Scheitern als Chance

Von Daniel Reimann
Sami Hyppiäs Truppe bekommt es im Achtelfinal-Hinspiel mit PSG zu tun
© getty

Fünf Pleiten in sieben Spielen: Bayer Leverkusen steckt in einer sportlichen Krise - und jetzt kommt ausgerechnet Paris St.-Germain mit Zlatan Ibrahimovic (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Einmal mehr werden düstere Szenarien gezeichnet, dabei ist die Lage gar nicht so dramatisch. Besonders der Blick zurück macht Mut.

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So mancher Beobachter fühlte sich in der Zeit zurückversetzt. Genauer gesagt: Um gut zehn Jahre. Die Szenerie schien austauschbar. An Stelle der Bayer-Sponsoringwand im Hintergrund das blaue "Sportschau"-Studio. An Stelle der fragenden Journalisten ein fragender Waldemar Hartmann. Und in beiden Fällen ein Rudi Völler in Rage.

Völlers Pressekonferenz vom 29. November 2013 erinnerte stark an seine legendäre Wutrede zur Zeit als Nationaltrainer. Er gestikulierte, schimpfte, stichelte. Der Anlass: Das mediale Echo auf die krachende 0:5-Heimblamage gegen Manchester United.

In Folge der United-Klatsche wurde Bayer nicht nur für die Leistung der Spieler medial zerrissen. Auch eine altbekannte grundsätzliche Kritik kam erneut auf. Der Vorwurf, dem Verein fehle in den entscheidenden Spielen das gewisse Etwas, das ihn zu einem echten Spitzenverein mache, wurde abermals laut.

Doch Völler wollte die schwelende Grundsatzschelte am Verein nicht gelten lassen. Er wehrte sich gegen die Kritiker und verteidigte Bayer als einen "absoluten Top-Klub".

Kritik an Bayer nicht generalisierbar

Mit Blick auf die beiden Duelle mit Manchester United mag der genannte Vorwurf berechtigt gewesen sein. Dabei fällt jedoch unter den Tisch, dass Bayer gerade in der laufenden Saison sehr häufig dann zur Stelle war, als es darauf ankam.

Den Niederlagen gegen ManUtd stehen beispielsweise der fürs Weiterkommen entscheidende Sieg in San Sebastian oder die beeindruckende Leistung in Dortmund (1:0) gegenüber. Auch gegen Bayern holte man einen Big Point, auch wenn die Münchener meilenweit überlegen waren.

Man würde es sich wohl zu einfach machen, wenn man besagte Grundsatzkritik über die gesamte Spielzeit hinaus generalisieren würde. Das würde der bemerkenswerten Bilanz von Bayer nicht gerecht.

"...den hätte ich für verrückt erklärt"

Denn auch wenn der Vorsprung auf Dortmund und Schalke nach fünf Pleiten in sieben Spielen gewaltig geschrumpft ist, steht Bayer nach wie vor auf Rang zwei der Tabelle.

"Das haben wir uns in der Vorrunde redlich verdient, teilweise auch in der Rückrunde", sagt Völler trotzig. Bayer profitiert nach wie vor von den Früchten einer überragenden Hinrunde mit zwölf Siegen, die wohl kaum so hätte fortgeführt werden können.

Zumal der 53-Jährige ursprünglich nicht mit einer solchen Platzierung gerechnet hätte: "Wenn mir vor der Saison jemand gesagt hätte, dass wir zu diesem Zeitpunkt vor Dortmund auf Platz zwei liegen, hätte ich den für verrückt erklärt."

Schalke-Auftritt macht Hoffnung

Auch wenn die aktuelle Form Fragen aufwirft, ist das Gesamtbild längst nicht so verheerend, wie zuletzt dargestellt. Einzig das peinliche Aus im DFB-Pokal gegen Kaiserslautern trübt die Stimmung wahrhaftig. Durch das Ausscheiden gehen Bayer rund zwei Millionen Euro Mehreinnahmen flöten - und obendrein die "einfachste" Titelchance.

Doch der schwere Rückschlag könnte sich als nützlich erweisen, wenn ihn Leverkusen als Weckruf zur rechten Zeit wahrnimmt. Scheitern als Chance - das kennt man bereits aus der laufenden Saison. Sowohl nach der überraschenden 0:1-Niederlage in Braunschweig als auch in Folge der 0:5-Demontage startete Bayer eine Siegesserie.

Es spricht für die Leverkusener, dass sie an Rückschlägen nie zerbrachen, sondern sich stets wieder rechtzeitig aufrappelten und der medialen Weltuntergangsstimmung mit Erfolgen den Wind aus den Segeln nahmen.

Nach der "schlechtesten Leistung der ganzen Saison" (Simon Rolfes) im Pokal folgte eine enorme Steigerung gegen Schalke 04. Auch wenn der Erfolg ausblieb, gab der Auftritt der Werkself Anlass zu Optimismus: "Ich bin sehr zufrieden wie die Mannschaft heute gespielt hat. Das war ein großer Unterschied zum Mittwoch. Wenn wir Dienstag so spielen, dann bin ich auch zufrieden", sagte Trainer Sami Hyppiä.

"Woche der Wahrheit geht bis Mai"

Am Dienstag geht es gegen Paris St.-Germain, den nicht mehr allzu geheimen Geheimfavoriten. Im Vorfeld wurden bereits die düstersten Szenarien von einer herben Klatsche gegen den übermächtigen Zlatan Ibrahimovic und dessen Gefolgschaft gezeichnet.

PSG: Und morgen die Weltherrschaft

Auch auf Seiten der Gastgeber herrscht mit Blick auf die Genialität des Schweden eine gewisse Ratlosigkeit. "Man kann perfekt gegen ihn spielen, und dann schießt er doch ein Wundertor", so Hyppiä. Und Ömer Toprak konstatiert: "Den kannst du nicht 90 Minuten ausschalten."

Dennoch will man bei Bayer von Kapitulation nichts wissen. Hyppiä ist sich sicher: "Wenn wir so spielen wie gegen Schalke, haben wir auch gegen Paris eine Chance." Auch Sportvorstand Völler scheint einen erneuten Rückschlag nicht zu fürchten. Von der heraufbeschworenen "Woche der Wahrheit" will der Sportvorstand ohnehin nichts wissen: "Die Woche der Wahrheit geht bis Mai. Dann wird abgerechnet."

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