“Nach all der Scheiße” zu Recht auf der Reise! Kommentar zum starken Auftakt des VfB Stuttgart gegen Real Madrid in der Champions League

Von Tim Ursinus
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Der VfB Stuttgart ist nach 14 Jahren Abstinenz fulminant in die Champions League zurückgekehrt. Dass es am Ende nicht zu Punkten reichte, lag einzig an der Abgezocktheit Real Madrids. Es wurde deutlich: Die Schwaben sind in allen Belangen verdient in der Königsklasse vertreten und die Konkurrenz sollte mehr als gewarnt sein! Ein Kommentar.

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"Es war einiges möglich, dann ist es ein typisches Real-Ding. Wir spielen eigentlich besser, haben alles im Griff und dann drehen die auf", brachte es der eingewechselte Ermedin Demirovic in den Katakomben des legendären Estadio Santiago Bernabéu nach dem bitteren 1:3 bei Real Madrid auf den Punkt.

Der VfB Stuttgart hatte den Titelverteidiger in der ersten Hälfte zwischenzeitlich regelrecht an die Wand gespielt, es gab keine Zeit zum Durchatmen für das Starensemble um Kylian Mbappé. Einzig die miese Chancenverwertung machte den Schwaben einen Strich durch die Rechnung. Nach gut 20 Minuten wären die Königlichen mit einem 0:2-Rückstand sogar noch gut bedient gewesen. Umso bezeichnender war, dass Real-Keeper Thibaut Courtois hinterher zum Spieler des Spiels gewählt wurde. Mit sechs Paraden, darunter einige Hochkaräter, eine mehr als verdiente Auszeichnung.

Abgesehen ein paar vereinzelten Ausnahmen zeigte der VfB eine herausragende Mannschaftsleistung, die nur wenige Sekunden nach der Pause von den abgebrühten Real-Stars durch Mbappés Führungstor vermeintlich zunichte gemacht wurde. Nach kurzem Schütteln brach Deniz Undav aber den Bann, ehe ausgerechnet der ehemalige Stuttgarter Antonio Rüdiger per "Scheiß-Standardtor" - um es mit den Worten des enttäuschten Ausgleich-Torschützen zu sagen - in typischer Manier seines Klubs die Muskeln spielen ließ. Endricks spätes Kontertor zum Endstand ist letztlich völlig egal.

Übrig bleibt dafür ein Auftritt des VfB nach zehn Jahren europäischer Abstinenz und 14 Jahren ohne Champions League, welcher der harten Arbeit der Vorsaison mehr als gerecht wurde. Zur Verdeutlichung könnte man den beliebten Stuttgarter Fan-Hit auch etwas abwandeln und singen: "Nach all der Scheiße zu Recht auf der Reise!"

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VfB Stuttgart: Auch die Fans spielen in der Champions League

Apropos: Die Anhänger selbst waren ebenso der größten Bühne Europas würdig wie die Spieler. Trotz der harten spanischen Vorschriften in Sachen Ticketvergabe hatten sich im Vorfeld weit über 10.000 VfB-Fans in Madrid eingefunden, um die Europapokal-Rückkehr ihres Teams gebührend zu feiern.

Dass am Ende offiziell nur knapp 4.000 ins Stadion schafften, war auch der 30.000 Mann starken Invasion zwei Jahre zuvor von Eintracht Frankfurt in Barcelona geschuldet. Über halblegale Umwege waren es letztlich zwar dennoch etwas mehr als von der Stadt Madrid vorgesehen, doch auch der rote Block allein hätte die gewohnt stillen Real-Fans übertönt. Lediglich nach dem 2:1 waren die Stuttgarter nicht zu hören, übernahmen nach nicht einmal einer Minute aber wieder das Kommando.

Kurioserweise hatte es noch vor dem Anpfiff eine Stadiondurchsage auf Deutsch gegeben, in der sich über das Ungleichgewicht der Lautstärke beschwert wurde. Weil die VfB-Fans das obligatorische Warmmachen der Real-Spieler mit einem standesgemäßen Pfeifkonzert quittierten, hieß es: "Zeigt bitte Respekt gegenüber der gegnerischen Mannschaft und Fans. So entsteht ein besseres Fußballspiel." Wenig überraschend stieß die Bitte nicht auf Gegenliebe.

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VfB Stuttgart: Deutlich mehr als nur ein "Sparringspartner"

"Es ist unbeschreiblich. Man sieht ja was für Fans wir haben, die alle hier hergereist sind", kommentierte Undav den enormen Andrang und stelle eine Vermutung auf: "Wahrscheinlich sind die meisten besoffen. Ich bin ihnen dankbar, wie sie uns unterstützt haben. Das zeichnet uns aus, wir haben eine gute Atmosphäre, auswärts und zu Hause. Ich hoffe nicht, dass sie abstürzen, nur ein bisschen trinken, aber die sollen Spaß haben."

Wenig Spaß dürften hingegen die kommenden Gegner des VfB in der Königsklasse haben, wenn die Leistung aus Madrid nur ansatzweise wieder aufgerufen werden sollte. Selbst gegen Juventus Turin oder PSG dürfte sich Stuttgart Chancen auf Zählbares ausmalen.

Die Mannschaft von Trainer Sebastian Hoeneß ist unter diesen Voraussetzungen nämlich alles andere als ein "Sparringspartner", wie Demirovic nach Abpfiff treffend betonte und, der - wie es der Rest des Teams tat - künftig eventuell ein anderes Fazit als das folgende ziehen kann: "Jetzt tut's noch mehr weh, wenn man sieht, dass locker etwas möglich gewesen wäre." Dann könnte das viel zitierte Fan-Lied auch tatsächlich eine abgeänderte Zeile vertragen.

VfB Stuttgart: Gegner und Termine in der Champions League

GegnerDatum
Real Madrid (A)17. September, 21 Uhr
Sparta Prag (H)1. Oktober, 18:45 Uhr
Juventus Turin (A)22. Oktober, 21 Uhr
Atalanta Bergamo (H)6. November, 21 Uhr
Roter Stern Belgrad (A)27. November, 18:45 Uhr
Young Boys Bern (H)11. Dezember, 21 Uhr
Slovan Bratislava (A)21. Januar 2025, 21 Uhr
Paris Saint-Germain (H)29. Januar 2025, 21 Uhr