Christian Streich sprach mit ruhiger Stimme, wählte wohlüberlegt seine Worte - und verkündete das Ende einer Ära: Der amtsmüde Kulttrainer kann und möchte nach zwölfeinhalb Jahren nicht mehr. Der 58-Jährige wird seinen Herzensklub SC Freiburg auf eigenen Wunsch zum Saisonende verlassen - und reißt eine riesige Lücke.
Den Sportclub hat er von einer Fahrstuhlmannschaft zum regelmäßigen Europacupteilnehmer geformt, mit seinem Blick über den Tellerrand hinterließ er in der Liga Spuren weit über den Fußball hinaus.
"Dieser Verein ist mein Leben, ich bin außergewöhnlich dankbar", sagte Streich ganz bedächtig in seiner Videobotschaft: "Ich habe lange überlegt, wir haben lange gesprochen. Aber nach 29 Jahren ist es der richtige Zeitpunkt, um neue Energien, neue Leute und neue Möglichkeiten reinzulassen. Ich glaube auch, dass unsere Spieler diese neuen Energien brauchen."
Streich hatte im Januar 2012 als Nachfolger von Marcus Sorg das Traineramt bei den Profis übernommen.
"Es war mir schon in der Vergangenheit sehr wichtig, dass ich den Zeitpunkt nicht verpasse, zu dem ich glaube, dass es richtig ist, zu gehen", erklärte Streich seine Entscheidung und bedankte sich für "Hunderte von außergewöhnlichen Erlebnissen".
Saier: "Eine Entscheidung, die wir bedauern"
Vorstand Jochen Saier sprach von einem "intensiven, sehr vertrauensvollen und emotionalen Gedankenaustausch - an dessen Ende eine Entscheidung steht, die wir bedauern, aber in vollem Maße respektieren und nachvollziehen können".
Die Spieler hatten bis zuletzt um ihren Chef geworben. "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir werden seine Entscheidung respektieren und mittragen", hatte SC-Kapitän Christian Günter am Sonntag gesagt: "Er ist ein herausragender Trainer und ein herausragender Mensch, für den es mehr gibt als Fußball."
Streich habe "einen großen Anteil an allem" beim SC Freiburg, ergänzte Maximilian Eggestein bei DAZN. Nicolas Höfler schwärmte von einem "brutal guten Trainer".
Christian Streich eine moralische Instanz
Doch der mit Profi-Erfahrung und Lehramtsstudium ausgestattete Metzgersohn war eben viel mehr als das. Der stets kauzige Hitzkopf an der Seitenlinie wurde schnell zu einer moralischen Instanz. Als gutes Gewissen der Liga prangerte er Missstände und Fehlentwicklungen an - im Sport wie in der Politik und der Gesellschaft.
Besonders stark positionierte er sich immer wieder gegen die AfD. Um seinen alemannischen Akzent scherte sich Streich dabei genauso wenig wie um die sonstigen Gepflogenheiten des Profifußballs mit seinen oftmals glatt gebügelten Akteuren.
Wenn Streich seine Ansichten teilt, Anekdoten zum Besten gibt und über Fußball philosophiert, ist er immer authentisch. Das wusste sein Arbeitgeber zu schätzen.
Abstiegssorgen gehören der Vergangenheit an
Seit 1995 stand Streich beim SC als Jugendtrainer unter Vertrag. Gerne bezeichnet er den Gewinn der deutschen Meisterschaft mit den A-Junioren im Jahr 2008 als seinen größten Erfolg, obwohl er mit den Profis 2022 das Finale des DFB-Pokals erreichte. Mit der Männer-Mannschaft durfte er 2015 sogar absteigen, ohne dass eine Abberufung im Entferntesten ein Thema war - natürlich stieg er postwendend wieder auf.
Zuletzt erreichte er mit dem Sportclub gar zweimal das Achtelfinale der Europa League, Abstiegssorgen gehören der Vergangenheit an. Auch wenn er die 16 Jahre andauernde Amtszeit von Volker Finke nicht toppt, sind seine Fußstapfen nach knapp 500 Spielen riesig. Ein Nachfolger wird es nicht leicht haben. Als externe Lösung steht der Name Urs Fischer im Raum, typische interne Lösungen wären Co-Trainer Julian Schuster oder U23-Coach Thomas Stamm.
"Ich bin der festen Überzeugung und weiß es, dass sehr gute Entscheidungen getroffen werden", betonte Streich. Er wird es ganz entspannt als Zuschauer verfolgen.