Ein ganz normaler Diebstahl

Von Andreas Lehner / Florian Regelmann
Keine Neuen an der Stamford Bridge 2010? Chelsea will gegen die FIFA-Stafe vorgehen
© Getty

Der FC Chelsea wurde wegen des Transfers von Gael Kakuta mit einer drastischen Strafe belegt. Dabei ist das Vorgehen auf dem Transfermarkt üblich -  und die Bundesliga macht dabei keine Ausnahme.

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Der FC Chelsea wird voraussichtlich vor den internationalen Sportgerichtshof CAS ziehen und Einspruch gegen das Urteil einlegen, das neben der Transfersperre eine Geldstrafe von insgesamt 910.000 Euro vorsieht.

Der Verein hofft auf eine Reduzierung der Strafe und fühlt sich ungerecht behandelt. "Die Sanktionen sind in ihrem Ausmaß beispiellos und stehen in keinem Verhältnis zu dem vermeintlichen Vergehen", hieß es in einem offiziellen Statement auf der Homepage.

Hält man sich aber strikt an die FIFA-Statuen bezüglich Spielertransfers, mussten die Blues aber genau mit dieser Strafe rechnen. Im mittlerweile berühmten Artikel 17 heißt es in Absatz 4: "Im Falle eines Vertragsbruchs oder bei Anstiftung zum Vertragsbruch in der Schutzzeit können einem Verein zusätzlich zur Verpflichtung, eine Entschädigung zu zahlen, auch sportliche Sanktionen auferlegt werden. (...) Als Sanktion wird dem fehlbaren Verein für zwei Registrierungsperioden die Registrierung von Spielern auf nationaler und internationaler Ebene verweigert."

Chelseas Hochmut wird bestraft

Und genau gegen diese Vorschrift und die Schutzzeit (ein Zeitraum von drei Jahren nach Inkraftreten des Vertrages, sofern vor dem 28. Geburtstag unterzeichnet) hat Chelsea im Fall Gael Kakuta verstoßen.

Bereits im April 2007 wird das Interesse der Blues am damals 15-jährigen Nachwuchsspieler von Lens laut. Obwohl der damalige Manager Francois Collado den Blues mit einer Klage bei der FIFA droht, falls der Verein den Spieler kontaktiert, unterschreibt Kakuta im Juni 2007 einen Vertrag und läuft im August erstmals im blauen Trikot auf. Laut Lens hat der mittlerweile 16-Jährige aber einen bis 2009 gültigen Vertrag.

Im Januar 2008 bietet sich Chelsea die letzte Möglichkeit, ungeschoren aus der Sache herauszukommen. Collado trifft sich in London mit Geschäftsführer Peter Kenyon und Nachwuchsdirektor Frank Arnesen.

"Wir haben ihnen gesagt, was wir uns als Entschädigung vorstellen. Das Angebot von Chelsea war lächerlich", berichtet Lens-Manager Collado auf Nachfrage von SPOX. "Also habe ich Kenyon gesagt: 'Hören Sie zu, Monsieur, wenn sie das wirklich wollen, dann werden wir zur FIFA gehen und dann werden wir ja sehen, ob Chelsea nicht bestraft wird'. Ich habe ihn gewarnt, sie wollten einfach nicht glauben, dass das große Chelsea wirklich bestraft wird. Ich fühle eine große Befriedigung, diesen Fall vor Gericht gewonnen zu haben."

Michael Ballack: "Die Strafe ist drastisch"

Geduldete Form des Menschenhandels

Hätte Chelsea den Franzosen eine ordentliche Ablösesumme bzw. Entschädigung geboten, wäre die Sache ein Transfer unter vielen gewesen und wohl nie zur Anklage gekommen.

Dass Klubs Spieler in der Sperrfrist ansprechen, ohne die Vereine mit einzubeziehen, ist mittlerweile ein offenes Geheimnis in der Branche und gängige Praxis - auch wenn sie gegen das offizielle Reglement der FIFA verstößt. In den meisten Fällen schützt eine angemessene finanzielle Entschädigung vor einer Anklage.

Dass dies nichts anderes als eine geduldete Form des Menschenhandels darstellt, darf keinen überraschen. Dass Chelsea für diesen Transfer bestraft wurde, ist aber nur auf die Dummheit des englischen Klubs zurückführen.

Collado sieht ein Grundsatzproblem auf dem Transfermarkt: "Natürlich ist es Diebstahl. Sie haben sich einfach einen Spieler genommen, der uns gehörte. Wir haben in Lens eine Fußballschule und lassen uns die Ausbildung unserer Talente viel Geld kosten. Es ist generell ein ganz großes Problem, dass ausländische Vereine meinen, sie könnten die Spieler umsonst haben."

Spitze des Eisbergs

Der Kakuta-Transfer ist nur die Spitze des Eisbergs, ein Domino-Effekt ist aber nicht zu erwarten, weil erstens nicht jeder Transfer illegal ist und zweitens die Illegalität eines Transfers oft schwer nachzuweisen ist. Im Fall von Chelsea kam der FIFA-Disziplinarausschuss zu der Auffassung, dass die Beweislage ausreicht, um Chelsea zu verurteilen.

Dies muss aber nicht gleichzeitig für Manchester United gelten, das vom AC Le Havre ebenfalls bei der FIFA angezeigt wurde. Auch wenn Le Havres Sportdirektor Alain Belsoeur  von einem "gleichgelagerten" Fall spricht und behauptet, dass Manchester den Eltern des Spielers "eine hohe Summe Geld" geboten habe, wenn ihr Sohn das Angebot annehme. United bezeichnete die Vorwürfe als Nonsens.

Abschreckendes Strafmaß

Die FIFA hat am FC Chelsea ein Exempel statuiert und zum ersten Mal eine Strafe ausgesprochen, die den Verurteilten auch trifft. Die Londoner wurden, wie andere Klubs auch, schon bei den Transfers von Ashley Cole, Michael Woods und Tom Taiwo wegen illegaler Kontaktaufnahme für schuldig befunden und in der Causa Cole mit einer Geldstrafe belegt.

Summen im sechsstelligen Bereich tun Vereinen wie Chelsea und Besitzern und Eigentümern wie Roman Abramowitsch nicht weh, ein Transferverbot für zwei Wechselperioden ist dagegen ein Schock. Die Härte der Strafe dürfte als Abschreckung dienen, zumindest sollten die Vereine vorsichtiger in ihren Abwerbungsversuchen werden.

Auch Deutschland ist betroffen

In Deutschland war von dieser Problematik bisher wenig zu hören. "Die Tatsache, dass in Deutschland solche Fälle noch nicht zur Anklage gekommen sind, heißt nicht, dass es sie nicht gibt", sagt Ballack-Berater Dr. Michael Becker zu SPOX.

Auch auf dem deutschen Markt ist es durchaus üblich, noch unter Vertrag stehende Spieler anzusprechen. Meist regeln die Vereine die Sache über die finanzielle Komponente untereinander.

Verstöße gegen die FIFA-Statuten könnte und müsste der Verband aber auch ohne Klage der Vereine verfolgen. Schließlich gilt auch für den DFB-Kontrollausschuss das Legalitätsprinzip. Anders als in Frankreich oder England ist beim DFB der Ermittlungswille auf diesem Feld nur sehr schwach ausgeprägt.

Bayerns Glück im Fall Klose

Als sich beispielsweise 2007 der FC Bayern in Person von Uli Hoeneß und Ottmar Hitzfeld mit dem damaligen Bremer Miroslav Klose und dessen Berater am Flughafen in Hannover getroffen haben, ließ sich der Kontrollausschuss mit der Ausrede abspeisen, es habe sich nur um ein informelles Gespräch gehandelt.

Dass alle Beteiligten hinterher eine andere Version vom Inhalt des Treffens wiedergaben, war für den DFB kein Grund, Ermittlungen einzuleiten. Obwohl jedem klar war, dass es sich um einen Verstoß gegen die FIFA-Statuten handelte.

Werder Bremen war von der Vorgehensweise der Bayern nicht angetan, sah aber von einer Klage ab, weil die Bayern in der Ablöse noch den ein oder anderen Euro drauflegten. Das hätte dem FC Chelsea wohl auch einigen Ärger erspart.

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