Vahid Hashemian im Interview: "Magath hat mit uns Bergwanderungen unternommen"

Von Lukas Schranner
Vahid Hashemian mit Felix Magath zu seiner Bayern-Zeit.
© imago images

Unter dem Spitznamen "Hubschrauber" machte sich Vahid Hashemian einen Namen in der Bundesliga. Mittlerweile hat sich der Iraner mit seinen 43 Jahren voll und ganz dem Trainerdasein gewidmet. Ambitioniert ist er jedoch noch immer. Der heutige Co. der Nationalmannschaft des Iran kickte von 1999 bis 2010 in der Bundesliga und sammelte dabei Erfahrungen bei insgesamt vier deutschen Klubs, unter anderem beim großen FC Bayern München.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

In der aktuell fußballfreien Phase spricht Hashemian im exklusiven Interview mit SPOX und Goal über seine fußballerischen Anfänge auf den Straßen Teherans, den Kulturwechsel in Deutschland und seine kurze Zeit beim FC Bayern. Außerdem: Wie er die harte Trainingsmethodik von Felix Magath wahrgenommen hat und wie sein Verhältnis zu Robert Enke war.

Vahid, Ihre Vorliebe für den Fußball haben Sie einst auf den Straßen Teherans entdeckt. Wie lief das ab?

Vahid Hashemian: Wir haben einfach viel auf der Straße gespielt. In den Schulferien war ich zudem regelmäßig in verschiedenen Fußballschulen. Dort spielten wir dann auf Rasenplätzen, das war natürlich ein ganz anderes Gefühl.

Welche Bedeutung hatte der Fußball damals in Ihrer Geburtsstadt?

Hashemian: Im Iran gibt es einige Sportarten, in denen das Land regelmäßig Auszeichnungen gewinnt, etwa Ringen oder Taekwondo. Aber die Lieblingssportart der Menschen ist trotzdem Fußball, die Leute sind verrückt danach. Wenn ein großes Derby ansteht, sind die Straßen wie leergefegt, weil jeder dieses Spiel anschaut.

Gab es in Ihrer Kindheit einen Klub, den Sie besonders verehrt haben?

Hashemian: Meine Lieblingsteams waren früher tatsächlich Argentinien und Deutschland. Als die beiden Nationen im WM-Finale 1990 gegeneinander gespielt haben, war das für mich sehr schwierig. Damals war es noch nicht so einfach, Spiele vor dem Fernseher zu verfolgen, aber an diese Partie kann ich mich noch sehr gut erinnern.

Zu welchen Fußballern haben Sie als Kind beziehungsweise Jugendlicher aufgeblickt?

Hashemian: Diego Maradona war früher mein Lieblingsspieler. Außerdem mochte ich Lothar Matthäus, Marco van Basten und Gary Lineker.

Wann haben Sie selbst erstmals in einem Verein gespielt?

Hashemian: Ich habe mit 15 oder 16 Jahren erstmals an einem organisierten Fußballturnier teilgenommen - im Fünf-gegen-Fünf-Modus. Danach ist ein Mann auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich nicht in einem Verein spielen möchte. Er hat mich dann zum Training in eine iranische U17-Mannschaft eingeladen. So hat meine Vereinskarriere bei Fath Teheran begonnen.

Im Sommer 1999 sind Sie nach Deutschland gekommen. Wie groß war die Umstellung?

Hashemian: Ich war aus dem Iran ein sehr familiäres Leben gewohnt, dann bin ich ganz alleine nach Deutschland gezogen - in ein neues Land mit einer neuen Kultur und einer neuen Sprache. Ich habe etwas Zeit gebraucht, um mich daran zu gewöhnen. Aber das ist wohl ganz normal.

Gab es unangenehme Erlebnisse in der Anfangszeit?

Hashemian: Sportlich hatte ich anfangs etwas Pech. Im Trainingslager mit dem HSV habe ich mir die Nase gebrochen, zudem hat mich eine Bauchmuskelzerrung sechs Monate außer Gefecht gesetzt. Das hat den Einstieg zusätzlich erschwert.

Vahid Hashemian: "Ich saß da und dachte mir nur: Puh, Artikel"

Wie stand es um Ihre Sprachkenntnisse?

Hashemian: Die deutsche Sprache war sehr schwer zu erlernen. In unserer Sprache gibt es keine Artikel, also saß ich damals da und dachte mir nur: Puh, Artikel. Beim Deutsch lernen bin ich schnell verrückt geworden. Ich habe aber versucht, durch die Kommunikation mit den anderen Spielern Fortschritte zu machen.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre erste Trainingseinheit in Hamburg?

Hashemian: Ich kann mich noch erinnern, dass wir auf der alten Trainingsanlage in Norderstedt trainiert haben. Was genau der Trainingsschwerpunkt war, weiß ich nicht mehr, Kopfballtraining war aber auf jeden Fall dabei.

Wo wir bei Ihrem Spitznamen wären: Warum Hubschrauber?

Hashemian: Ich konnte schon im Iran gut springen und köpfen. Beim HSV hat mich Frank Pagelsdorf dann während des Kopfballtrainings immer für meine Sprungkraft aus dem Stand gelobt. Er sagte, ich sei wie ein Hubschrauber. Daher kommt der Spitzname.

Sie spielten mit Niko Kovac zusammen. Was zeichnete ihn aus?

Hashemian: Niko kam genau zu dem Zeitpunkt aus Leverkusen zum HSV, als ich nach Hamburg wechselte. Er war ein Gentleman mit einem sehr selbstbewussten Auftreten. Zudem war er unheimlich clever. Er konnte das Spiel lesen und lenken.

Was war die größte Lehre, die Sie beim HSV gezogen haben?

Hashemian: Die ganze Zeit beim HSV war für mich ein Lernprozess. Dort habe ich die deutsche Kultur, die deutsche Sprache und den deutschen Fußball kennengelernt. Hamburg hat eine wichtige Rolle in meiner Entwicklung gespielt. Der damalige Präsident des VfL Bochum, Werner Altegoer, hat mich dann aber davon überzeugt, dort zu unterschreiben.

Vahid Hashemian mit Felix Magath zu seiner Bayern-Zeit.
© imago images
Vahid Hashemian mit Felix Magath zu seiner Bayern-Zeit.

Vahid Hashemian über den Wechsel zum FC Bayern

Nach nur 17 Pflichtspielen und einem Tor in zwei Jahren beim HSV etablierten Sie sich in Bochum als Bundesligaspieler.

Hashemian: Zu meiner Anfangszeit waren wir unter Trainer Bernhard Dietz nicht gerade erfolgreich. Dann kam Peter Neururer, unter dem ich zum Stammspieler wurde.

Was machte ihn aus?

Hashemian: Manchmal braucht man einen Trainer, der nicht nur fachlich gut ist, sondern auch menschlich. Peter hat mich immer unterstützt und exzellent motiviert. Spieler sind keine Maschinen. Jeder braucht jemanden, der ein Gespür für gewisse Situationen hat. Und er hatte dieses Gespür.

Inwiefern hat sich das geäußert?

Hashemian: Dazu eine Anekdote: Ich war wie gesagt Stammspieler und mir deshalb sicher, im nächsten Spiel in der Startelf zu stehen. Dann saß ich aber auf der Bank und war entsprechend enttäuscht und sauer. Im nächsten Training bin ich kaum gelaufen, hatte keine Motivation. Er hat mich dann in die Kabine geschickt. Auf dem Nachhauseweg habe ich mich bereits gefragt, welche Konsequenzen nun wohl drohen.

Wie ging es weiter?

Hashemian: Im nächsten Training war ich der Erste vor Ort und Peter hat mich in die Trainerkabine bestellt. Ich hatte Sorgen, suspendiert zu werden, Peter sagte mir aber nur, dass mein Verhalten nicht okay gewesen sei und ich nun trainieren solle. Ich wusste selbst, dass ich alles falsch gemacht hatte. Daraus habe ich gelernt.

Nach 16 Toren in 32 Bundesligaspielen für den VfL wechselten Sie im Sommer 2005 zum FC Bayern. Wie kam das zustande?

Hashemian: Ich hatte damals mehrere Angebote, unter anderem von Schalke und aus dem Ausland. Als aber das Angebot des FC Bayern kam, wusste ich, was zu tun ist. Bereits als ich nach Deutschland kam, war es mein Traum, für den FC Bayern zu spielen. In einem solchen Verein stand und steht quasi immer eine Weltauswahl auf dem Platz.

Wie haben Sie Trainer Felix Magath wahrgenommen?

Hashemian: Er war früher ein großer Spieler und anschließend ein erfolgreicher Trainer mit einem speziellen Charakter. Er wollte mich auch schon nach Stuttgart holen, ehe ich nach München gegangen bin.

Vahid Hashemian über Felix Magath: "Vor ihm hatte ich keine Angst, aber vor seinen Trainingseinheiten"

Welches Vier-Augen-Gespräch mit Magath ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Hashemian: Magath war jemand, der wenig mit den Spielern gesprochen, sondern mehr Wert auf das Training gelegt hat. Ging es nach ihm, mussten die Spieler bis an die Grenzen gehen und teilweise darüber hinaus. Man durfte keine Barriere im Kopf haben.

Wie beurteilen Sie seine Trainingsmethodik?

Hashemian: Seine Methoden waren sehr hart. Dementsprechend war ich in dem einen Jahr beim FC Bayern aber auch ziemlich fit. Ich habe im Verein zwar wenig gespielt, zu dieser Zeit aber die wichtigsten Tore meiner Karriere für die iranische Nationalmannschaft geschossen. Das war kein Zufall.

Was zeichnete seine Einheiten aus?

Hashemian: Neben den fußballerischen Aspekten wie Testspielen haben wir viel mit Medizinbällen gearbeitet. Zudem hat er mit uns außergewöhnliche Dinge wie Bergwanderungen unternommen.

Hatten die Spieler Angst vor Magath?

Hashemian: Vor ihm hatte ich keine Angst, aber vor seinen Trainingseinheiten (lacht). Im Ernst: Ich habe nie gesehen, dass er ausgerastet ist oder unruhig war.

Wie bewerten Sie Ihre Zeit beim FC Bayern rückblickend?

Hashemian: Ich bin sehr stolz, dass ich beim FC Bayern war. Und ich habe dort mit guten Leuten zusammengearbeitet. Ich sage immer: Man muss es probieren. Man gewinnt oder verliert, aber wenn man es nicht probiert, verliert man.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema