Ein Spielberichtsbogen sieht anders aus. Normalerweise. Viel Platz gibt's da auf der Auswechselbank, für viele Optionen, vor allem bei solch wunderbar besetzten Teams wie dem FC Bayern. Am Samstagnachmittag, zum Abschluss der Hinrunde gegen Hannover, stand dort aber nicht viel. Neben Ersatzkeeper Sven Ulreich und dem normalerweise zur zweiten Mannschaft aussortierten Jan Kirchhoff genau gesagt zwei weitere Namen. Sebsatian Rode und Joshua Kimmich.
Beim BVB, mit 30 Spielen in der laufenden Saison bislang drei Mal öfter auf dem Feld als die Münchner, las sich das Ganze deutlich prominenter. Sven Bender stand da, und Lukasz Piszczek und Marcel Schmelzer. Auch der zuletzt so starke Gonzalo Castro fand sich ungewohnt weit unten auf dem Aufstellungspapier, dazu gesellten sich Roman Weidenfeller, Adrian Ramos und Moritz Leitner. Thomas Tuchel hatte im letzten Spiel vor der Winterpause fast alle Mann an Bord - und setzte auf Rotation.
Damit sorgte er womöglich für die unverhoffte Vorentscheidung im Tauziehen um die Schale. Denn trotz des allerletzten Aufgebots, obwohl es, wie Bayerns Siegtorschütze Thomas Müller meinte, nur ein "letztes Aufbäumen" aus dem Süden war, reisen die Münchner mit drei Punkten im Gepäck und acht Zählern Vorsprung auf Dortmund aus Niedersachsen ab. Und der BVB? Der schenkte in Köln fahrlässig einen Dreier her - eine Pleite zum unmöglichsten Zeitpunkt.
Bayern: Müde und beängstigend
Es könnte also dieser 19. Dezember gewesen sein, der die Weichen endgültig auf die vierte bayerischen Meisterschaft in Folge gestellt hat. Ein Spieltag, der aus Münchner Sicht so belanglos schien wie lange kein anderer mehr. Noch unter den Eindrücken der Vertragsverlängerungen von Thomas Müller, Jerome Boateng, Javi Martinez und Xabi Alonso. Oder der angeblichen Verstrickung des FC Bayern in den WM-Skandal. Überschattet vom ohnehin alles dominierenden, drohenden Abgang von Pep Guardiola.
Doch ist es beim Rekordmeister mittlerweile - für den Rest der Liga beängstigenderweise - Standard, wie man im Süden der Republik auch solche Spiele mit der viel beschworenen Seriosität für sich entscheidet. Auch nach "zwei Monaten voller Probleme" (Guardiola), auch ein "bisschen müde" (wieder Guardiola), darf man sich in München über einen Spieltag freuen, wie man ihn sich nicht besser hätte wünschen können.
Es sind schließlich nicht nur die individuellen Fähigkeiten, die die Roten von Sieg zu Sieg tragen. Guardiola hat den FC Bayern auf ein Level gehoben, auf dem er auch taktisch im Regelfall allen Kontrahenten weit überlegen ist. Egal, wie das Personal aussieht. So überlegen, dass sich Manuel Neuer nach einem zu keiner Zeit gefährdeten Auswärtssieg zur Aussage gezwungen sah: "Wir müssen mit dem 1:0 leben. Wir freuen uns aber über die drei Punkte."
Auch wenn gegen 96 eine skurrile Volleyballeinlage von Christian Schulz und der folgende Elfmeter herhalten mussten für den Sieg - der FC Bayern ist da, wenn man da zu sein hat. Es ist das, was die Münchner im vierten Jahr hintereinander ausmacht und von allem und jedem abhebt, der in die Versuchung kommt, sich Bayern-Jäger oder Meisterschaftskandidat zu nennen. "Ein super Gefühl", meinte Müller, "wenn man dafür belohnt wird."
Dortmund: Das Maximalziel steht - leider
Mit einer seltsamen Mischung aus Zufriedenheit und akutem Ärger beendete dagegen der BVB die zweitbeste Hinserie der Vereinsgeschichte. "Daraus wird kein schlechtes Halbjahr mehr", meinte Coach Tuchel nach Abpfiff. Und: "Die Niederlage fällt mir nicht besonders schwer." Trotzdem überwog auch im schwarzgelben Lager zunächst der Ärger über die verlorene Partie und das Wissen, dass auf nationaler Ebene Platz zwei das Maximalziel bleiben wird.
Fünf Punkte, das hörte sich zuvor noch irgendwie machbar an. Zumal in der Rückrunde das direkte Duell im Signal Iduna Park ansteht. Aber acht Zähler? Auch der hineinrotierte Jonas Hofmann, der mit Joo-Ho Park eine äußerst wacklige linke Seite in Köln bildete, machte nach dem Spiel keinen Hehl daraus, dass sich die Blicke jetzt nicht mehr nach oben richten müssten."Ein 2:0 hätte zu einer Vorentscheidung gereicht", haderte dann auch Tuchel kurz. Doch wie das dann eben so ist: Das Spiel geht und geht, die Kräfte am Ende eines langen Halbjahres schwinden und plötzlich wird nicht nur in Köln, sondern auch in der HDI-Arena über den Ausgleich gejubelt. Und dann, wie es nun mal so kommen kann, trifft Anthony Modeste in der Neunzigsten. Nach 681 torlosen Minuten, nach einer 40-Meter-Kopfballvorlage von Frederik Sörensen. "Dann", sagt Tuchel, "waren wir mental und körperlich nicht mehr so frisch, es nach Hause zu bringen."
Bei seinem Antritt formulierte Tuchel die klare Zielsetzung, Herausforderer zu sein. Mittlerweile hat der BVB Konkurrenten wie Wolfsburg, Leverkusen und Gladbach tabellarisch wie fußballerisch eindrucksvoll in die Schranken gewiesen. Doch sind es die Remis gegen Hoffenheim und Darmstadt, die Pleite gegen den Hamburger SV und nicht zuletzt der 19. Dezember in Köln, die dem BVB - zumindest in diesem Jahr, zumindest gegen diese Bayern - die Schale verwehren werden.
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