EM

Die Grande Nation zittert

SID
Die Isländer feiern ein wahres Sommermärchen
© getty

Das unbeugsame Island will nun auch den Gastgeber aus dem Turnier werfen. Frankreich ist bemüht, das Gerede vom vermeintlichen Freilos zu beenden.

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ADFür den größten Tag der isländischen Fußball-Geschichte gab sogar Eliza Reid klein bei. Zum Hochzeitstag am Sonntag gibt es für die kanadische Ehefrau von Staatspräsident Gudni Johannesson kein romantisches Abendessen mit Champagner bei Kerzenschein. Sondern lauwarmes Bier und einen Stehplatz im Stade de France inmitten zehntausend inbrünstig grölender Wikinger!

Das EM-Viertelfinale (Sonntag, 21.00 Uhr im LIVETICKER) gegen den übermächtigen Gastgeber Frankreich, "das ist unser größtes, unser wichtigstes Spiel", sagte Mittelfeldspieler Birkir Bjarnason. Dass der frischgewählte Johannesson samt Gattin in der Kurve steht und die erschütternden "Uh-Uh-Uh"-Rufe der isländischen Fans mit in den Abendhimmel über St. Denis schreit - selbstverständlich.

Die Taktik der tapferen Nordmänner, die schon mit dem 2:1 im Achtelfinale gegen England Geschichte geschrieben haben, war in den vergangenen Tagen bemerkenswert. Verstecken? Angst? Respekt? Nichts da! Island redete der Grande Nation Zweifel ein. Und es funktioniert.

"Die größte Gefahr sind wir selbst"

"Island gehört bis hierhin zu den besten Mannschaften, wir dürfen sie nicht unterschätzen", sagte Abwehrspieler Bacary Sagna, der den Sensationsgegner mit Englands Meister Leicester City verglich. Er betonte aber auch: "Die größte Gefahr sind wir selbst."

Für die Equipe tricolore "zählt nur der Sieg, sonst nichts", sagte Sagna: "Wenn wir schon im Viertelfinale ausscheiden, sind wir gescheitert. Aber ich denke nicht über eine Niederlage nach, ich sehe mich noch nicht im Urlaub." Und wenn doch? Der Druck könnte kaum größer sein - und genau damit spielt der krasse Außenseiter genüsslich.

"Von den Franzosen wird enorm viel erwartet", glaubt Trainer Lars Lagerbäck. Eine französische Niederlage am Sonntag, "oh das wäre nicht gut ...", ergänzte er. Frankreichs Trainer Didier Deschamps dürfte das die Zornesröte ins Gesicht treiben.

Mit jeder Stunde, mit jeder neuen Kampfansage der Wikinger wachsen die Zweifel. Aus dem Glücklos Island ist plötzlich ein kleiner Angstgegner geworden.

Auf die Mentalität kommt es an

"Sie sind nicht zufällig hier", sagte Deschamps. "Das hat schon die Qualifikation gezeigt. Sie verdienen es und haben es niemandem gestohlen." Kapitän Hugo Lloris mahnte, dass die "mentale Stärke den Unterschied machen" werde. "Es gibt in Europa keine 'Kleinen' mehr. Island hat einen großartigen Lauf", sagte der Torwart: "Sie haben zwei oder drei Top-Spieler. Und sie spielen mit viel Herz. Wir haben sehr viel Respekt, wir werden nicht überrascht sein."

Erschwerend hinzu kam, dass EM-Gastgeber am Samstag mehrere Extra-Kilometer zurücklegen musste, weil der Rasen im Nationalstadion geschont wurde. Das Training beider Mannschaften in St. Denis fiel aus. Deschmaps und Lloris wurden mit einem Helikopter zur obligatorischen Pressekonferenz am Vormittag geflogen.

Die französische Presse meldete zudem Zweifel an, ob der gelbgesperrte Adil Rami wirklich zu ersetzen sei. Wahrscheinlich wird der erst 22-jährige Samuel Umtiti (noch kein Länderspiel) in der Startelf stehen. Er sollte gewarnt sein.

Das Spiel danach

"England stand unter einem so extremen Druck, dass sie gegen uns verloren haben. Für Frankreich ist es genau dasselbe", sagte der zweite Trainer der Nordmänner, Heimir Hallgrimsson. Damit nicht genug, der verschmitzte Hallgrimsson stichelte ein wenig, als er ergänzte: Das Spiel gegen Frankreich sei das "wichtigste Spiel" der isländischen Fußball-Geschichte, "und das Spiel, das danach kommt, wird dann wieder das wichtigste sein". Das Spiel danach!

Doch selbst, wenn Island ausscheiden sollte, "dann würde sich die Welt bestimmt nicht aufhören zu drehen", sagte Hallgrimsson: "Das ist unser großes Plus."

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