Vorab: Auch wir bei SPOX fanden die Entscheidung der Verantwortlichen des FC Bayern München am 21. Februar 2024, sich vorzeitig von Trainer Thomas Tuchel zu trennen, ihn aber noch bis Ende der Saison weitermachen zu lassen, damals nachvollziehbar. Wir waren sogar der Meinung, dass die Entscheidung womöglich sogar für etwas Unruhe in Leverkusen sorgen und somit der Titelkampf noch mal ein bisschen angefeuert werden könnte.
Sechs Bundesligaspieltage, eine öffentliche Absage von Bayer Leverkusens Trainer Xabi Alonso und zuletzt zwei mindestens so heftige wie blamable Niederlagen gegen Borussia Dortmund und den 1. FC Heidenheim später, ist klar: Auch der zweite Versuch des FC Bayern München, einen bereits verabschiedeten Trainer noch die Saison zu Ende coachen zu lassen, ist grandios gescheitert.
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FC Bayern: Blutleere Mannschaft braucht drastische Maßnahmen
Auch damals hatten die Bosse gehofft, die Spieler durch ihre frühzeitige Kommunikation der Trennung in die Pflicht nehmen und sie noch einmal motivieren zu können. Doch der Klasse von 2024 ist ganz offensichtlich nicht mehr zu helfen. Die Mannschaft wirkt nach der einzigartigen und hoffentlich einmaligen Serie von elf Meisterschaften hintereinander nicht nur total übersättigt, sondern kommt so blutleer und teilnahmslos daher, dass ihr - wenn überhaupt - nur mit drastischen Maßnahmen Beine gemacht werden kann.
So wie sich der Rekordmeister im April 2011 schließlich doch noch ein paar Wochen vorher als geplant von Louis van Gaal trennte, um die übriggebliebenen Saisonziele noch zu erreichen, sollten Bayerns Verantwortliche jetzt Thomas Tuchel von dieser Mannschaft und den FC Bayern München von Thomas Tuchel erlösen.
Tuchel selbst hatte vor Anpfiff den Sound gesetzt für die spätere Interpretation des Ausgangs dieser Partie: "Du findest 100 Gründe, warum du das hier laufen lassen könntest, mit 70, 80 Prozent. Wir sind hintendran in der Meisterschaft, haben ein paar Verletzte, das Wetter ist heiß, die Stimmung ist gegen uns. Es gibt einen - wir sind auf dem Weg nach London und übergeordnet nach Wembley. Deshalb gibt es einen übergeordneten Grund, weshalb du immer in der Pflicht bist, alles zu geben", hatte er gesagt.
London, der Ort des kommenden Spiels im Viertelfinale der Champions League beim FC Arsenal. London, übergeordnet Wembley, die Spielstätte des diesjährigen Champions-League-Finals. Drunter wollte oder konnte Tuchel es nicht mehr machen, drüber geht es aber auch nicht.
FCB: Jetzt ist egal, wer die Schuld an der Misere trägt. Jetzt sind Aktionen gefragt!
In der Tat ist der FC Bayern in den Duellen gegen Arsenal auf dem Papier Favorit, in der Tat würde kaum jemand der Mannschaft die Qualität für den Titel in der Königsklasse absprechen. Doch Qualität allein hat nur sehr selten Titel gewonnen und die richtige Mentalität hat die Mannschaft zuletzt am 34. Spieltag der vergangenen Saison gezeigt.
Spätestens nach diesen zwei Pleiten innerhalb einer Woche gegen den ewigen Rivalen Dortmund und den Bundesliga-Underdog Heidenheim sollte eigentlich jedem klar sein, dass Tuchel dieser Mannschaft keine Impulse mehr geben kann und die Spieler sich auch nicht "an die eigene Nase fassen" werden, wie Freund hofft.
Im Moment ist auch ziemlich egal, wieso diese Zusammenarbeit zwischen Tuchel und dem FC Bayern München so kolossal schief gegangen ist. Ob der Transferausschuss um den in Sportfragen unerfahrenen CEO Jan-Christian Dreesen die Hauptschuld an dieser Saison trägt, weil er dem Trainer nicht die Mannschaft gegeben hat, die er haben wollte und noch nicht mal eine Holding Six. Oder Tuchel, der dem Team auch in der vergangenen Saison schon keine spielerische Idee vermitteln konnte. Oder ob es vor allem an der übersatten Mannschaft liegt. Oder ob gar Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic schuld sind, weil sie Julian Nagelsmann zu früh gefeuert und Tuchel zu früh, weil mitten in der Saison installiert haben.
Die Schuldfrage können sich die Verantwortlichen nach der Saison stellen und die Schlüsse aus der Analyse dann in ihre Arbeit mit dem neuen Trainer, der dann hoffentlich länger bleibt als seine Vorgänger, einfließen lassen. Jetzt sind Aktionen gefragt.
Dann nehmt halt José Mourinho. Oder Lothar Matthäus
Zugegeben: Dass Sportdirektor Christoph Freund und Sportvorstand Max Eberl auch jetzt noch am ursprünglichen Plan festhalten und trotz allem mit Tuchel weitermachen wollen, ist an sich nobel. Normalerweise würde ich diese Denkweise auch immer begrüßen und alles andere als argen Populismus geißeln.
Aber selten war populistischer Aktionismus, selten waren Kurzschlussreaktionen nach heftigen Pleiten und aus der Panik geborene Impulse wichtiger, selten war ein Feuerwehrmann nötiger.
Und da halte ich es mit Lothar Matthäus, der bei Sky von Bayerns Verantwortlichen forderte: "Nehmt einfach einen und macht es besser."
Wenn also Hansi Flick für die letzten Spiele ein Kurzzeit-Comeback geben und versuchen will, zum zweiten Mal den Henkelpott zu gewinnen, dann sollte Bayern ihm den Job geben. Oder José Mourinho. Oder Tiger Gerland. Oder Holger Seitz von der U23. René Maric vom FCB-Campus. Und wenn die alle nicht wollen oder können? Dann wird sich schon ein Lothar Matthäus finden, der sich in London auf die Bank setzt.
Bundesliga: Das obere Tabellendrittel am 28. Spieltag
Platz | Mannschaft | Spiele | S | U | N | Tore | Differenz | Punkte |
1 | Bayer Leverkusen | 28 | 24 | 4 | 0 | 69:19 | 50 | 76 |
2 | Bayern München | 28 | 19 | 3 | 6 | 80:36 | 44 | 60 |
3 | VfB Stuttgart | 28 | 19 | 3 | 6 | 64:34 | 30 | 60 |
4 | RB Leipzig | 28 | 16 | 5 | 7 | 64:33 | 31 | 53 |
5 | Borussia Dortmund | 28 | 15 | 8 | 5 | 55:33 | 22 | 53 |
6 | Eintracht Frankfurt | 28 | 10 | 12 | 6 | 43:36 | 7 | 42 |