"Die Realität können wir nicht ändern": Mauricio Pochettino sitzt bei Chelsea schon auf dem Schleudersitz

Von Krishan Davis / Patrik Eisenacher
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Trainer Mauricio Pochettino hat die Krise beim FC Chelsea nicht beendet - im Gegenteil: Optimismus kam nach der Verpflichtung des Argentiniers bei den Blues gar nicht erst auf. Vielleicht ist es jetzt schon zu spät.

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Nach nur sieben Spielen als Chelsea-Trainer ist klar, dass die Aufgabe für Mauricio Pochettino schon bald wieder vorbei sein könnte. Nur zwei Siege hat er eingefahren, gegen die schwachen Teams von Luton Town (3:0) und im EFL-Cup gegen Wimbledon (2:1). Am Sonntag setzte es nun in der Premier League daheim an der Stamford Bridge auch gegen Aston Villa eine Niederlage (0:1).

Der Argentinier, der bei seiner Vorstellung als neuer Trainer der Blues im Juli noch cool, ruhig und gefasst wirkte, erscheint nun im September verwirrt und ratlos - auch zuletzt gegen Bournemouth (0:0). Die Londoner blieben in ihren letzten drei Spielen ohne eigenen Treffer.

Natürlich liegt das auch an den widrigen Umständen: Viele Spieler fehlen verletzt, viele Spieler sind neu, sowohl im Klub als auch generell in der Premier League.

Chelseas Stotterstart hat nicht gerade die Zuversicht im Klub geweckt, dass sich das Blatt schnell wenden wird. Es ist Pochettinos Aufgabe, die Mannschaft durch die schwere Zeit zu führen - doch bekommt er dazu die Chance und verdient er sie überhaupt noch?

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Mauricio Pochettino beim FC Chelsea: Spieler auf falschen Positionen

Trotz Chelseas ellenlanger Verletztenliste hatten Pochettinos Startformationen gegen Bournemouth und Aston Villa für Verwunderung gesorgt. Linksverteidiger Ben Chilwell saß angeschlagen nur auf der Bank, Marc Cucurella fiel aus - und plötzlich durfte Innenverteidiger Levi Colwill in einem 4-2-3-1-System hinten links ran. 50-Millionen-Euro-Neuzugang Cole Palmer saß in beiden Spielen nur auf der Bank. Enzo Fernández spielte zwar, aber in einer vorgezogenen Rolle im Mittelfeld.

Obwohl es Colwill und Fernández in beiden Spielen nicht schlecht machten, klappte es bei Chelsea seit der Länderspielpause mit dem Zusammenspiel nicht richtig. Colwill ist halt kein echter Außenverteidiger, ihm fehlte die offensive Durchschlagskraft, die ein Spieler wie Ian Maatsen gegen schwächere Gegner hätte bieten können. Fernandez fühlt sich als Box-to-Box-Achter deutlich wohler.

Pochettino deutete in seinen Kommentaren nach dem Spiel sogar an, dass die Aufstellung ein wenig konfus geraten war: "Eine Sache, von der ich enttäuscht bin, ist, dass die Außenverteidiger zu oft versuchen, nach vorne zu gehen. Sie verwirren damit unsere Offensivspieler und geben den Gegnern die Gelegenheit, zu vielen Chancen zu kommen", ärgerte er sich.

Seltsamerweise hatte Pochettino berichtet, dass er seine Spieler erst kürzlich nach ihren Lieblingspositionen befragt hat. Er sagte: "Bei unserem ersten Gespräch mit allen Spielern frage ich gerne, welche Position sie am liebsten spielen, wie sie sich fühlen, wie sie sich selbst sehen. Es geht nicht nur um die Position, sondern um die Art und Weise, wie ihr Spiel ins System passt. Es geht darum, die beste Position für sie zu finden, den besten Platz im Zusammenspiel, damit sie dort ihre Qualitäten zeigen können."

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Mauricio Pochettino beim FC Chelsea: Mit den Verletzungssorgen umgehen können

Der Argentinier verwies auch immer wieder auf seine immer länger werdende Verletztenliste. Man kann es ihm kaum verdenken. Marc Cucurella, Moises Caicedo und Noni Madueke kamen vor dem 0:0 gegen Bournemouth zu den neun Ausfällen noch hinzu. Caicedo meldete sich für das Duell mit Aston Villa zwar wieder zurück, doch nach dieser Begegnung fehlen nun auch Nicolas Jackson und Malo Gusto gesperrt.

"Ich kann den Fans nur von diesen Umständen berichten, die wir nicht ändern können", sagte der Cheftrainer. "Die Realität können wir nicht ändern. Es gibt zu viele Spieler, die uns nicht zur Verfügung stehen. Wir werden stark sein, wenn wir wieder komplett sind. Aber was sollen wir machen? Wir glauben immer noch fest daran, aber jetzt haben wir Pech, denn zwölf Spieler sind verletzt. Werde ich deswegen rumheulen oder mich beschweren? Nein. Ich muss das als Herausforderung annehmen und positiv bleiben."

Positiv zu sein, ist die eine Sache, aber Pochettino muss reagieren und versuchen, aus den noch verbliebenen Spielern das Beste herauszuholen. Bei Tottenham hat er einst gezeigt, dass er gerne einem festen Stamm von Spielern aus seinem Kader vertraut - was nicht immer zum Positiven ablief. Bei Chelsea wird man mit ihm nicht die gleiche Geduld haben. Er muss seine Spieler klüger einsetzen, um die Stärken jedes Einzelnen auf den Platz zu bringen.

Eine paar gute Umstellungen gab es zuletzt: Maatsen konnte in den beiden letzten Spielen von Anfang an als Linksverteidiger ran, während Palmer andeutete, dass er Potenzial für die Startelf hat, was dem müde wirkenden Fernández die Möglichkeit geben würde, einmal durchzuschnaufen.

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Mauricio Pochettino: Chelsea-Entwicklung im Schneckentempo

Pochettino hat die aktuelle Situation des FC Chelsea genau richtig eingeschätzt: Ein Sieg aus sechs Premier-League-Spielen und fünf von 18 möglichen Punkten sind nicht die ganze Wahrheit: "In Anbetracht der Umstände denke ich, dass wir sehr gute Leistungen zeigen, mehr als man erwarten konnte. Aber der Anspruch von Chelsea ist immer, zu gewinnen. Wir sind dabei, etwas aufzubauen, an das wir glauben müssen. Es gibt junge Spieler, die erst realisieren müssen, was es bedeutet, ein Chelsea-Spieler zu sein und was es bedeutet, in der Premier League zu spielen."

Chelsea macht unter der Leitung des Argentiniers Fortschritte, aber halt nur langsame Fortschritte. Die Mannschaft hat sich in Abwehr, Mittelfeld und Angriff verbessert - auch wenn die offensive Produktion gar nicht gut läuft.

Zweifelsohne haben die vielen Verletzungen dafür gesorgt, dass zu Saisonbeginn bei den Blues gar kein Schwung oder Momentum entstand. Für eine erste Krise ist es aktuell ein ganz schlechter Zeitpunkt. Vor allem der verletzungsbedingte Ausfall von Christopher Nkunku, der sowohl als Torjäger als auch als kreativer Kopf fungieren kann, tut dem Team sehr weh.

Es war von vornherein klar, dass es beim FC Chelsea ein langwieriger Prozess werden würde, aber es könnte noch länger dauern, als viele gedacht hätten, bis es bei den Blues nach dem Plan von Mauricio Pochettino läuft.

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Mauricio Pochettino beim FC Chelsea: Stimmung der Fans kann schnell umschlagen

Diese schwierige Phase kommt für Pochettino ganz früh in seiner Amtszeit, die erst vor einigen Wochen begonnen hat. Der Argentinier steht nun vor der Herausforderung, die Fans so schnell wie möglich auf seine Seite zu ziehen, nachdem ihm eine echte Eingewöhnungsphase nicht gewehrt wurde, in der er sich bei den Chelsea-Fans hätte beliebt machen können.

Derzeit herrscht noch allgemeines Verständnis dafür, dass es mildernde Umstände gibt, die seinen Job unglaublich schwierig machen, aber im Zeitalter von "Fußball-Twitter" können die Fans schnell die Geduld verlieren und die Stimmung kann blitzschnell kippen.

Tatsächlich findet man bei einer kurzen Suche auf X (ehemals Twitter) eine ganze Reihe von Chelsea-Fans mit einer beträchtlichen Anzahl von Followern, die bereits darüber sprechen, dass der Klub nach dem schlechten Saisonstart der Blues den Brighton-Trainer Roberto De Zerbi holen sollte.

Mit Graham Potter gibt es einen aktuellen Beweis dafür, dass die Stimmung der Fans die Entscheidungen der Klub-Bosse beeinflussen kann. Pochettino muss also vorsichtig sein.

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Mauricio Pochettino beim FC Chelsea: Wie lange haben die Klub-Bosse noch Geduld?

Es bleibt abzuwarten, wie lange Pochettino weitermachen kann. Es wurde immer gesagt, dass die Chelsea-Bosse ihn als die ideale langfristige Option ansehen, um Chelsea durch diese Übergangsphase zu führen. Aber die Mannschaft hat sich nur in kleinen Schritten verbessert und spielt immer noch nicht frei auf. Einfache Siege einzufahren ist etwas, an das aktuell gar nicht zu denken ist.

Potter wurde auch als langfristige Lösung gesehen - und diese Geschichte ging nicht gut aus. Die Miteigentümer Todd Boehly und Behdad Eghbali sind schon einmal unter dem Druck der Fans eingeknickt und scheuen sich offensichtlich nicht, hart durchzugreifen. Um sowohl die Fans als auch die Eigentümer mitzunehmen, muss Chelsea in den kommenden Wochen deutliche Verbesserungen zeigen.

Die Tabelle der Premier League

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Manchester City616:31318
2.Liverpool615:51016
3.Brighton & Hove Albion618:81015
4.Tottenham Hotspur615:7814
5.Arsenal611:6514
6.Aston Villa612:10212
7.West Ham United611:10110
8.Newcastle United616:799
9.Manchester United67:10-39
10.Crystal Palace66:7-18
11.Fulham65:10-58
12.Nottingham Forest67:9-27
13.Brentford69:906
14.Chelsea65:6-15
15.Everton65:10-54
16.Wolverhampton Wanderers66:12-64
17.AFC Bournemouth65:11-63
18.Luton Town53:11-81
19.Burnley54:13-91
20.Sheffield United65:17-121
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