"Das war für mich wie New York"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Regis Dorn (l.) spielt seit Juli 2009 für den SV Sandhausen. Er kam von Hansa Rostock
© Imago

Straßburg, Rostock, Shanghai - Regis Dorn ist schon viel rumgekommen. Bei Sandhausen hat er in der dritten Liga ein neues Zuhause gefunden - und führt nach sieben Spieltagen die Torjägerliste an.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Im Interview mit SPOX spricht er über die französische Küche, 18 Millionen Chinesen und Vereinswappen als Tattoo. Außerdem bestätigt er, dass im Reich der Mitte nicht immer alles mit rechten Dingen zu geht.

SPOX: Sie haben bereits sieben Tore erzielt. Warum läuft es in Sandhausen besser als zuletzt in Rostock?

Regis Dorn: Ich spiele, das war in Rostock nicht der Fall. Der Trainer und der gesamte Verein bauen auf mich und das versuche ich mit guten Leistungen zurückzuzahlen.

SPOX: Liegt Ihr derzeitiger Erfolg auch an der Nähe zu Ihrer Heimat?

Dorn: Das ist auch ein Grund. Die Tatsache, dass Sandhausen nahe an Frankreich liegt, hat mich auch in meiner Entscheidung bestärkt, zum SVS zu wechseln.

SPOX: Was macht den Verein Sandhausen aus?

Dorn: Hier geht alles sehr menschlich vonstatten, jeder kennt jeden. Gibt es Probleme, werden sie direkt angesprochen und nicht über einen Dritten oder Vierten an dich herangetragen. Das ist alles sehr familiär. Trotzdem ist es das Ziel vom gesamten Verein, in den nächsten Jahren oben anzuklopfen.

SPOX: Wie beurteilen Sie das Niveau der 3. Liga?

Dorn: Es ist eine sehr schwere Liga. Viele Spiele sind offen und stehen lange auf der Kippe. Man kann niemanden einfach so an die Wand spielen. Die Gegner sind eigentlich alle stark.

SPOX: Was sagen Sie: Ist die Liga eher Auffangbecken oder Talentschmiede?

Dorn: Eine Mischung aus beidem. Auf der einen Seite gibt es sehr viele junge Talente, die sich zeigen wollen. Auf der anderen Seite sind auch erfahrene Spieler da, die in den beiden oberen Ligen nicht so zum Zug kamen und ihre zweite Chance suchen. Wichtig ist einfach, dass man spielt. Von daher ist es mir persönlich lieber, in der 3. Liga zu spielen und jedes Spiel zu machen, als in der Bundesliga auf der Bank zu sitzen.

SPOX: Was mögen Sie an Deutschland?

Dorn: Ich kann mich gut mit der deutschen Mentalität identifizieren. Als Elsässer liegt das ja auch nicht so fern. Ich mag diese Gradlinigkeit in Deutschland, man weiß eigentlich immer, was man an den Leuten hat und kann ihnen vertrauen.

SPOX: Und was haben die Franzosen, was wir nicht haben?

Dorn: (lacht) Ich muss sagen, unsere Küche ist schon ein Highlight, das ihr in Deutschland nicht habt.

SPOX: Das ist Geschmackssache.

Dorn: Nein, unsere Köche und ihre Küche sind schon ganz weit oben.

SPOX: Gibt es Unterschiede in der Fankultur?

Dorn: In Deutschland ist die Stimmung besser und das Zuschauerpotential größer. Wenn ich sehe, wie die deutschen Fans schon vor dem Spiel feiern und was alleine in der 3. Liga teilweise für Zuschauerzahlen erreicht werden, damit ist in Frankreich einfach nicht zu rechnen. Es ist ein Unterschied, vor 5000 oder vor 50.000 Zuschauern zu spielen.

SPOX: Französische Talente sind vor allem in England heiß begehrt, deutsche eher selten. Wie erklären Sie sich das?

Dorn: Fußballerisch ist der Unterschied gar nicht so gewaltig. Entscheidend ist aber doch, dass die Bundesliga viel stärker ist, als die französische. Wieso soll ein deutsches Talent nach England wechseln? Hier finden junge Spieler doch optimale Bedingungen vor.

SPOX: An der Ausbildung liegt es nicht?

Dorn: Die Ausbildung durch Jugendzentren beginnt bei uns sehr früh. Da hat Deutschland aber mittlerweile aufgeholt, wie man an den Titeln sieht. Der Unterschied ist, dass bei uns ungefähr 90 Prozent der Spieler aus diesen Zentren hervorgehen. Das klappt sehr gut. Und wie man am Ergebnis sieht, zahlt es sich für die Spieler aus.

SPOX: Bei Ihnen offensichtlich auch. Viele Spieler träumen davon, einmal für Inter zu spielen. Sie hatten das Vergnügen.

Dorn: (lacht) Ja genau, Inter Shanghai.

SPOX: Scherz beiseite. Wie haben Sie das Abenteuer Shanghai erlebt?

Dorn: Das war eine tolle Zeit. Die Stimmung im Stadion war klasse, das Niveau war auch sehr gut. Wir hatten dort fünf, sechs Mannschaften, die richtig guten Fußball gespielt haben. Von daher war es für mich eine super Erfahrung.

SPOX: Sie können so einen Abstecher also nur weiterempfehlen?

Dorn: Nach Shanghai? Auf jeden Fall! Das war ein Highlight und zu dem Zeitpunkt für mich einfach überragend. Ich glaube, so was werde ich nie wieder erleben, aber ich hoffe, dass ich vielleicht noch mal die Chance dazu bekomme.

SPOX: Alleine die Stadt muss ja schon beeindruckend sein.

Dorn: Absolut. Damals waren es glaube ich 18 Millionen Leute, jetzt sind es wahrscheinlich schon 22 Millionen. Das war für mich wie New York. Es wird einem so viel geboten, und ich habe in dem halben Jahr nicht mal ein Viertel der Stadt gesehen.

SPOX: Es heißt, dass im chinesischen Fußball nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Zumindest behauptet das zum Beispiel Jörg Albertz. Können Sie das bestätigen?

Dorn: Das kann ich bestätigen. Wir hatten in unserer Mannschaft auch einen Fall, bei dem einer meiner Mitspieler angeblich ein Eigentor für Geld geschossen haben soll. Ich habe selber nichts davon mitbekommen, aber ich glaube schon, dass da ab und zu solche Dinge passieren.

SPOX: Mit Blick auf Ihre bisherige Karriere. Sind Sie zufrieden, oder würden Sie etwas anders machen?

Dorn: Das meiste würde ich genauso machen. Die Entscheidung mit Rostock würde ich mir noch mal überlegen (lacht). Alles andere bereue ich nicht.

SPOX: Wie soll man Regis Dorn in zehn Jahren in Erinnerung behalten?

Dorn: Das ist eine schwierige Frage. Ich bin meistens sehr gut gelaunt, habe Spaß am Fußball und gebe immer alles für meinen Verein. Die Fans sollen mich als treuen Spieler in Erinnerung behalten, der nicht irgendwo spielt, um in einem Jahr wieder den Verein zu verlassen.

SPOX: Machen Sie sich schon Gedanken über die Zeit nach dem Fußball?

Dorn: Es wäre schön, wenn ich noch ein paar Jahre gesund bleibe und Fußball spielen kann. Danach möchte ich gerne dem Fußball treu bleiben, da können mir meine Nähe und meine Kontakte nach Frankreich vielleicht weiterhelfen.

SPOX: Zum Abschluss: Sollten Sie mit Sandhausen aufsteigen, ist dann wieder Zeit für ein Tattoo?

Dorn: (lacht) Mal sehen, vielleicht das Wappen von Sandhausen.

SV Sandhausen im Steckbrief