Sein feuchter Traum

Von SPOX
Spurs-Coach Andres Villas-Boas war bis März selbst noch Verantwortlicher beim FC Chelsea
© Getty

Andre Villas-Boas ist ganz entzückt vom FC Chelsea - nur eben ein halbes Jahr zu spät. Spanien feiert die Rekordjäger Messi und Falcao, während in Italien erneut Miro Klose für Aufsehen sorgt und leider auch grenzdebile Tifosi und TV-Verantwortliche. Die Blitzlichter aus Europa, zusammengetragen von unseren Korrespondenten vor Ort.

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Serie A

Von Oliver Birkner

Spiel des Spieltags: Der oft unangenehm in Küchenlatein brabbelnde Claudio Lotito hatte am Wochenende zur Abwechslung mal recht. "So einen Sturm wie wir besitzt kein Klub der Liga", sagte der Lazio-Präsident nach dem 3:2 über Milan. Tatsächlich sind die drei Torschützen Hernanes, Antonio Candreva und "Mito" Klose bislang für 13 der 15 römischen Tore verantwortlich. Zum Saisonstart von Klose ist eh nicht mehr viel zu sagen: Drei Buden für Deutschland, eine in der Europa League und sechs in der Serie A, vielleicht stellt Lazio seit 2001 (Hernan Crespo) am Ende wirklich mal wieder den Torschützenkönig Italiens.

Bleibt noch anzumerken, dass drei Punkte über Milan derzeit natürlich irgendwie eine Pflichtnummer sind. Fünf Pleiten in den ersten acht Partien, das passierte den Rossoneri zuletzt vor 71 Jahren. Als Sinnbild für die Misere darf Kevin-Prince Boateng gelten: Der Berliner wanderte beim AC lange Monate kongenial auf dem Mond und wirkt aktuell wie sein Lookalike aus einer Casting Show, der zufällig ein rot-schwarzes Trikot gefunden hat. "Wäre er Kandidat bei The Apprentice, wäre Boa schon längst draußen", kommentierte die "Gazzetta dello Sport". Mit sieben Punkten teilt sich Milan den drittletzten Platz und die Lazio-Tifosi sangen höhnisch "Serie B, Serie B". Die sollte freilich selbst dieses uninspirierte Team irgendwie zu verhindern wissen. Zur Strafe orderte Patriarch Silvio Berlusconi eine einwöchige Kasernierung im Trainingscamp Milanello an, aus der man zwei Mal befreit wird - zu den Partien in Malaga und gegen Genoa, in denen Coach Max Allegri um seinen Job antritt. "Er muss uns jetzt ganz schnell Punkte beschaffen", sagte Manager Adriano Galliani. Man kann sich denken, wie dieser Satz mit dem Wörtchen "ansonsten" weitergeht.

Spieler des Spieltags: Ein Volleyknaller aus der Distanz - damit tütete Paul Pogba nicht nur Juves drei Punkte gegen Verfolger Nummer eins Napoli ein, es bedeutete auch Tor Nummer eins in Italien für den 19-Jährigen. Da hat es wahrlich schlechtere Debüt-Treffer gegeben. "Der Junge wird flugs eine Menge Spielzeit bekommen", sagte Sportchef Beppe Marotta im Sommer und die Zuhörer lächelten ungläubig. Jetzt steht Pogba auf der Liste von Didier Deschamps für den Freundschaftskick gegen Italien im November. "Nach dem Tor habe ich nichts mehr kapiert, alles stand still", jauchzte der Franzose. 2009 wechselte er von Le Havre zu Manchester United als er noch keine 16 war. "Im Sommer wollten mich Milan, Chelsea und Arsenal, doch ich ging zu Juve, weil meine großen Landsleute Platini, Zidane und Vieira hier gespielt haben", sagte Paul, die Krake, wie ihn manch einer in Turin in Anlehnung an den Weissager-Polypen der WM 2010 nennt. In Manchester verwechselte man ihn bisweilen mit Mario Balotelli, also ließ sich Pogba zwei schmucke goldene Streifen ins Haar machen. Ansonsten sind die Erinnerungen an Nordengland eher bescheiden: "Sir Alex Ferguson sagte mir oft: Dein Moment wird kommen. Doch er kam nie. Jetzt erwarte ich mir keine Glückwunsch-SMS von Sir Alex." Mit Verlaub wird Herr Ferguson sicher auch Besseres zu tun haben.

Und sonst? Einige Idioten sorgten am Wochenende für geschmacklose Schlagzeilen. In Livorno diffamierten "Tifosi" von Hellas Verona mit abstoßenden Sprechchören Ex-Livorno-Spieler Morosini, der im letzten April wegen eines Herzfehlers auf dem Feld verstorben war. "Dieses Team gehört ausradiert, es verdient seine Existenz nicht", empörte sich Livorno-Kapitän Luci. Die Anhänger gehören zu jener Gruppe, die 1996 das Engagement eines farbigen Spielers verhindern wollte, und eine schwarze Puppe am Stadion sinnbildlich erhängte mit der Aufschrift "Negro go away". Dass sich Deliranten parallel auch im Feld der Journaille bewegen, bewies hingegen die Nachrichtensendung des Staats-Senders "RAI" auf dem dritten Programm der Region Piemont. Vor dem Spiel Juve gegen Napoli ließ der Journalist in seinem Bericht zunächst einige Tifosi "Vesuv, wasch' die Neapolitaner mit Feuer" singen, dann einen zu Wort kommen: "Tja, die Neapolitaner sind überall, wie die Chinesen", woraufhin der Journalist grinsend entgegnete: "Und ihr erkennt sie am Gestank." Unfassbar, dass die Verantwortlichen der "RAI" diesen Bericht tatsächlich über den Sender jagten. Doch gegen Dummheit sind bekanntlich selbst die Götter machtlos.

Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Es hat etwas länger gedauert, aber am Samstag spielte der FC Chelsea exakt so, wie sich das Andre Villas-Boas nach seinem Wechsel vom FC Porto an die Stamford Bridge im Sommer 2011 vorgestellt hatte. "Die Mannschaft ist in einer fantastischen Verfassung", schwärmte der 35-Jährige, die "Kreativität und individuelle Brillanz" seien enorm gewesen, das "atemberaubende Mittelfeldtrio" (Eden Hazard, Juan Mata, Oscar) habe ein "wunderbares Spielverständnis" entwickelt. "Wirklich brillant", urteilte der portugiesische Trainer begeistert.

Die mit grimmiger Defensiv-Taktik zu Champions-League-Ehren gekommenen Gäste waren beim hoch unterhaltsamen 4:2-Derbysieg in Tottenham Villas-Boas' Idealvorstellungen vom schönen Ball tatsächlich so betörend nahe, dass nur ein winziges Detail seinen Genuss trüben konnte: Er saß leider am Samstag beim Gegner auf der Bank und erlebte sein Ex-Team nur noch wie einen feuchten Traum. Chelsea gehört spätestens jetzt zum ganz engen Kreis der Meisterschaftsfavoriten.

Spieler des Spieltags: Juan Mata war an der Lane der überragende Akteur mit zwei Toren und einer Vorlage, aber auch Edin Dzeko brillierte beim 2:1-Sieg von City in West Brom mit zwei enorm wichtigen Toren. Hinterher wusste der Bosnier allerdings nicht, ob er sich wirklich freuen sollte: Zum achten Mal in dieser Saison wurde er eingewechselt und machte mit seinen Treffern dem ungewollten Ehrentitel "Super-Sub" alle Ehre. "Ich war nie ein Joker, ich habe immer gespielt", sagte der 26-Jährige nach seinem fünften Ligatreffer mit leicht zerknitterter Miene. Die anderen City-Stürmer (Tevez, Agüero, Balotelli) haben zusammen auch nicht mehr Tore geschossen. Mancini kann diese Bilanz eigentlich nur Recht sein, aber wenn nicht alles täuscht, hat der Italiener jetzt damit auch das Quartett der unzufriedenen Stürmer voll. Man kann sich schon jetzt auf allerlei Transferspekulationen im Januar einstellen.

Und sonst? Der 17-jährige Deutsch-Ivorer Serge Gnabry gab bei Arsenals 0:1 in Norwich sein Debüt. Und der Hammer ist wieder da: Thomas Hitzlsperger stand beim 1:1 von Everton bei den Queens Park Rangers im Kader. Leider geht aber auch die Rassismus-Affäre weiter: Mehrere schwarze Spieler weigerten sich, das "Kick it out"-T-Shirt der offiziellen Anti-Rassismus-Kampagne der FA und Premier League zu tragen, weil die zuständigen Behörden ihrer Meinung nach viel mehr unternehmen müssten. Alex Ferguson fühlte sich daraufhin von Rio Ferdinand, einem der Boykotteure, persönlich blamiert und kündigte eine harte Strafe an. Der ManUtd-Trainer hatte angekündigt, dass alle seine Spieler das Shirt tragen würden. Nach einem klärenden Gespräch am Sonntag stellte der Schotte jedoch klar, dass er von Rio gerne vorab informiert worden wäre, mit der grundsätzlichen Entscheidung habe er kein Problem. Rein sportlich erinnerte die Vorstellung gegen Stoke City (4:2) in der Anfangsphase fatal an Englands Zombie-Vorstellung beim 1:1 in Polen. Hatte da jemand wieder die falschen Pillen verteilt? Wie Glen Johnson erzählte, hatten einige Nationalspieler vor dem Match am Dienstagabend Koffeintabletten geschluckt, aber nach der Verschiebung der Partie wegen der Regenfälle in Warschau Schlafmittel eingenommen, um etwas Ruhe zu finden...

Primera Division

Von Paula Villamarin Temperan

Spiel des Spieltags: Ein derart verrücktes Ding wie Barcas 5:4-Sieg hat das Riazor auch schon lange nicht mehr gesehen. Wie eine Dampfwalze wurde Deportivo 20 Minuten lang überrollt, das 0:3 zu diesem Zeitpunkt entsprach dabei noch nicht einmal den Kräfteverhältnissen.

Offenbar hatten sich aber einige der Blaugrana heimlich das Deutschland-Spiel am Dienstag in Berlin aufgenommen und vor der Partie nochmal zum Spaß angeschaut. Danach jedenfalls versank Barca mit wenig gütiger Mithilfe des schwachen Unparteiischen im Defensiv-Chaos und fand wie schon einige Male in dieser Saison kaum noch heraus. In Unterzahl schluckte der turmhohe Favorit gegen den Aufsteiger einen Gegentreffer nach dem anderen. Einzig Leo Messis Tore dazwischen ließen die Partie für die Katalanen nicht zum Desaster auswachsen. Wie eigentlich immer seit einigen Wochen ist Messi zu viel für den jeweiligen Gegner. Der Argentinier hat in der Vereinshistorie den nächsten Rekord aufgestellt und den großen Ladislao Kubala mit seinem 15. Dreierpack in der Liga überholt. Dazu kommen nun schon 71 Pflichtspieltore in diesem Kalenderjahr. Noch drei Treffer und Messi holt Peles Jahrhundertmarke von 74 Toren (inklusive Nationalmannschaft) aus dem Jahr 1959 ein. 15 Pflichtspiele bleiben bis Ende Dezember noch Zeit. Einem Messi in dieser Form könnten aber auch schon 90 Minuten dafür reichen.

VIDEO: Unglaublich lässiger Macho Man beim Getafe-Spiel

Spieler des Spieltags: Jetzt kann er auch noch Standards... Radamel Falcao fräst ja hinter Messi eh schon durch die Liga. Bei Real Sociedad tat sich der hartnäckigste Barca-Verfolger 90 Minuten lang schwer - dann kam Falcao und hämmerte einen Freistoß aus 20 Metern ins Netz. Durch den Treffer in der Nachspielzeit hat er seine unheimliche Serie gewahrt: in allen Spielen, in denen er in dieser Saison auf dem Platz stand, hat Falcao genetzt - bis auf die Auftaktpartie gegen Levante. Zuletzt hat er aber in zehn Spielen in Folge jeweils mindestens einen Treffer erzielt. Auch ziemlich bemerkenswert: das Tor in San Sebastian war sein erstes Freistoßtor überhaupt. Schon auch ziemlich irre, der Typ...

Und sonst? In spanischen Medien ist schon wieder eine hitzige Modric-Özil-Diskussion im gange. Jose Mourinhos Maßnahme, den beiden am Samstag auch noch Kaka zur Seite zu stellen, verschärfte das ganze nur noch. Luka Modric' offensive Interpretation eines defensiven Mittelfeldspielers würde sowohl Mesut Özil, als auch Kaka jeglichen Raum im Zentrum rauben und im Gegenzug die Flügel ignorieren. In der Tat erwies sich Angel di Marias Einwechslung gegen Celta Vigo als guter Griff. Der Argentinier kam zur Pause für Kaka und sofort hatte Reals Angriffsspiel wieder ordentlichen Schwung. Für das Champions-League-Spiel in Dortmund hat sich Sami Khedira übrigens wieder fit gemeldet. Das Problem könnte sich also von alleine wieder lösen.

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