DFB - Leroy Sanes Aufschwung im Nationalteam: Druck haben jetzt die Anderen

Leroy Sane erzielte gegen Russland sein erstes Tor für die Nationalmannschaft.
© getty

Leroy Sane hat sich in der Stammelf der Nationalmannschaft erst einmal festgespielt und hat nach dem 3:0 gegen Russland auch beste Chancen auf einen Startelfeinsatz gegen die Niederlande (Montag, 20.45 Uhr im LIVETICKER). Der Weg war allerdings ein steiniger - nach dem WM-Aus musste Sane weitere Krisen überwinden. Jetzt ist er eines der Gesichter des Umbruchs.

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Die Enttäuschung war groß, als Sane am Donnerstagabend wortlos durch die Mixed Zone der Red Bull Arena stapfte. "Leroy, ganz kurz? Erstes Tor in der Nationalmannschaft", rief ihm ein Journalist hinterher, in der Hoffnung, doch noch ein paar O-Töne abzustauben.

Keine Chance. Sane hatte sich dazu entschieden, seine Leistung gegen Russland für sich sprechen zu lassen. Lediglich am RTL-Mikrofon hatte er sich zuvor kurz geäußert. "Die Spielweise von Jogi Löw gefällt mir sehr. Das ist offensivstark. Die jungen Spieler haben heute gezeigt, das wir auch dieses System spielen können." Und: "Ich denke, wir können noch ein bisschen mehr Druck aufbauen."

"Druck" ist vielleicht das entscheidende Wort in Bezug auf Leroy Sane in den letzten Monaten. Der 22-Jährige hat es geschafft, dem auf ihm lastenden Druck standzuhalten. Unter Druck stehen jetzt vor allem Sanes Konkurrenten. Und Gegenspieler.

Schwierige Phase nach dem WM-Aus bei Löw und Manchester City

So überraschend Sanes Ausbootung aus dem WM-Kader im Juni dieses Jahres war: Allen Beobachtern war zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Ära des Flügelflitzers als Stammspieler in der Nationalmannschaft spätestens im Anschluss an das Turnier in Russland beginnen müsse. Als dieses Turnier dann auch noch spektakulär in die Hose ging und sich ein Umbruch im DFB-Team abzeichnete, sollte am so hochtalentierten Offensivmann erst recht kein Weg mehr vorbei führen.

Doch als im September das erste Post-WM-Länderspiel stattfand, der Nations-League-Auftakt gegen Frankreich in München, stand Sane zwar im Kader, aber nicht in der Startelf: Löw setzte auf ein 4-1-4-1, mit Thomas Müller auf der rechten und Timo Werner auf Sanes linker Offensivseite. So ganz wollte sich der Bundestrainer dem Umbruch noch nicht verschreiben, und mit dem umfunktionierten Werner gab es plötzlich sogar einen direkten Konkurrenten mehr.

Damit nicht genug: Von Toni Kroos gab es vor dem Frankreich-Spiel einen öffentlichen Rüffel. Bei Sane habe man "von der Körpersprache her manchmal das Gefühl, gewinnen oder verlieren ist nicht so schlimm", sagte Kroos. Sane könne eine "Waffe" für das DFB-Spiel sein, aber eben nur wenn er das Beste aus seinem Spiel heraushole. Widerspruch vom Bundestrainer gab es nicht.

Wieder einmal war Sane außen vor. Und das nicht nur in der Nationalmannschaft: Auch bei Manchester City flutschte der Saisonstart so ganz und gar nicht. Pep Guardiola war mit den Trainingsleistungen des notorischen Spätstarters unzufrieden. Gegen Newcastle United, fünf Tage vor dem Duell mit dem neuen Weltmeister, strich er ihn sogar komplett aus dem Kader.

Leroy Sane über Kritik: "Es ist ein Ansporn für mich"

Doch der so vielfach Gescholtene manövrierte sich mit Bedacht durch die vor ihm auftauchenden Minenfelder. "Wenn ich schlecht spiele, ist mir das natürlich nicht egal. Für den einen oder anderen sieht das vielleicht manchmal so aus", erklärte er einen Monat später, als sich die Nationalmannschaft erneut versammelt hatte. Er habe "generell kein Problem mit Kritik. Es ist ein Ansporn für mich."

Stattdessen gelobte der frischgebackene Papa Besserung, ein deutlich verbesserter Monat bei den Citizens gab dabei Rückenwind. Und formulierte sogar so etwas wie eine kleine Kampfansage: "Ich versuche mich natürlich in meinem Spiel zu verbessern, dass der Jogi beim nächsten Mal vielleicht keine Möglichkeit hat, mich nicht zu nominieren."

Leroy Sane: Das "Moped" ist in der DFB-Elf jetzt unverzichtbar

Wieder einen Monat später ist dieser Fall endlich eingetreten: Im Rückspiel gegen Frankreich (1:2) und jetzt beim 3:0 gegen Russland startete Sane im 3-4-3 auf der offensiven linken Seite - dort, wo er auch in Manchester Gegner terrorisiert. Sane machte das Spiel breit, immer bereit dazu, einen Sprint im Rücken der Abseitsfalle anzuziehen und das angestrebte, vertikale Spiel umzusetzen.

Das klappte gegen die Equipe Tricolore über lange Zeit, gegen Russland lieferte die neue Offensive die vielleicht beste Halbzeit dieses Länderspieljahres ab. "Leroy und Timo sind immer wieder mit Tempo in die Tiefe gegangen", lobte Joshua Kimmich, "das hat sehr gut funktioniert." Aus einem solchen Steilpass resultierte sogar Sanes erstes Länderspieltor: Gnabry legte ab, sein Nebenmann musste aus kurzer Distanz nur noch einschieben. Fast hätte er per Kopf wenig später noch nachgelegt.

Noch klappt nicht alles. Die Selbstverständlichkeit, die Sane bei City ausstrahlt, muss er sich unter Löw in den nächsten Spielen weiter erarbeiten. Manchmal könnte er noch etwas klarer spielen, gegen die Sbornaja verzettelte er sich noch zu häufig mit dem Ball am Fuß und leistete sich insgesamt 15 Ballverluste.

Aber er konnte als eines von "drei Mopeds" in der Offensive das umsetzen, was er im Vorfeld der Partie angekündigt hatte: "Gerade gegen Russland können wir [jungen Spieler] uns jetzt beweisen und etwas mehr Druck ausüben auf die anderen Spieler."

Der Druck liegt jetzt auf den Etablierten - und auf Holland

Diesen Druck haben Sane, Werner und Gnabry in der Tat ausgeübt und weitergegeben an die Etablierten wie Thomas Müller oder den diesmal fehlenden Julian Draxler. Die müssen sich jetzt erst einmal wieder ins Team spielen.

Und diesen gleichen Druck sollen nun auch die Holländer am Montag in Gelsenkirchen zu spüren bekommen. Selbst wenn der Abstieg aus der Nations-League-Gruppe nach dem Sieg Oranjes am Freitag bereits feststeht.

"Das war ein gutes Spiel als Vorbereitung auf Montag", sagte Sane am Donnerstag. Und schickte diesmal eine offene Kampfansage hinterher: "Wir werden das Spiel gewinnen."

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