FC Schalke 04 kämpft ums Überleben: Darum trifft die Corona-Krise S04 besonders hart

Der FC Schalke 04 kämpft aufgrund der Corona-Krise um die Existenz des Vereins.
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Der drittpopulärste Fußballverein Deutschlands steckt bis zum Hals in finanziellen Sorgen. Den FC Schalke 04 trifft die Corona-Krise besonders hart. Es geht um die Existenz.

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Bei den einen dauerte es Tage, bei den anderen Wochen. Mittlerweile dürften alle den Ernst dieser Krise erkennen. Und dann kam auch noch das Coronavirus dazu.

Am 13. März legte der FC Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. seinen Konzernabschluss für das Jahr 2019 der DFL vor. Einen Tag später fiel das Revierderby gegen den BVB aufgrund der fortschreitenden Corona-Pandemie aus. Schalke schreibt ohnehin schon rote Zahlen. Das Virus kam zur Unzeit.

Dass einige Profiklubs den Kampf ums Überleben verlieren werden, unterstrich DFB-Präsident Fritz Keller am Donnerstag, als er im Phoenix-Interview sagte: "Wir werden einige vermissen." Über einem Drittel der Erst- und Zweitligaklubs droht offenbar die Insolvenz. Dass mit Schalke auch der drittpopulärste Verein Deutschlands dazugehören könnte, wurde in dieser Woche klar.

Schalke bittet Fans um Hilfe: Trikots fürs Überleben

Wem die Worte von Marketingchef Alexander Jobst ("Die Lage ist in der Tat sehr ernst, sie ist sehr kritisch") oder Aufsichtsratschef Clemens Tönnies ("Ein Saisonabbruch wäre der Super-GAU") noch nicht alarmierend genug sind, der sollte sich nach dem Hashtag #NurImWir erkundigen.

Auf diesem Weg bat Schalke seine Fans um Hilfe. Dauerkartenbesitzer, die auf eine Rückerstattung der Ticketkosten verzichten, erhalten ein Sondertrikot als Dankeschön. Selbst Besitzern von Einzeltickets wird in Form von Fanartikeln gedankt, sollten sie auf ihr Geld verzichten. Schalke spart, wo es kann.

Jeder einzelne Verzicht sei "ein immenser Beitrag zur Stabilisierung der Liquidität und sichert das Überleben des Vereins", sagte Tönnies bei #NurImWir. Viele Fans folgten dem Ruf ihres Herzensklubs. Die Profis verzichten auf Teile ihres Gehalts. Es sind solche solidarischen Aktionen, die Marketingchef Jobst zumindest "ein Stück weit zuversichtlich" stimmen, dass Schalke die Krise überlebt.

Eins stellte Tönnies aber klar: "Rücklagen haben wir keine."

Schalkes größtes Verlustgeschäft: Transfers

Die finanziellen Sorgen kommen freilich nicht von irgendwo. Seit Jahren schafft Schalke den Spagat aus eigenem Anspruch und sportlicher Realität nicht mehr. "Unser Anspruch ist es, dauerhaft wettbewerbsfähig im Kampf um die europäischen Plätze zu sein. Dafür investieren wir konsequent in den Kader und in unsere Infrastruktur." Ein Zitat von Schalke-Geschäftsführer Peter Peters - abgedruckt im Geschäftsbericht von vor drei Wochen.

In den vergangenen fünf Jahren lautete der eigene Anspruch wie sonst auch: Champions League. Tatsächlich spielte Schalke aber nur in der vergangenen Saison in der Königsklasse. Im Jahr zuvor und auch in dieser Saison waren die Knappen aber überhaupt nicht international vertreten. Das schlägt sich in den Büchern nieder.

In den Kader investierte Schalke schließlich trotzdem beziehungsweise umso mehr. Doch die teuren Neuzugänge, die zu hohen Bezügen verpflichtet wurden, blieben allesamt hinter ihren Erwartungen. Sieht man sich die zehn teuersten Neuzugänge von Schalke an, hat nur Klaas-Jan Huntelaar seinen Preis gerechtfertigt. Bei Ozan Kabak steht ein Urteil noch aus. Der Rest hatte bei Schalke so seine Probleme. Die Transfers der letzten Jahre stellen ein riesiges Verlustgeschäft für Schalke dar. Dazu kommen die vielen Eigengewächse, die Schalke in der Vergangenheit ablösefrei ziehen ließ.

Das hohe Gehaltsniveau schmerzt dabei besonders. Im Vergleich zu einem direkten Konkurrenten wie Borussia Mönchengladbach etwa hat Schalke um rund 50 Millionen Euro höhere Personalkosten. Der sportliche Ertrag: überschaubar. Ein Investment, das nicht aufging.

Erheblich wurde auch in die Infrastruktur investiert. Die Erweiterung des Vereinsgeländes, das sogenannte "Berger Feld"-Projekt, ist zwar sinnvoll. Sie kostet die Knappen aber rund 95 Millionen Euro.

FC Schalke 04: Was aus den Rekordeinkäufen wurde

SpielerGekauftAblösesummeStatusVerkauftTransfererlös
Breel Embolo2016/1726,5 Mio. Euroabgegeben2019/2010 Mio. Euro
Nabil Bentaleb2017/1819 Mio. Euroverliehen--
Sebastian Rudy2017/1816 Mio. Euroverliehen--
Ozan Kabak2019/2015 Mio. Euroim Kader--
Klaas-Jan Huntelaar2010/1114 Mio. Euroabgegeben2017/180 Euro
Jevhen Konoplyanka2017/1812,5 Mio. Euroabgegeben2019/201,5 Mio. Euro
Jose Manuel Jurado2010/1111 Mio. Euroabgegeben2013/143 Mio. Euro
Johannes Geis2015/1610,5 Mio. Euroabgegeben2018/19500.000 Euro
Kevin-Prince Boateng2013/1410 Mio. Euroabgegeben2015/160 Euro

Schalke rechnete auch ohne Corona-Krise erneut mit Verlusten

Zu den laufenden Verbindlichkeiten und dem ohnehin kaum vorhandenen Eigenkapital kam die Horror-Saison 2018/19. Platz 14, Klassenerhalt. Eigentlich sollte Königsblau aber doch im Optimalfall unter den ersten vier Mannschaften landen. Das Verpassen des Europapokals war hauptverantwortlich für Umsatzeinbußen in Höhe von 75 Millionen Euro. Fehlende TV-Gelder, fehlende Erfolgsprämien von Sponsoren.

Hatte Schalke 2018 noch ein Plus von beinahe 40 Millionen Euro erwirtschaftet, verbuchte der Pottklub 2019 eine negative Bilanzsumme von über 27 Millionen Euro. Für das laufende Geschäftsjahr, so heißt es im Abschlussbericht von vor drei Wochen, rechnet Schalke beim Erreichen von Platz acht in der Bundesliga mit einem Minus im "niedrigen zweistelligen Millionen-Bereich".

Das kann man Schalke nur wünschen. Denn weiter heißt es: "Die Prognose beinhaltet nicht die aktuellen Entwicklungen beim Coronavirus."

FC Schalke pocht auf Bundesliga-Neustart mit Geisterspielen

Trotz der alarmierenden Zahlen von 2019: Schalke hätte noch ein paar Jahre wirtschaften können wie bisher, ehe es zu einer möglichen Zahlungsunfähigkeit gekommen wäre. Aufgrund der aktuell fehlenden Erlöse machte der Verein jedoch einen bedenklichen Sprung in dieser Entwicklung.

Die TV-Gelder aus dem erhofften Saison-Neustart mit Geisterspielen helfen, dennoch rinnt Schalke durch die fehlenden Zuschauer in den restlichen Heimspielen ein hoher einstelliger Millionenbetrag durch die Hände.

In der jüngeren Vergangenheit wirtschaftete Schalke bereits häufig am Limit. Anleihen, Privatkredite von Tönnies oder Finanzspritzen der Stadt Gelsenkirchen, etwa durch eine Beteiligung am Stadion, halfen dem Klub aus der Patsche.

Aktuell ist der größte Hebel, an dem Schalke ansetzen kann, der Kader. Der Wert der Spieler stellt den größten Vermögensposten dar. Der verstärkte Fokus auf Nachwuchsspieler und vergleichsweise günstige Leihspieler scheint unvermeidlich.

Da sind wir wieder beim Spagat.

Jochen Schneider bezeichnete die aktuelle Phase als die "schwierigste" seiner Karriere.
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Jochen Schneider bezeichnete die aktuelle Phase als die "schwierigste" seiner Karriere.

Jochen Schneider in der "schwierigsten Phase" seiner Laufbahn

Auf Sportvorstand Jochen Schneider, der von der "schwierigsten Phase" seiner Funktionärslaufbahn sprach, kommt viel Arbeit zu. Der Kader muss gleichzeitig günstiger und erfolgreicher werden.

Schneider wurde schnell tätig. Vor 13 Monaten trat der 49-Jährige sein Amt auf Schalke an. Seitdem trennte sich Schalke von 14 Spielern, einige wurden verkauft, andere (gemeinsam mit deren hohen Gehältern) verliehen. Im Sommer beziehungsweise Herbst sollen weitere folgen. Aufgefüllt wird wohl zum Großteil mit Spielern aus den eigenen Reihen.

"Der Austausch mit den Agenten, die unsere Spieler vertreten, ist intensiver als der mit externen Agenten", sagte Schneider der WAZ. Transfergespräche seien vorerst auf Eis gelegt. Das ist eine der getroffenen Maßnahmen im Zuge der Corona-Krise. Weitere könnten folgen. Zunächst mal aber gilt es, liquide zu bleiben.

Dabei, so Marketingchef Jobs, wird versucht "die Bremse reinzuhauen, (...) um diese und auch die nächste Saison spielen zu können".

Schalke 04: Die finanziellen Kennzahlen der letzten 10 Jahre

GeschäftsjahrEuropapokalUmsatzBilanzsummeEigenkapitalPersonalkosten
2019-274.958.927-27.123.3140,00123.798.777
2018CL350.394.61239.970.5017.646.536124.865.699
2017-240.071.569-13.142.4970,00123.700.271
2016EL265.104.27328.584.7720,00110.075.692
2015EL264.719.78022.002.9610,00111.259.744
2014CL215.302.2223.337.4290,00114.416.235
2013CL206.827.4721.119.3590,0098.337.323
2012CL190.766.401-8.598.0420,0098.526.473
2011EL224.153.1685.621.5240,0099.941.379
2010CL187.853.3794.999.6000,0083.072.716
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