Der Präsident des deutschen Ligaverbandes, Reinhard Rauball, fordert Blatter gar zum Rücktritt auf. "Nach dem derzeitigen Stand sollte Sepp Blatter seine Amtsgeschäfte schnellstmöglich in andere Hände geben. Für einen Reformprozess braucht die FIFA jemanden, der gewillt ist, einen Neuanfang zu machen", sagte Rauball der Tageszeitung "Die Welt" (Samstagausgabe).
Blatter hatte sich in den vergangenen Monaten als Reformer stilisiert und immer wieder beteuert, dass er dem Verband ein neues Gesicht geben wolle. Eine Anpassung der FIFA an die Moderne hatte er noch im Mai dieses Jahres den Kongress-Mitgliedern in Budapest versprochen.
Interview sorgt für Empörung
Doch mit dem Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts, brisante Akten um Schmiergeldzahlungen der 2001 insolvent gegangenen Sportvermarktungsagentur ISL/ISMM an mehrere FIFA-Funktionäre offenzulegen, hat die ohnehin schon bedingte Glaubwürdigkeit des Schweizers als Erneuerer weiter gelitten. Die seit wenigen Tagen veröffentlichte Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zug dokumentiert präzise, dass Blatter bestens über die Vorgänge unterrichtet war. "Es ist immer schwierig, jemanden einzubinden, der selbst Teil der Umstände ist, die einen Reformprozess erst erforderlich gemacht haben", sagte Rauball.
Für Empörung sorgte vor allem ein von der FIFA am Donnerstagabend veröffentlichtes Interview mit Blatter, in welchem er ganz offen seine Kenntnisse über die Zahlungen an FIFA-Funktionäre zugibt und überhaupt nichts Verwerfliches darin erkennen kann. "Damals konnte man solche Zahlungen als Geschäftsaufwand sogar von den Steuern abziehen. Heute wäre dies strafbar", sagte Blatter und ergänzte, dass man die Vergangenheit nicht mit den Maßstäben von heute messen könne. Sonst ende man bei der Moraljustiz. "Ich kann also nicht von einem Delikt gewusst haben, welches keines war."
"Blatter will die ewige Krise ein weiteres Mal aussitzen"
Die Erklärung Blatters hätte ihn betroffen gemacht, erklärte Rauball, der dem FIFA-Präsidenten die Verletzung der Sorgfaltspflicht gegenüber den Mitgliedsverbänden vorwirft. Es liege mehr im Argen, als bisher bekannt, sagte der 65-Jährige weiter. Er fordere deshalb einen außerordentlichen FIFA-Kongress, auf dem unter anderem dem früheren FIFA-Präsidenten Joao Havelange die Ehrenpräsidentschaft entzogen und der Verbleib weiterer Millionengelder der ISL geklärt werde.
Auch die Presse kommentierte die Vorgänge bei der FIFA scharf. Der Weltverband lebe in seiner eigenen Welt, schrieb "Der Tagesspiegel" (Freitagausgabe). Außerdem sei es fraglich, ob Blatter mit "diesem nonchalanten Abtun großflächiger Korruption die kleine FIFA-Welt retten" könne, heißt es weiter. Und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sieht ein "verheerendes Signal" darin, dass "Blatter die ewige Krise seiner Präsidentschaft ein weiteres Mal aussitzen" wolle.
"Und manchmal frisst die Reform auch ihre Kinder"
Tatsächlich macht Blatter bislang keinerlei Anstalten, die Zügel im Weltverband aus der Hand zu geben. Auch FIFA-Chefreformer Mark Pieth glaubt nicht an einen Führungswechsel in der FIFA. Ihm falle im Führungszirkel der FIFA im Moment keiner ein, der eine bessere Alternative wäre, sagte der Schweizer Strafrechtsprofessor am Freitag der Nachrichtenagentur dapd. Gleichwohl sei niemand unersetzbar. "Und manchmal frisst die Reform auch ihre Kinder", sagte Pieth weiter.
Erst im Juni vergangenen Jahres war Blatter als Präsident bis 2015 wiedergewählt worden. Nach der skandalumwitterten Wahl - sein Gegenspieler Mohamed bin Hammam war wegen angeblicher Schmiergeldzahlungen suspendiert worden - versprach Blatter, die FIFA mithilfe externer Ratgeber wie eben Pieth wieder in ruhige Gewässer zu leiten.
Transparenz und die Errichtung demokratischerer Strukturen stehen ganz oben auf der Reform-Agenda von Pieth und seinen Mitarbeitern. Auch soll am kommenden Dienstag das FIFA-Exekutivkomitee ein neues Ethikreglement absegnen. Man darf gespannt sein, welche Konsequenzen die neuen Leitlinien für den Präsidenten Blatter haben werden.