstracks zu den aufregendsten Talenten des Landes, sondern war mit seinen vier Toren und drei Vorlagen in 31 Pflichtspielen auch maßgeblich am Klassenerhalt der Mainzer beteiligt. Dabei nahm Gruda vor allem in der zweiten Saisonhälfte richtig Fahrt auf und war zum Schluss gar nicht mehr aus der Aufstellung wegzudenken.
31,5 Millionen Euro Ablöse! Brajan Gruda wird zum teuersten Mainzer Abgang
Die logische Folge war, dass zahlreiche Klubs aus ganz Europa auf den dribbelstarken Flügelspieler aufmerksam wurden. Neben Top-Teams wie Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und dem FC Liverpool, hatte auch der FC Bayern München gesteigertes Interesse, nahm aber letztlich wegen der Preisforderungen Abstand. Gruda entschied sich schlussendlich für einen Wechsel in die Premier League zu Brighton & Hove Albion. Die 31,5 Millionen Euro Ablöse, die die Seagulls für das Talent angeblich hinblätterten, machten Gruda zum teuersten Abgang in der Geschichte von Mainz 05.
Auf der Insel ist es jedoch schnell ruhig um den U21-Nationalspieler geworden. Der hohen Ablösesumme konnte Gruda bislang noch nicht gerecht werden, wobei die Schuld dafür nicht einmal bei ihm liegt.
Auf den zwischenzeitlichen Höhepunkt in Grudas Karriere folgte nämlich schnell der erste kleine Rückschlag. Vom Training mit den DFB-Stars konnte der gebürtiger Speyrer im Mai nicht so viel mitnehmen wie erhofft. Der Grund: Gruda musste wegen einer muskulären Verletzung in der Wade das Trainingslager vorzeitig verlassen.
In Bezug auf die Nationalmannschaft war das noch kein so großer Dämpfer, die Chancen auf eine EM-Nominierung waren zum damaligen Zeitpunkt ohnehin gering. Anders sah es jedoch auf Vereinsebene aus. Die Verletzung machte einen guten Start bei seinem neuen Verein völlig zunichte. Gruda absolvierte keine Vorbereitung und verpasste zu Beginn der neuen Saison mit Brighton direkt die ersten acht Pflichtspiele.
Nur ein Startelfeinsatz für Brighton bislang
Erst am 6. Oktober feierte Gruda unter dem deutschen Trainer Fabian Hürzeler sein Debüt. Beim 3:2-Sieg in der Meisterschaft gegen Tottenham Hotspur stand Gruda immerhin acht Minuten lang auf dem Platz. In der Liga folgten drei weitere Kurzeinsätze, beim 2:1-Sieg gegen Meister Manchester City durfte er 24 Minuten ran. Insgesamt kommt Gruda für seinen neuen Arbeitgeber nur auf 134 Pflichtspielminuten. "Wir werden alles tun, um ihn besser zu machen, indem wir ihm das beste Umfeld bieten, das er bekommen kann", meinte Hürzeler.
Von Anfang an auf dem Feld stand der Rechtsaußen bislang nur im Carabao Cup gegen den FC Liverpool. Skeptiker, die sagten, dass der Wechsel zu früh gekommen sei, gab es bereits vor Beginn der Saison 2024/25könnten sich erstmal bestätigt sehen. Gruda selbst kümmert das wenig: "Haben das viele gesagt? Ich weiß das gar nicht."
Was dazukommt, ist, dass Brighton bislang eine gute Saison spielt (Tabellenplatz sechs) und Hürzeler dadurch verständlicherweise keinen großen Bedarf sieht, seine Aufstellung groß zu verändern.
Klar ist jedoch, dass Gruda seine Chance, sich zu beweisen, noch bekommen wird. Die Saison ist noch lang, das weiß auch Hürzeler, der mit seiner Mannschaft in mehreren Wettbewerben vertreten ist. "Ich habe viel mit ihm gesprochen und dazu beigetragen, ihn zu überzeugen, hierher zu kommen, weil ich mir absolut sicher bin, dass er dem Verein helfen kann und dass dies der richtige Schritt für ihn in seiner jungen Karriere ist", sagte Hürzeler noch auf einer Pressekonferenz vor dem Saisonstart.
Brajan Gruda einer der aktivsten Dribbler Europas
Die bevorstehende Länderspielpause kommt für Gruda also gerade recht, um die spielfreie Zeit dafür zu nutzen, langsam in die Gänge zu kommen. Nach der Pause geht es am 23. November mit einem Meisterschaftsspiel gegen den AFC Bournemouth weiter.
Wenn der 20-Jährige dann einmal regelmäßig auf dem Platz steht, dürfen Fans ein regelrechtes Dribbling-Feuerwerk erwarten. Gruda war in der vergangenen Saison nämlich einer der besten Dribbler Europas. Die 8,1 Dribblings, die er pro Spiel versuchte, konnten vergangene Spielzeit von nur vier Spielern überboten werden. Von diesen Dribblings waren im Schnitt 46,6 Prozent erfolgreich, was ihn zu einem statistisch gesehen überdurchschnittlichen Dribbler macht.
Gruda sei "kein typisch deutscher Spieler", findet Hürzeler: "Er ist unglaublich gut mit dem Ball, er ist ein Straßenfußballer, wie wir in Deutschland sagen. Er hat den Ball gerne am Fuß und kann besondere Dinge - wie alle unsere Offensivspieler."
Auch für die Nationalmannschaft hat sich Gruda hohe Ziele gesteckt. "Meine Zeit bei der A-Nationalmannschaft wird noch kommen, davon bin ich fest überzeugt." Trotz des aktuellen Fokus auf die U21 wolle er möglichst bereits bei der WM 2026 "ein wichtiger Teil der Mannschaft" sein. Womöglich feiert Gruda beim Turnier in den USA, Kanada und Mexiko dann seinen nächsten Karrierehöhepunkt.