Neun Erkenntnisse aus Deutschland vs. Frankreich: Gut kopiert ist halb gewonnen

Joachim Löw vertraute gegen Frankreich auf eine altbewährte Taktik.
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DFB-Team - Erkenntnis Nr. 5: Es fehlt immer noch der Knipser

Mit Werner über die Außen brauchte es einen neuen Mann fürs Zentrum. Dort bot Löw Marco Reus auf, aber der blieb bis auf die erwähnte Schusschance insgesamt blass. Natürlich hätte fast jeder Stürmer der Welt gegen die vielleicht beste Innenverteidigung überhaupt einen schweren Stand, aber Reus ist wie Müller - und nun auch Werner? - eher jemand, der um den Strafraum herum agiert. Platz gab es aus dem Spiel selten, vertikale Pässe im Zentrum blieben gegen tief stehende Franzosen auch aus.

Und so stellt sich wieder die Frage, wer denn vorn die Buden machen soll. Müller ist die Torgefahr im DFB-Dress zuletzt etwas abhanden gekommen, Werner mutiert zum Vorbereiter, Reus ist eine Mischung aus Zehner und falscher Neun. Der Knipser fehlt, und einen wirklichen Brecher hat Löw nach den Rücktritten von Mario Gomez und Sandro Wagner auch nicht mehr zur Verfügung. Das könnte vor allem dann teuer werden, wenn man gegen kleinere Gegner unbedingt gewinnen muss, etwa in der EM-Qualifikation.

DFB-Team - Erkenntnis Nr. 6: Position für Goretzka weiter gesucht

Leon Goretzka hat bei seinem neuen Verein Bayern München einen gelungenen Saisonstart hingelegt und in der Nationalmannschaft die Rückennummer sechs von Sami Khedira geerbt. Dessen Durchschlagskraft zu seinen besten Zeiten kann Goretzka aber noch nicht imitieren.

Vielmehr scheint Löw immer noch auf der Suche nach dem richtigen Platz für den talentierten Mittelfeldmann zu suchen. In den letzten Monaten wurde Goretzka mehrfach auf dem rechten Flügel als eine Art Müller-Ersatz gebracht, hing dort aber ohne viel Bindung zum Spiel in der Luft. Gegen Frankreich spielte er als zweite Acht neben Toni Kroos, interpretierte diese Rolle aber sehr offensiv und schaffte Überzahl auf rechts.

Nur: Gute Aktionen waren auch diesmal Mangelware. Goretzka machte in der zweiten Halbzeit Platz für Gündogan und sprach anschließend etwas gequält davon, sich "geopfert" zu haben, "zwischen den Reihen zu stehen und Platz für die anderen zu schaffen. Das ist nicht ganz einfach, weil man dann relativ wenig am Spiel teilnimmt." Goretzka beendete seinen Arbeitstag mit 25 Ballaktionen.

DFB-Team - Erkenntnis Nr. 7: Umschaltspiel muss verinnerlicht werden

Mit den eigenen Waffen wollte man die Franzosen schlagen. Aber an das geforderte, schnelle Umschaltspiel muss sich der eine oder andere Akteur im DFB-Dress noch gewöhnen: Zu selten wurde das Spiel schnell gemacht, auch nach Ballgewinn, lieber wurde abgedreht oder der Ball noch einmal quer oder nach hinten gespielt.

Das lag sicherlich auch daran, dass man sich geschworen hatte, unnötige Ballverluste zu verhindern. Der Respekt vor dem Gegner war groß. Aber wenn es schnell nach vorn gehen soll, dann müssen auch die passenden Bälle her, um das Spiel schnell zu machen. Und Offensivspieler, die die Wege nach hinten gehen, aber wenig später wieder in den freien Raum starten. So kam man im gesamten Spiel auf vielleicht zwei schnelle Angriffe aus dem Umschaltspiel. Beide sorgten für Gefahr und kreierten die Chancen von Reus und Müller.

DFB-Team - Erkenntnis Nr. 8: Team kann auch mit Ballbesitz Konter verhindern

Die vorsichtige, aber auch enorm konzentrierte Leistung der DFB-Elf sorgte umgekehrt dafür, dass Frankreich über den gesamten Spielverlauf kaum zu aussichtsreichen Kontern kam. Die Absicherung stimmte, Reus klärte auf dem linken Flügel zum Beispiel nach einer Ecke einmal gegen Griezmann. Deutschland stand dicht, die Offensive arbeitete nach hinten mit.

Dabei wurde der eigene angestrebte Ballbesitz allerdings nicht komplett geopfert: Nach 90 Minuten stand der entthronte Weltmeister bei über 60 Prozent Ballbesitz. Das zeigt: Wenn er richtig umgesetzt wird, muss man auch Ballbesitzfußball nicht automatisch dazu führen, dass man hinten offen steht.

DFB-Team - Erkenntnis Nr. 9: Die Zuschauer stehen weiterhin hinter dem Team

Nach der verpatzten WM war eine Menge Kritik auf die Spieler, aber auch auf den Verband und die Selbstdarstellung der Mannschaft im allgemeinen niedergeprasselt. Löw, Bierhoff und Co. gelobten Besserung, und auch wenn in den Tagen in München noch nicht alles von der angestrebten Fannähe umgesetzt werden konnte, sind die Fans gewillt, den Neustart zu unterstützen.

Zwar war die Allianz Arena nicht unbedingt ein Tollhaus, aber den Fans war die Nervosität anzumerken - im positiven Sinne. Sie wollten ein gutes Ergebnis sehen und unterstützten die Mannschaft nach Kräften dabei, sodass sich mehrere Spieler anschließend lobend äußerten.

Das zeigte sich auch am Fall Ilkay Gündogan. Die Pfiffe gegen den Mittelfeldmann wurden schnell von aufmunterndem Applaus weggespült, der sichtlich erleichterte Gündogan bedankte sich seinerseits mit Applaus. Es scheint, als könnte eine weitere Baustelle der letzten Monate so langsam aber sicher geschlossen werden.