"Ich habe sehr nach meinem Style geschaut"

Kevin Kuranyi spielte in der Bundesliga für Schalke 04 und TSG 1899 Hoffenheim
© getty

Kevin Kuranyi hat im Alter von 35 Jahren seine erfolgreiche Karriere beendet. SPOX-Chefredakteur Florian Regelmann traf Kuranyi in Stuttgart. Herausgekommen ist ein Gespräch, in dem Kuranyi noch einmal seine Stationen Revue passieren lässt. Champions-League-Abende in Stuttgart, Style-Probleme auf Schalke, Schießen in Moskau und Frust in Hoffenheim - Kuranyi erinnert sich. Außerdem: Warum er Julian Nagelsmann bei den Bayern sieht und wie er sich seine Zukunft vorstellen kann.

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SPOX: Es ist jetzt einige Zeit vergangen, seitdem Sie Ihr Karriereende verkündet haben. Sind Sie immer noch glücklich mit der Entscheidung?

Kevin Kuranyi: Ja, absolut. Es ist kein Geheimnis, dass es eine sehr schwierige Entscheidung gewesen ist. Ich habe praktisch mein ganzes Leben lang Fußball gespielt und mich natürlich schon gefragt: "Hey, was mache ich eigentlich ohne Fußball?" Aber ich genieße es sehr, dass ich jetzt die Zeit habe, zum Beispiel meine Kinder zur Schule zu bringen. Ganz normale Sachen zu tun. Dazu trainiere ich weiter für mich, damit ich nicht wie der ein oder andere Ex-Profi schnell dick werde. (lacht) Und da ich mich jetzt selbst um viele Dinge kümmere, die ich während der Karriere zur Seite geschoben habe, wird mir auch nicht langweilig. Es ist witzig, dass ich auch nach der Entscheidung immer noch einige Angebote bekomme, teils auch sehr lukrative aus Malaysia oder so, aber ich bin sehr zufrieden mit meinem neuen Leben. Es war der richtige Zeitpunkt.

SPOX: Wie geht es denn jetzt weiter bei Ihnen?

Kuranyi: Fest steht, dass Fußball immer ein Teil meines Lebens bleiben wird. Trainer, Manager, Berater - ich muss jetzt ganz in Ruhe schauen, in welche Richtung es bei mir gehen könnte. Ich habe zuletzt auch einige Male als TV-Experte gearbeitet und in das Mediengeschäft reingeschnuppert, auch das war spannend. Es gibt viele Möglichkeiten. Ich werde mir die Zeit nehmen, bis ich ein Gefühl bekomme, was mir am meisten Spaß macht.

SPOX: Weil Sie das Mediengeschäft ansprechen: Wissen Sie, was eigentlich bei YouTube immer noch der erste Treffer bei Ihnen ist?

Kuranyi: Nein.

SPOX: Ich sage nur so viel: Es war eine scheiß Frage...

Kuranyi: (lacht) Ich erinnere mich. Wir hatten ein Spiel verloren und dann kam halt so eine scheiß Frage... Für einen Reporter ist es doch ein Traum, wenn er einen Trainer oder Manager zum Durchdrehen bringt, das gehört dazu. Ich habe Jan Henkel ein paar Jahre später mal getroffen, da haben wir uns darüber kaputtgelacht.

SPOX: Ich will mit Ihnen noch einmal die Stationen Ihrer Karriere durchgehen. Angefangen hat alles in Ihrem Geburtsland Brasilien. Was sind Ihre schönsten Erinnerungen an die Anfänge?

Kuranyi: Wenn ich an Brasilien denke, denke ich vor allem daran, wie schön es war, jeden Tag zu kicken. Wie wir die ersten Turniere gespielt haben, zum ersten Mal weg von zuhause waren und in Schulen auf Matratzen geschlafen haben. Und abends natürlich Mist gebaut haben. (lacht) Wie ich von Romario geträumt habe, der mein großes Idol war. Ich habe es geliebt, ihm zuzuschauen. Seine Spielweise, sein Selbstvertrauen, seine Präsenz auf dem Platz - für mich war er der Größte. Auch weil er jemand war, der immer ehrlich seine Meinung gesagt hat.

SPOX: Neben Brasilien hat auch Panama eine besondere Bedeutung in Ihrem Leben. Ihre Mutter kommt aus Panama, Sie haben in der Jugend ein paar Jahre dort gelebt.

Kuranyi: Ich habe in der Zeit viele Freunde gefunden, zu denen ich bis heute Kontakt habe. Viele sind Profis geworden, viele sind aber auch auf die schiefe Bahn geraten. Es gibt so viel Armut dort. Auch deshalb versuche ich, jedes Jahr etwas zu machen und den Kindern zu helfen. Ihnen die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen, aus ihrem Leben etwas zu machen. Wir können es uns kaum vorstellen, aber zwischen einer Sportlerkarriere oder einem Abdriften ins Kriminelle liegt nicht viel dazwischen.

SPOX: Waren Sie sich auch deshalb früh schon bewusst, dass Sie ein sehr privilegiertes Leben führen? Dirk Nowitzki hat einmal gesagt, dass er ganz gut einen Ball in einen Korb schmeißen kann, mehr nicht.

Kuranyi: Und ich konnte ganz okay einen Ball in ein Tor schießen. (lacht) Es stimmt, dass man sich das sehr bewusst machen muss. Es ist für jeden Sportler etwas ganz Besonderes, wenn er seinen Traum leben und damit auch noch viel Geld verdienen kann. Viele haben diesen Traum, aber vielleicht 20 Prozent schaffen es, beim Rest erfüllt sich der große Wunsch nicht. Ich habe hart dafür gearbeitet, aber ich habe auch viel Glück gehabt und bin jeden Tag sehr dankbar für alle Türen, die sich für mich geöffnet haben.

SPOX: Sie haben natürlich auch nicht ganz schlecht verdient. Was war denn materiell gesehen das Schönste, was Sie sich geleistet haben?

Kuranyi: Ich konnte meinen Eltern ein Haus bauen. Das war für mich mit Abstand das Schönste und Wichtigste. Sie haben so viel für mich gemacht, dass ich es nie alles zurückgeben kann. Aber dass ich ihnen ein schönes Eigenheim schenken konnte, war für mich ein großes Glücksgefühl.

SPOX: Wir sitzen hier in Stuttgart zusammen. Beim VfB ging für Sie alles los.

Kuranyi: Jeder Verein, bei dem ich gespielt habe, ist für mich ein Herzensverein, aber der VfB hat sicher einen besonderen Stellenwert. Der VfB hat mir die Möglichkeit gegeben, Profi zu werden. Ich durfte ein Teil der jungen Wilden werden und bin sehr früh auf die internationale Bühne gekommen. Wir hatten einfach eine wahnsinnig schöne Zeit, die mich sehr geprägt hat. An den Abend, an dem wir in der Champions League ManUnited geschlagen haben, werde ich mich mein ganzes Leben lang erinnern.

SPOX: 1:0 Szabics (50.), 2:0 Kuranyi (52.).

Kuranyi: Hoffentlich ist der VfB jetzt nach dem Aufstieg wieder auf dem Weg zu solchen Abenden in einigen Jahren. Es sind auf jeden Fall gute Leute am Ruder. Der Konkurrenzkampf in der Bundesliga ist größer geworden in den vergangenen Jahren, es ist schwieriger geworden, in die CL-Plätze vorzustoßen. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass der VfB wieder nach oben kommen kann.

SPOX: Glauben Sie, dass Simon Terodde auch in der Bundesliga ein Torgarant sein kann?

Kuranyi: Ja, ich traue Simon viel zu. Er kann auch in der Bundesliga viele Tore schießen. Wir haben gesehen, wie Guido Burgstaller von Nürnberg zu Schalke gewechselt ist und getroffen hat, warum soll das Simon nicht auch schaffen? Dazu hat der VfB noch Daniel Ginczek, die beiden stacheln sich gegenseitig an, im Sturm ist man hervorragend besetzt.

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