Der Kampf der Frauenfußball-Großmächte in Montréal ist ein Duell der Superlative. Die Nummer eins (Deutschland) trifft nicht nur auf die Nummer zwei der Welt, sondern auch die gefährlichste Offensive des Turniers (Deutschland: 20 Tore) auf die sicherste Abwehr (USA: ein Gegentor). Beide einen große Ziele: Das Finale am 5. Juli in Vancouver und der dritte Stern.
Dabei kann die DFB-Auswahl nur vier Tage nach dem kräfteraubenden 5:4 im Elfmeter-Krimi im Viertelfinale gegen die Französinnen nach ausgiebiger Regeneration und dosiertem Training "befreiter aufspielen", wie Bundestrainerin Silvia Neid versicherte: "Ich habe immer gesagt: Das Halbfinale ist für mich ein richtig großer Erfolg. Jetzt spielen wir nicht gegen irgendwen, sondern gegen die USA, geben alles und schauen, was dabei herauskommt. Das ist dann Zugabe."
USA: "Eingebautes optimistisches Gen"
Es ist auch das Duell unterschiedlicher Mentalitäten. Während das zurückhaltende deutsche Team über den "absoluten Willen" (Neid) verfügt, setzen die extrovertierten USA auf ihr "eingebautes optimistisches Gen", wie Angerer den unerschütterlichen Glauben der US-Amerikaner an sich selbst nennt. Die Torhüterin kennt die athletischen und erfahrenen (Altersdurchschnitt 29 Jahre) Gegenspielerinnen bestens, seit sie beim US-Klub Portland Thorns spielt.
Sie war als Ersatzspielerin auch 2003 dabei, als Deutschland den damals klar favorisierten Titelverteidiger USA im WM-Halbfinale (3:0) aus dem Heim-Turnier warf. "Das ist aber Geschichte", sagte Angerer. Seit 1999 warten die Amerikanerinnen nun aber sehnsüchtig auf den dritten WM-Titel. So scheiterten sie vor vier Jahren im Finale in Frankfurt gegen Japan dramatisch im Elfmeterschießen (1:3).
Seit 12 Jahren kein Sieg gegen US-Girls
Die Deutschen warten allerdings seit zwölf Jahren auf einen Sieg gegen die US-Girls. Die Bilanz ist eindeutig: Von insgesamt 32 Duellen gewann die DFB-Auswahl nur sechs, 20-mal siegten die USA. Um nicht das unliebsame Spiel um Platz drei in Edmonton bestreiten zu müssen, gilt es, die US-Defensive zu knacken. Seit 423 WM-Minuten ist Star-Torhüterin Hope Solo ohne Gegentor. "Dann wird es Zeit, dass sie noch eins kriegt", lautete Neids flapsige Kampfansage mit einem Augenzwinkern.
Hatten die frankophilen Zuschauer das überdachte Olympiastadion gegen Frankreich in einen Hexenkessel verwandelt, dürften die meisten der über 45.000 Fans diesmal erneut lautstark den Gegner unterstützen. "Das pusht uns nur noch mehr", sagte Angerer: "Aber es wäre schön, wenn die Kanadier jetzt auf unserer Seite wären." Die Gastgeber pflegen bekanntlich mit dem großen Nachbarn eine ausgeprägte Rivalität.
Marozsan fraglich
Verzichten muss die deutsche Auswahl dabei eventuell auf Dzsenifer Marozsan (Bänderdehnung im Sprunggelenk). Dafür gibt es aus der Heimat Unterstützung: DFB-Vizepräsident Reinhard Rauball und -Generalsekretär Helmut Sandrock kommen ins Stadion, Angela Merkel wird der Bundestrainerin wieder eine SMS schreiben. Die Bundeskanzlerin hatte Neid übrigens versprochen, zum Endspiel nach Vancouver kommen zu wollen. - Die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen:
Deutschland: Angerer - Maier, Krahn, Bartusiak, Kemme - Goeßling, Leupolz - Laudehr, Mittag, Popp - Sasic.
USA: Solo - Krieger, Sauerbrunn, Johnston, Klingenberg - Rapinoe, Holiday, Lloyd, Heath - Wambach (Rodriguez), Morgan.
Alles zur Frauen-WM 2015