Die Zielvorgabe steht noch immer. DFB-Sportdirektor Matthias Sammer wünschte sich nicht, sondern forderte von der deutschen U 21 den Gewinn des Europameistertitels. Und Trainer Horst Hrubesch stimmte mit ein, indem er erklärte: "Wir sind bereit, Geschichte zu schreiben."
Nach zwei Spielen beim Turnier in Schweden ist die Zuversicht nach wie vor da, doch die spielerischen Leistungen beim 0:0 gegen Spanien und beim 2:0 gegen Finnland ließen zu wünschen übrig.
Vor allem das personelle Vakuum im Angriff, wo mit Mesut Özil und Askan Dejagah zwei nominelle Mittelfeldspieler agieren, erweist sich als Handicap. Ein Vollstrecker fehlt.
UEFA-Koeffizient als letzte Instanz
Noch ist freilich alles drin: Ein Erfolg über England heute Abend in Halmstad garantiert den Gruppensieg, ein Remis das Weiterkommen als Zweiter.
Selbst eine Niederlage könnte reichen, sofern Spanien im Parallelspiel gegen Finnland den Rückstand in punkto Torverhältnis nicht ausgleichen kann.
Kurios würde es, sollten etwa die Spanier 2:0 gewinnen und Deutschland gleichzeitig 0:2 verlieren. Beide Mannschaften wären dann punkt- und torgleich und der UEFA-Koeffizient gäbe den Ausschlag für die Iberer.
Höwedes: Ziel ist der Gruppensieg
Den besten Eindruck in einer eher blutarmen deutschen Mannschaft vermittelten bisher der Bremer Özil und die Innenverteidiger Jerome Boateng und Benedikt Höwedes. Letzterer brachte die DFB-Auswahl gegen Finnland mit seinem Führungstreffer auf die Siegerstraße.
Der Schalker bediente sich der vielzitierten breiten Brust, um die Gemütslage des Teams zu umschreiben: "Wir wollen jedes Spiel gewinnen, das werden wir auch gegen England versuchen. Wir wollen Gruppenerster werden, und dafür brauchen wir einen Sieg."
Hrubesch verspricht Steigerung
Hrubesch ist wie eh und je: unaufgeregt und Zuversicht verströmend. Dass sieben Spieler seines Aufgebots Gelb vorbelastet sind und Gefahr laufen, für ein mögliches Halbfinale gesperrt zu sein, tangiert ihn kaum: "Meine Spieler sind intelligent genug, keine dummen Gelben Karten zu kassieren."
Dass England gemessen an den bisher in Schweden gezeigten Leistungen als Favorit ins Spiel geht, beunruhigt ihn nicht: "Wir finden uns immer besser auf dem Platz und sind eine klassische Turniermannschaft."
Er gehe davon aus, dass seine Mannschaft mit dem Auftritt gegen Finnland ihr schlechtes Spiel, wie es immer im Verlauf eines Turniers vorkomme, schon hinter sich hat und sich nun zu steigern weiß.
Auch die offenkundige Formschwäche seiner vermeintlich besten Offensivwaffe Marko Marin kann den früheren HSV-Torjäger nicht erschüttern. Voraussichtlich wird Hrubesch den kleinen Dribbelkünstler gegen England auf die Bank setzen und durch Änis Ben-Hatira ersetzen.
Wunden, die nie heilen
Die Engländer sind nach Erfolgen über Finnland (2:1) und Spanien (2:0) bereits für die letzten Vier qualifiziert. Hrubesch sieht darin aber keinen Vorteil. Er könne sich nicht vorstellen, "dass eine englische Mannschaft gegen eine deutsche mit halber Kraft agiert."
Da dürfte der Europameister von 1980 Recht behalten, heißt doch der Trainer auf der anderen Seite Stuart Pierce und der hat in Auseinandersetzungen mit deutschen Nationalmannschaften Wunden davongetragen, die nach eigener Auskunft nie heilen werden.
1990 scheiterte er mit England im WM-Halbfinale gegen Deutschland im Elfmeterschießen, wobei er sich selbst einen Fehlschuss leistete.
Sechs Jahre später bei der Europameisterschaft in England widerfuhr ihm genau dasselbe: wieder Deutschland, wieder Halbfinale, wieder Elfmeterschießen, wieder das Aus. Dass der inzwischen 47-Jährige beim zweiten Shootout ins deutsche Tor traf, war und ist ihm freilich kein Trost.
Nachhilfe beim Dopingtest
Aber lehrreich waren die Duelle mit den Deutschen für ihn. "Nach dem Spiel 1990 lernte ich viel über die deutsche Mentalität beim anschließenden Dopingtest. Die beiden Spieler, die mir und Peter Shilton gegenüber saßen, zeigten keinerlei Anzeichen von Freude, dass sie gerade das Endspiel erreicht hatten. Ihre Einstellung war, dass sie noch nichts erreicht hatten."
Genau mit dieser deutschen Einstellung verfolgt Pierce nun das große Ziel bei der EM in Schweden. Zwei Siege sind schön, aber nichts wert, wenn man jetzt nicht am Ball bleibt: "Wenn man in so einem Turnier den Fuß vom Gas nimmt, dann kann das fatale Folgen haben, dann kommst du nie wieder auf das Tempo, das du mal hattest. Im Moment sind wir Millionen Meilen von einem Erfolg entfernt."
Trotz der komfortablen Tabellenposition bezeichnete er die Partie gegen Deutschland als "gewaltig" ("It's a massive game"). Es stünde viel auf dem Spiel und man werde versuchen zu gewinnen.
Drei Ausfälle bei England
Um dies zu erreichen, wird Pearce vermutlich seine bestmögliche Elf aufs Feld schicken. Ob er einen seiner drei gelb vorbelasteten Spieler zunächst auf die Bank setzen oder anderen eine Ruhepause gewähren werde, ließ er offen.
Fehlen werden ihm definitiv James Milner (Sperre) und die verletzten Gabriel Agbonlahor und Micah Richards.Hrubesch muss lediglich auf den Bremer Außenverteidiger Sebastian Bönisch verzichten. Sami Khedira, Ashkan Dejagah, Andreas Beck, Mesut Özil, Patrick Ebert, Marcel Schmelzer und Marko Marin gehen mit der Hypothek einer Gelben Karte in die Partie.
Voraussichtliche Aufstellungen:
Deutschland: Neuer (Schalke 04) - Beck (1899 Hoffenheim), Jerome Boateng (Hamburger SV), Höwedes (Schalke 04), Schmelzer (Borussia Dortmund) - Khedira (VfB Stuttgart), Aogo (Hamburger SV) - Castro (Bayer Leverkusen), Ben-Hatira (MSV Duisburg) - Dejagah (VfL Wolfsburg), Özil (Werder Bremen)
England: Lewis (Petersborough United) - Cranie (FC Portsmouth), Mancienne (FC Chelsea), Onuoha (Manchester City), Taylor (FC Middlesbrough) - Muamba (Bolton Wanderers) - Walcott (FC Arsenal), Cattermole (Wigan Athletic), Noble (West Ham United), Johnson (FC Middlesbrough) - Campbell (Manchester United)
Schiedsrichter: Rasmussen (Dänemark)
Die Lage in der Gruppe B