Auswärtsspiel - die SPOX-Kolumne: Real Madrid muss wegen der Super League büßen

Von Fatih Demireli
Real Madrids Präsident Florentino Perez.
© Imago Images

Wenn Real Madrid in der Champions League auf den FC Chelsea trifft (DAZN und LIVETICKER), ist es für Florentino Perez der falsche Wettbewerb. Der Real-Präsident hat mit seinen Mitstreitern aus der Super League die Zukunft des Fußballs auf Spiel gesetzt und sollte dafür büßen.

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Die Sonne hat ihren Job getan. Obwohl sie sich längst vom Himmel verabschiedet hat, spürt man in der Stadt noch die Wärme, die sie den Madrilenen den ganzen Tag über gespendet hat. Die Spieler von Real Madrid und des FC Chelsea haben vor ihrem abendlichen Spiel morgens noch angeschwitzt.

Auch ins Mannschaftshotel dringt die Sonne, als Zinedine Zidane und Thomas Tuchel die letzte Besprechung vor der Abfahrt ins Stadion durchführen. "60 Minuten Gas geben, Leute", sagt Tuchel. Zidane ist mit seiner Ansprache schon weiter. Er ist schon bei den Details: "Vinicius, mein Junge. Wenn du heute die Defensivarbeit nicht vernachlässigst, darfst du twitchen." Vinicius nickt.

Beim Spiel geht es zur Sache. Schiedsrichter Howard Webb, der ein sensationelles Comeback feiert, muss früh den VAR einsetzen. Als er dann eine Entscheidung getroffen hat, läuft er zum Mittelkreis, schaltet sein Headset-Mikrofon ein, wird auf der Videotafel eingeblendet und ruft aus: "The Decision, powered by McDonalds: Foul, Penalty for Real Madrid." Karim Benzema verwandelt sicher zum 1:0 und gibt dann bei Instagram eine kurzes Q&A, bevor es dann mit dem Kick weitergeht. Als Toni Kroos am Mittelkreis einen Zuckerball in den Lauf von Kylian Mbappe spielt, wacht Florentino Perez auf.

Es war alles nur ein Traum.

Real Madrid gegen den FC Chelsea. Das wäre ein toller Super-League-Abend gewesen. Zumindest aus der Sicht der Bosse von Real und Chelsea, die sich alles so schön zurechtgelegt hatten mit der European Super League. Die Größten untereinander, ohne die Armen. Mit eigenen Regeln, mit ganz viel Kohle. Ein Traumszenario. Doch es kam alles anders.

Keine Super League, weil die Wucht der Wut der Fans, der Spieler, anderen Klubs (und der Politik) so groß war, dass zuallererst die englischen Klubs den Rückzug starteten und später auch die Italiener und ganz am Ende auch Atletico Madrid folgten. Übriggeblieben sind neben Real Madrid noch der FC Barcelona und Juventus. Der AC Milan zog offiziell zurück, soll aber noch durchaus ein Interesse haben, dass die ASL doch kommt.

Real Madrid: Mehr als eine Milliarde Schulden?

Nun muss Real Madrid am Dienstagabend also in der nicht mehr geliebten Champions League gegen Chelsea ran. Die UEFA schrieb Real dafür zwölf Millionen Euro gut, die jedem Halbfinalisten zustehen. Rechnet man alles zusammen, könnten die Königlichen im Idealfall über 130 Millionen Euro verdienen.

Startgeld, Siegprämien, Prämien für jede Runde und am Ende noch der Anteil aus dem Koeffizienten-Pool. Zum Vergleich: Der FC Bayern verdiente mit dem Champions-League-Sieg 2020 knapp 130 Millionen Euro. Sehr viel Geld und da sind die TV-Einnahmen noch gar nicht miteingerechnet.

Doch Real hat ein Problem: Das Geld reicht nicht. Real Madrids Schulden liegen bei über 900 Millionen Euro. Ex-Präsident Ramon Calderon spricht gar von einer Milliarde. Der gute Mann wird schon zuverlässige Quellen haben. Real hat in den letzten Jahren die Schulden kontinuierlich gesteigert. Zwar hat auch der sportliche Erfolg eingesetzt, aber er rettete den Klub nicht davon, die wirtschaftlichen Verhältnisse kontrollierbar zu machen.

Wenn ihr tot seid, dann ist das halt so

Als dann auch noch die Coronapandemie ausbrach, begann sich das Elend noch weiter auszubreiten. Die UEFA will durch ihre eigene Champions-League-Reform helfen. Die Klubs sollen dann noch mehr verdienen, aber auch das reicht Real nicht. "Sie sagen, das neue Format kommt 2024. 2024 sind wir alle tot", sagt Real-Boss Perez.

Mit "alle" meint er vor allem Real und Barcelona und man ist geneigt zu sagen: Wenn ihr tot seid, dann ist das halt so. Es mag legitim sein, dass diese Klubs Wege suchen, aus dem Schlamassel zu kommen. Doch zu welchem Preis? Sie riskieren, dass das Gesamtkonstrukt zusammenfällt und die Basis für Hunderte von Klubs, die nicht an der Super League teilnehmen, der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Die Champions League ohne die großen Klubs wäre nur noch ein netter Wettbewerb ohne große Zugkraft für Sponsoren. Sie wäre die neue Europa League. Die Teilnahme an der Königsklasse hätte wirtschaftlich keinen bedeutenden Wert mehr. Geschäftsmodelle, basierend auf die Champions-League-Einnahmen, wären zusammengebrochen. Fußball-Europa würde leiden, weil Real, Barca und Co. seit Jahren schlecht wirtschaften und keine andere Idee als einen Putsch haben.

Real Madrid sollte für Egoismus büßen

Letztlich muss man nun eigentlich hoffen, dass Real für diesen Egoismus büßt. Nicht nur, dass sie den Vorstoß gewagt haben und damit alle Fußball-Liebhaber vor den Kopf gestoßen haben. Nein. Real arbeitet weiter daran, die Super League zu retten und ganz nebenbei bastelt der Klub auch noch am Kader für die neue Saison. David Alaba, dem der FC Bayern zu teuer war, soll bei Real künftig jährlich 20 Millionen Euro verdienen.

Einer aus der Kategorie Kylian Mbappe und Erling Haaland soll es auch werden. Calderon, der eben noch die Milliarden Schulden, die der Klub hat, anprangert, kritisierte Real im Sommer dafür, "keine großen Stars" geholt zu haben. Ach ja: Bei Haaland bekommt Real wohl Konkurrenz von Barcelona, das ja ebenfalls spätestens 2024 "tot" ist ohne Super League. Super-League-Logik.

Bei aller Liebe für so viel Glanz und Gloria, für die wunderbare Historie dieser Klubs, für die magischen Nächte, die sie den Fußball-Fans weltweit beschert haben, ist es verheerend, dass ihnen eigentlich der Rest der Welt egal ist. Wahrscheinlich ist es schlimmer, dass man es eigentlich immer wusste, aber man es sich nie traute, auszusprechen. Die UEFA lässt die Klubs, die den Aufstand starteten, erst mal ungestraft davonkommen.

Real Madrid: Irre Verschwörungstheorien

So entschied es am Freitag das Exekutivkomitee. Doch in Spanien, und besonders im Raum Madrid, schwirren die heftigsten Theorien herum, wonach die UEFA Real auf dem Platz bestrafen werde. Spanien-Experte Javier Caceres berichtet in der Süddeutschen Zeitung von bekannten Radio-Experten und renommierten Journalisten, die heftigste Verschwörungstheorien verbreiten. So soll klar sein, dass Chelsea mindestens zwei Elfmeter bekommt. Dass diese Journalisten eine gewisse Nähe zu Perez haben, mag Zufall sein.

Warum Chelsea, das einer der Abtrünnigen ist und als Letzter von allen englischen Klubs den Rückzug verkündete, von der UEFA bevorzugt werden soll, erklärten die Verschwörungserzähler nicht. Doch das Freisetzen wilder Vorstellungen zeigt auch, dass Perez dieses Spiel weiterdrehen wird. Er nutzt die Medien, seine Macht und auch das Instrument "Druck", um seine Vorstellungen durchzusetzen.

Er will die Super League um jeden Preis und ihm ist es sogar egal, ob dann die mit ihm Boot sind, die eigentlich dafür vorgesehen waren. "Vielleicht ist es die Lösung, die besten vier Teams jedes Landes spielen zu lassen, ich weiß nicht", sagte er zuletzt. Er sagt auch: "Wir müssen irgendwas falsch gemacht haben." Ja, Herr Perez. Und das ist auch kein Traum.