"Deutschland ist eine Top-Adresse"

Die U 18 des FC Chelsea feiert den Finalsieg gegen Fulham im FA Youth Cup
© getty

Die Jugend des FC Chelsea gewann 2014 den FA Youth Cup, die Professional U 21 Developement League und das U 13 International Tournament. SPOX traf U-15-Koordinator Dean Steninger und Akademie-Trainer Ben Mitchell im Rahmen der "Football for Friendship"-Initiative in Lissabon. Das Trainer-Duo über die Umstrukturierungen der FA, Frank Arnesens Chelsea-Verpflichtungen und Deutschland als internationales Vorbild.

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SPOX: Herr Steninger und Herr Mitchell, im Jahre 2011 verabschiedete die FA eine große Umstrukturierung des gesamten Nachwuchsbereiches in England, den Elite Player Performance Plan (EPPP). Was sind die Ziele dieses Konzepts?

Ben Mitchell: Zunächst muss man sagen, dass die Nachwuchsarbeit in England den Programmen anderer Länder wie Spanien und Deutschland jahrelang hinterhergelaufen ist. Es war dringend nötig, dass die gesamte Struktur überdacht und verändert wird. EPPP soll den Spielern auch schon in jungen Jahren ein optimales und professionelles Umfeld bieten, in dem sie sich bestmöglich entwickeln können.

SPOX: Was bedeutet das im Detail?

Dean Steninger: Es beginnt schon bei den Trainern, die wesentlich besser ausgebildet werden als noch vor einigen Jahren. Mittlerweile sind Taktik-, Motivations- und Techniktrainer im Jugendbereich keine Seltenheit mehr. Den Spielern wiederum wird eine gute Basis geboten, um ihre Schule und das Training vernünftig in den Tagesablauf zu integrieren. Dazu kommt, dass das Four Tier Academy System es den Talenten wesentlich einfacher macht, sich für den richtigen Verein zu entscheiden.

SPOX: Das Four Tier Academy System?

Steninger: Dabei handelt es sich um eine Einordnung der Akademien in vier Klassen, die abhängig vom Personal und vom Etat sind. Nur Vereine, die in der ersten Kategorie eingeordnet sind, haben das Recht, Kontakt zu den Top-Talenten des Landes aufzunehmen. Früher waren die Talente durch eine Regel, die nur den Klubs eine Verpflichtung erlaubte, die nicht mehr als 90 Minuten vom Heimatort des Spielers entfernt waren, an ihre Region gebunden.

SPOX: Inwieweit hat sich auch das Scouting verändert? Mittlerweile gibt es in den Akademien viele Spieler, die man noch vor einigen Jahren als zu dünn oder zu klein erachtet hätte.

Mitchell: Das Scouting-System hat sich stark verändert - es passt sich an das Spiel als solches an. Der Fußball ist heute deutlich schneller und verlangt hohe technische Fertigkeiten. Man kann keine Mannschaft mehr ausschließlich mit großen, physisch starken Spielern aufbauen, sondern braucht eine gesunde Mischung. Die Größe spielt heutzutage überhaupt keine Rolle mehr.

SPOX: Frank Arnesen war von 2005 bis 2011 Nachwuchsleiter und Chefscout des FC Chelsea. Wie bewerten Sie seine Zeit in London?

Mitchell: Frank hat Großes für den Verein geleistet und tolle Erfolge mit der U 18 und der U 21 gefeiert. Er hat immer versucht, den Nachwuchs des Vereins gezielt zu fördern und vielen Spielern zu einem Profivertrag verholfen. Dass er 2009 in das Amt des Sportdirektors gehoben wurde, war folgerichtig.

SPOX: Nachdem er 2011 zum HSV gewechselt war, holte er mit Gökhan Töre, Michael Mancienne, Jeffrey Bruma, Jacopo Sala und Slobodan Rajkovic einige Chelsea-Talente nach Hamburg. Hat Sie das verärgert?

Steninger: Nein, überhaupt nicht. Das ist doch ganz normal. Es ist schön zu sehen, dass die Jungs sich so gut entwickelt haben und den Sprung außerhalb von England geschafft haben. Die Voraussetzungen für junge Talente sind in Deutschland optimal: Jeffrey ist mittlerweile Stammspieler in Eindhoven und Gökhan spielt in der türkischen Nationalmannschaft... Ich freue mich, wenn unsere ehemaligen Jungs in anderen Ligen spielen und neue Kulturen kennen lernen.

SPOX: Demnach hat die deutsche Nachwuchsarbeit einen guten Ruf auf der Insel?

Mitchell: Deutschlands Jugendprogramm hat nach der enttäuschenden Europameisterschaft 2000 eine massive Umstrukturierung durchlebt, deren Auswirkungen mittlerweile überall spürbar sind. In der Bundesliga spielen so viele junge Talente wichtige Rollen in ihren Vereinen, das ist leider noch überhaupt kein Vergleich zur Premier League. Gleiches gilt für die Nationalmannschaft. Deutschland ist im gesamten Jugendbereich hervorragend aufgestellt und gehört zu den Top-Adressen für internationale Talente.

Steninger: Wir durchleben aktuell den gleichen Prozess, den Deutschland 2000 einleitete. Auch dort hat es einige Jahre gedauert, bis die Resultate in den obersten Ligen spür- und sichtbar waren. Der Umschwung in Deutschland liegt bereits 14 Jahre zurück, unserer erst knapp drei. Aber gerade bei den 12- bis 16-Jährigen sehen wir deutliche Fortschritte.

SPOX: Bei Bayern München spielen mit Schweinsteiger, Lahm, Alaba und Müller aktuell vier Eigengewächse eine tragende Rolle in der Mannschaft. Ist dieses Modell, seine Kapazitäten eher auf die gezielte Weiterentwicklung des eigenen Nachwuchses zu konzentrieren und nicht teure Profis aus dem Ausland zu verpflichten, ein Vorbild für den englischen Fußball?

Steninger: Definitiv, das kann nur das Ziel sein und daran muss sich jedes Team messen. Die Bedeutung des Nachwuchses ist in den letzten Jahren permanent gestiegen, auch für die internationalen Topklubs. Dazu kommt, dass es seit der Einführung des Financial Fairplays auch überhaupt nicht mehr möglich ist, 100 Millionen Euro für vier oder fünf neue Spieler auszugeben.

Mitchell: Außerdem ist die Vereinsidentifikation dieser Spieler auch eine völlig andere. Die Jungs sind im Klub groß geworden, kennen jeden Stein und jeden Grashalm. Davon kann das Team nur profitieren.

Der FC Chelsea im Überblick