"Wir gewinnen 2:1 nach Verlängerung!"

Von Interview: Torsten Adams
Guido Buchwald bestritt 76 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft

Weltmeister 1990, zweimal Deutscher Meister, 76 Länderspiele und über 500 Spiele in der Bundesliga und Liga zwei: Guido Buchwald hat in seinem Fußballer-Leben große Erfolge gefeiert. Für SPOX berichtet der 48-Jährige regelmäßig von den Entwicklungen rund ums DFB-Team. Am Abend (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) wird er Feuer und Flamme fürs deutsche U-21-Team sein. Buchwald über die neue, hoffnungsvolle Defensiv-Generation, Elfmeterschießen gegen England und Motivationsspritzen von der Tribüne.

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SPOX: Herr Buchwald, Sie kennen Englands U-21-Trainer Stuart Pearce noch von der WM 1990, als dieser im Halbfinale einen Elfmeter verschoss. Was für ein Typ ist Pearce?

Guido Buchwald: Auf dem Platz hat er eine hundertprozentig professionelle Einstellung an den Tag gelegt, ist 90 Minuten lang marschiert, wollte immer gewinnen - typisch englisch eben. Genau das wird er heute auch seinen Jungs in der U 21 mitgeben. Und man hört ja auch immer wieder, dass er für den ein oder anderen markigen Spruch gut ist.

SPOX: Vor dem Finale soll er gesagt haben: 'Jetzt werden wir sehen, wer Eier hat.'

Buchwald: (lacht) Das meine ich. Für die Engländer ist es genau wie für uns immer etwas Besonderes, gegeneinander zu spielen. Deutschland gegen England ist einfach der Fußball-Klassiker schlechthin.

SPOX: Wie zu Ihren Zeiten ist die deutsche Defensive herausragend. Sind die Innenverteidiger Benedikt Höwedes und Jerome Boateng die nächste Generation der A-Nationalmannschaft?

Buchwald: Die Defensive inklusive Manuel Neuer ist definitiv unser Prunkstück. Boateng und Höwedes haben beide eine große Zukunft vor sich. Sie haben gezeigt, dass sie die Nachfolge von Per Mertesacker, Arne Friedrich oder Christoph Metzelder antreten können.

SPOX: Manuel Neuer, Andreas Beck oder Mesut Özil haben bereits bei Löw im A-Team vorgespielt. Welche deutschen Spieler sind Ihnen im Verlauf des Turniers noch ins Auge gestochen?

Buchwald: Imponiert hat mir vor allem Jerome Boateng. Er kommt als Innenverteidiger fast ohne Fouls aus, spielt besonnen, routiniert und mit einer gewissen Reife, die er beim HSV nicht immer gezeigt hat.

SPOX: In Hamburg kam Boateng fast nur auf den Außenpositionen in der Viererkette zum Zug.

Buchwald: Das ist für mich auch etwas unverständlich, denn er zeigt, dass er in der Abwehrzentrale seine Stärken hat. Bruno Labbadia wird die EM sicherlich intensiv verfolgen. Vielleicht sehen wir ihn ja in der kommenden Saison in der Hamburger Innenverteidigung.

SPOX: Sami Khedira fehlte im Halbfinale gegen Italien verletzungsbedingt. Wie wichtig ist er für die Mannschaft?

Buchwald: Khedira ist der Kapitän, sein Wort hat Gewicht. Er hat beim VfB eine überragende Saison gespielt und ist für mich einer der nächsten deutschen Nationalspieler. Seine Zeit wird nach der U-21-EM kommen.

SPOX: Also ist Khedira ein Mann für die WM 2010?

Buchwald: Wenn Khedira weiterhin solche Leistungen abruft, dann muss er unweigerlich bei den Verantwortlichen im Fokus für 2010 stehen. Vor allem, wenn er in der kommenden Saison mit Stuttgart die Chance ergreift, in der Champions League auf höchstem internationalen Niveau zu reifen.

SPOX: Khedira wird also gegen England wieder dabei sein, Ashkan Dejagah hingegen nicht.

Buchwald: Dejagah hat sich durch seine Schwalbe selbst um das Finale gebracht. Er wird daraus lernen, weiter reifen und solche Situationen in Zukunft sicherlich anders lösen.

SPOX: Für Dejagah wird voraussichtlich Sandro Wagner in vorderster Front stürmen. Ein Nachteil für Deutschland?

Buchwald: Wagner ist im Vergleich zu Dejagah eher der Typ Mittelstürmer. Ich glaube, er wird es gegen die Engländer schwer haben, denn ihnen liegen solche Stoßstürmer. Sie kennen sie aus der Premier League. Schade, dass Marko Marin nicht spielen kann. Ich hätte lieber ihn mit seiner Beweglichkeit gesehen. Die Engländer haben immer Probleme, wenn sie kleine, wendige Spieler gegen sich haben.

SPOX: Neben Wagner könnte auch Mats Hummels neu in die Mannschaft kommen. Die richtige Maßnahme gegen die kopfballstarken Engländer?

Buchwald: Grundsätzlich ja, weil gerade die Standards eine große Stärke der Engländer sind. Hummels hat in Dortmund bis zu seiner Verletzung einen starken Eindruck hinterlassen. Er kann im defensiven Mittelfeld für die nötige Stabilität in der Luft sorgen.

SPOX: Im Gruppenspiel stand eine bessere englische B-Elf auf dem Platz. Das wird im Finale sicherlich anders sein. Was macht Sie optimistisch?

Buchwald: Alle deutschen Nationalteams haben die Fähigkeit, sich während eines Turniers zu steigern. Keiner unserer Jungs will nach dem Spiel zusehen, wie sich die Engländer ihre Goldmedaillen abholen.

SPOX: Die Anwesenheit von Jogi Löw auf der Tribüne könnte die Spieler zusätzlich pushen.

Buchwald: Absolut. Alle Akteure, die auf dem Platz stehen, sind erfahrene Bundesliga-Spieler und wollen sich für die A-Nationalmannschaft empfehlen. Sie wissen, dass sie im Fokus stehen. Das Finale wird in ganz Europa übertragen und die Scouts der großen Vereine sitzen auf der Tribüne. Da holt man gerne noch mal das ein oder andere Prozent zusätzlich heraus.

SPOX: England hat im Halbfinale eine neue Qualität gezeigt und ein Elfmeterschießen gewonnen. Muss Deutschland nun zittern, wenn es in die Verlängerung gehen sollte?

Buchwald: Es wäre natürlich am schönsten, wenn es nicht so weit käme und wir schon in der regulären Spielzeit gewinnen würden. Dann wäre es noch klarer, dass wir den Tick besser waren als die Engländer. Aber mit Neuer im Tor müssen wir uns sicherlich nicht verstecken.

SPOX: Sollte Deutschland gewinnen, dann wäre das EM-Triple nach dem Sieg der U 19 im letzten Jahr und der U 17 im Mai perfekt. Woran liegt es, dass Deutschland in den letzten Jahren bei den U-Turnieren durchgängig überzeugt?

Buchwald: Vor einigen Jahren hat beim DFB ein Umdenken stattgefunden. Man bemerkte, dass die Talente mehr gefördert werden müssen. Stützpunkte sind entstanden, Fußball-Internate wurden eingerichtet und es wurde in die Infrastruktur der Jugendabteilungen investiert. Jetzt ernten wir die Früchte. Wir sind im Jugendbereich wieder europäische Spitze und haben den Anschluss an die Weltspitze erreicht.

SPOX: Welche Rolle spielt Matthias Sammer dabei?

Buchwald: Eine große. Er ist seit drei Jahren DFB-Sportdirektor und lebt die Philosophie perfekt vor. Er stattet den Spielern bei der EM nicht nur Besuche ab, sondern verbringt das gesamte Turnier mit der Mannschaft. Das motiviert einen Spieler ungemein.

SPOX: Das hat der U 17 bei ihrem Erfolg ja auch schon Glück gebracht. Ihr Tipp für heute Abend?

Buchwald: Wir sind aufgrund der Ausgangslage sicherlich nicht im Vorteil. England ist der Favorit. Das tut uns aber auch ganz gut. Ich sage, wir gewinnen mit 2:1 nach Verlängerung.

Die voraussichtliche Aufstellung:

Neuer - Beck, Boateng, Höwedes, Boenisch - Khedira, Hummels (Aogo) - Castro, Ben-Hatira - Özil, Wagner.

Guido Buchwald, geboren am 24. Januar 1961 in West-Berlin, gilt als einer der besten deutschen Abwehrspieler. Der heute 48-Jährige startete seine Profi-Karriere 1979 bei den Stuttgarter Kickers in der Zweiten Liga, bevor es ihn zum VfB Stuttgart zog, für den er elf Jahre lang in der Bundesliga kickte. Weitere Stationen waren der Karlsruher SC und Urawa Red Diamonds in Japan, wo Buchwald später auch drei Jahre als Trainer arbeitete. Seine erste und bisher einzige Trainerstation in Deutschland war Alemannia Aachen, wo er von Juni bis November 2007 im Amt stand.

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