Wie alles anfing, weiß niemand mehr so genau. Die Roma-Fans hatten jedenfalls plötzlich ein paar Bananen parat und warfen sie Mario Balotelli vor die Füße.
Balotelli war mit Freunden in einer Bar in Rom unterwegs, es kam in der Folge zu leichten Handgreiflichkeiten. In Italiens Fußball-Bibel "Gazzetta dello Sport" wurde die Sache tagelang ausgeschlachtet. Die Tifosi hatten wieder ihr hässliches Gesicht gezeigt und große Teile des Landes raunten pikiert.
Aber es gab auch andere, und die gaben Mario Balotelli die Schuld an dem Eklat. Auch das gehört irgendwie zu Italien und es gehört ganz speziell dazu, wenn Balotelli in eine Sache verwickelt ist.
Ein Schwarzer unter Italienern
Mario Balotelli, 18, hat zweifellos einen italienischen Vornamen und einen italienischen Nachnamen. Er besitzt auch einen italienischen Pass und er spielt bei Inter Mailand in der italienischen Serie A.
Er benimmt sich wie ein junger Bursche sich eben benimmt: laut, aufmüpfig und manchmal respektlos. Aber Balotelli hat ein Problem: Er ist ein Schwarzer unter Italienern. Und als solcher habe er sich nach dem Dafürhalten vieler auch zu verhalten. Devot und unauffällig.
Vor drei Monaten wurde Juventus Turin nach einer Partie gegen Inter zu einem Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit verdonnert. Die Juve-Fans hatten Balotelli 90 Minuten lang mit rassistischen Schmähungen überzogen, darunter: "Es gibt keine italienischen Neger."
"Ich bin italienischer als ihr alle!"
Seine dunkle Hautfarbe wirkt in einigen Stadien des Landes wie ein Teilchenbeschleuniger, auch wenn das so offen nie jemand zugeben würde. Es ist ein Geschwür, dass der Calcio trotz eines strafferen Strafenkatalogs und Intervention aus Politik und Gesellschaft nicht los wird. Die Ohnmacht und der Hass der Tifosi auf seine fußballerische Überlegenheit entlädt sich dann in rassistischem Gegröle und Affengebrüll.
Balotelli steht in der Ecke des Unterdrückten, aber das will er sich nicht gefallen lassen. Also redet er. "Das geht jetzt an die Leute, die in der curva standen: Ich bin italienischer als ihr alle!"
Hätte er besser geschwiegen. Denn wegen Äußerungen wie dieser stellen sich viele in Italien die Frage: "Wie viel Schuld trägt Balotelli selbst an seiner Situation?" Und es gibt noch mehr, die darauf antworten: "Eine ganze Menge."
Ein Nachwuchsstürmer als Straßenrowdy
Der frühere Inter-Trainer Luigi Simoni gehört zu ihnen. "Gegen seinen Teamkollegen Sulley Muntari, der ist schließlich auch aus Ghana, gab es in Turin keine Schmähung. Nur Mario provoziert das mit seinem Verhalten."
Bei Inters fulminantem 3:3 gegen die Roma, dem besten Spiel der abgelaufenen Saison, erzielte Balotelli zwei Tore und holte einen Elfmeter raus. Mit einer Schwalbe.
Den Strafstoß verwandelte er vor der Gästekurve selbst - und kam danach auf die wenig glorreiche Idee, die Roma-Fans mit aufrechtem Zeigefinger auf den Lippen zu provozieren und ihnen danach noch frech die Zunge rauszustrecken.
Es sind Flegeleien wie diese oder ein schmissiges "romanisti di merda", scheiß Römer, in Richtung Roma-Legende Christian Panucci, die aus dem hoch veranlagten Nachwuchsstürmer einen Straßenrowdy machen. Dann übersteigt die Zahl seiner Feinde die seiner Bewunderer.
"Ich konnte nicht mit ansehen, wie er sich gegenüber Panucci aufgeführt hat. Wenn Christian ihm all seine Trophäen zeigen würde, könnte er sich höchstens ein Erinnerungsfoto davon machen."Francesco Totti ist einer seiner leidenschaftlichsten Gegner: "Es geht nicht, dass Balotelli - der unheimliche fußballerische Anlagen hat - sich so benimmt. Er hat uns Spielern und unseren Tifosi die Zunge gezeigt. Ich bin nicht in der Inter-Kabine und will es auch nicht sein - aber ich glaube, dass er sich auch dort nicht richtig aufführt."
Totti: "Mir hätten sie damals den Arsch versohlt"
Totti ist nur einer von vielen renommierten Beobachtern, die den aufstrebenden Balotelli mit scharfer Kritik strafen. "Das Schöne an ihm ist sein junges Alter. Das weniger Schöne sein Charakter, der noch großes Potenzial nach oben hat", sagt Gigi Buffon. "Mario ist ein guter Junge, aber um ein Champion zu werden, muss er noch viel reifer werden."
Und noch einmal Totti: "Wenn ich mich mit 18 Jahren so aufgeführt hätte, hätten mir Giannini und Cervone damals den Arsch versohlt. Trainer Mazzone hätte mir zwei aufgestrichen und zu Hause hätte ich von meinen Eltern den Rest bekommen."
Auf dem Weg nach oben ist es selten ratsam, sich mit jenen anzulegen, die bereits dort angekommen sind. Tottis und Buffons Worte haben im Calcio Gewicht, Nationaltrainer Marcello Lippi hält sich öffentlich mit seiner Meinung demonstrativ zurück. Aber manchmal sagt ein Schweigen mehr als tausend Worte.
Schlechtes Benehmen: U 21 statt Confederations Cup
Am Sonntag beginnt für den Weltmeister der Confederations Cup in Südafrika, die Generalprobe für die WM in einem Jahr. Davide Santon, das andere große Inter-Talent, ist mit dabei. Balotelli nicht.
Er soll sich bei der U-21-EM in Schweden erst noch einmal beweisen. Lippi mag seine vorwitzige Art nicht in der Squadra sehen, das wissen alle. Also wird sich der junge Stier noch ein wenig beruhigen müssen.
"Mario ist ein großes Talent, einer, der dich Spiele gewinnen lässt. Aber Mister Lippi könnte von seinem Gehabe genervt sein. Hätte sich Mario gebessert, wäre er jetzt hier", muss selbst sein bester Kumpel Santon eingestehen.
"Bei uns wird so ein Verhalten nicht geduldet"
Und Gigi Riva, Ex-Cagliari-Legende und mittlerweile Lippis rechte Hand bei der Squadra Azzurra, sagt: "Ich habe ihn tolle und weniger schöne Sachen machen sehen. Dazu zähle ich seine Verhaltensweisen auf dem Platz. Bei uns wird so ein Verhalten unter keinen Umständen geduldet, denn hier steht das Team im Mittelpunkt. Keiner hat auszuscheren."