Daniel Ginczek vom VfL Wolfsburg im Interview: "Meine beste Entscheidung war, Dortmund zu verlassen"

Von Gabriel Wonn
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Ginczek: "Nationalmannschaft hätte ein Thema werden können"

Nach einem Jahr beim Club wechselten Sie zum VfB Stuttgart. Es war Ihre erste Station, bei der Sie im Vergleich zu den vorherigen länger geblieben sind. Haben Sie sich beim VfB heimisch gefühlt

Ginczek: Ich habe mich auch bei St. Pauli sehr heimisch gefühlt. Das Vereinsumfeld war sehr familiär, wir hatten eine super Truppe und die Fans sind positiv verrückt. Ich weiß nicht, ob ich gegangen wäre, wenn wir den Aufstieg gepackt hätten. Die erste längere Profi-Station war dann tatsächlich beim VfB. Die schwäbische Mentalität war für mich als offenen Westfalen zu Beginn nicht ganz einfach, zudem kam ich verletzt an. Die Rückrunde lief dann aber sehr positiv, sodass es im Sommer wieder Wechsel-Optionen gab. Der VfB wollte mich jedoch nicht verkaufen - und ich war froh, dass ich nach nur einem halben gespielten Jahr so eine Wertschätzung erhalten habe.

Verletzungen ziehen sich leider durch Ihre gesamte Karriere. Haben Sie das Gefühl, dass Ihre Karriere noch besser hätte verlaufen können?

Ginczek: Natürlich hätte ich wahrscheinlich deutlich mehr Spiele und Tore gemacht und mich nicht immer wieder herankämpfen müssen. Ich hätte mir von meinen Qualitäten her mehr zugetraut und glaube, dass auch die Nationalmannschaft ein Thema hätte werden können. Ich habe mich leider immer zu denkbar schlechten Zeitpunkten verletzt, daher hat es für Höheres nicht gereicht. Und dennoch habe ich gerade mit dem VfL Wolfsburg die Champions-League-Qualifikation geschafft - das ist auch nicht so schlecht.

Bei den Wölfen zuletzt meist Reservist: Daniel Ginczek.
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Bei den Wölfen zuletzt meist Reservist: Daniel Ginczek.

In der Tat. Sie sind 2018 für eine ordentliche Summe nach Wolfsburg gewechselt. War das erst einmal eine Bürde?

Ginczek: Wenn man sich den Markt anschaut, war das zu diesem Zeitpunkt schon relativ normal. Es war einerseits eine riesige Wertschätzung, andererseits habe ich gerade in meinem ersten Jahr gezeigt, dass das Geld gut investiert ist. Ich habe die Ablösesumme daher weniger als Bürde, sondern als Chance gesehen. Ich wollte zeigen: Der Junge kann kicken, wenn er gesund ist. Wenn er in den Rhythmus kommt, dann ist das ein richtig guter Bundesliga-Spieler.

Worauf führen Sie die starken Leistungen des VfL in der aktuellen Saison zurück?

Ginczek: Dass in der Mannschaft großes Potenzial steckt, hat man schon in meinem ersten Jahr gesehen, als wir Sechster geworden sind. Zuletzt haben Jörg Schmadtke und Marcel Schäfer dann an den richtigen Stellschrauben gedreht und den Kader punktuell verstärkt, wobei der Kern zusammengeblieben ist. Als ich gekommen bin, hat man gemerkt, dass die Mannschaft unsicher war. Das wurde durch die Erfolge und die mitreißende Spielweise nach und nach besser. Ich finde daher, dass die positive Entwicklung gar nicht so überraschend kommt.

Ginczek: "Priorität haben nicht meine persönlichen Ziele"

Wout Weghorst spielt eine extrem erfolgreiche Saison, zudem haben Sie mit Bartosz Bialek einen weiteren Konkurrenten und somit einen schweren Stand, während Ihr Verein eine großartige Saison spielt. Sehen Sie Parallelen zu Ihrer Zeit beim BVB?

Ginczek: Nein, damals war ich ein anderer Spieler. Ich war deutlich jünger und hatte weder den Namen noch die Qualität. Natürlich ist die aktuelle Situation für mich persönlich nicht zufriedenstellend. Würde ich das anders sehen, wäre ich kein Profifußballer. In gewissen Phasen muss man sich aber hinten anstellen. Ich freue mich für den Verein und versuche, mich im Training in den Vordergrund zu spielen. Priorität haben nicht meine persönlichen Ziele, es ging darum, mit dem Klub in die Champions League einzuziehen.

Wollen Sie auf jeden Fall in der nächsten Saison beim VfL Wolfsburg spielen?

Ginczek: Ich habe nichts anderes geplant und werde erst nach der Saison mit den Verantwortlichen über meine Situation sprechen. Ich habe noch Vertrag bis 2022 und mir bislang noch keinerlei Gedanken gemacht. Da bin ich mittlerweile auch etwas lockerer als noch vor ein paar Jahren.

Wenn Sie auf die vergangenen zehn Jahre zurückblicken: Welche Entscheidung war Ihre beste und welche bereuen Sie?

Ginczek: Meine beste Entscheidung war, Dortmund endgültig zu verlassen. Ich bereue tatsächlich nichts, ich würde immer wieder alles genauso machen. Ich würde höchstens etwas früher in den Kraftraum gehen, dann wäre ich vielleicht weniger verletzt gewesen (lacht). Klar, man könnte auch drüber sprechen, dass ich gerne mal Deutscher Meister mit einem Einsatz oder Pokalsieger geworden wäre oder in der Champions League gespielt hätte. Aber wenn ich meine Karriere mit den ganzen Verletzungen und den schweren Hürden betrachte, bin ich am Ende des Tages zufrieden.

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