Nette Maschine

Von Andreas Inama
Junior Caicara wechselte für sechs Millionen von Razgrad nach Gelsenkirchen
© getty

Junior Caicara. Ein unbekannter Name bei einem prestigeträchtigen Klub. Schalke hat sich den brasilianischen Rechtsverteidiger sechs Millionen Euro Ablöse kosten lassen und gleich in den ersten Tagen zeigt man sich in Gelsenkirchen begeistert. Der Neuling ist ein bescheidener Mensch, seine Karriere bislang von der einen oder anderen Überraschung geprägt.

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"Schalkes neuer Strahlemann" - so stellt schalke04.de den Neuzugang in einem kurzen Artikel der Fangemeinde vor. Die Bilder zum Artikel bestätigen den Titel, den Junior Caicara scheint zu keiner Zeit sein Grinsen zu verlieren. Vier Bilder, vier Mal präsentiert sich der Brasilianer mit einem breiten Lächeln.

"Glück auf, Schalke 04!" waren seine ersten deutschen Worte bei Schalke TV.

"Er hat eine total positive Ausstrahlung", erkannte auch sofort sein neuer Trainer Andre Breitenreiter, nachdem er ihn in Gelsenkirchen willkommen geheißen hatte. Neben der positiven Ausstrahlung gab es für Breitenreiter noch einen anderen Grund, voll der Freude über seinen Neuen zu sein.

"Er ist eine Maschine!"

Der Medizincheck lief wohl außergewöhnlich gut, wenn man den Worten des neuen Chefs bei den Königsblauen Glauben schenken darf: "Als ich am Abend die Werte bekommen habe, habe ich erst einmal gestaunt. Ich habe noch nie zuvor einen besseren Wert gesehen als bei Junior. Er ist eine Maschine!"

Auch Caicara scheint seinen Augen noch nicht trauen zu wollen. Er kann sein Glück kaum fassen und sprüht vor Tatendrang: "Schalke ist ein Top-Klub in Europa, sogar in der Welt. Jetzt muss ich hart an mir arbeiten, damit ich das Vertrauen des Klubs mit guter Leistung zurückzahlen kann."

Noch bevor es sein neuer Klub tat, machte Caicara seinen Wechsel selbst publik und platzierte auf Instagram und Facebook Fotos mit seinem Vater und seinem Sohn, beide in Schalke-Trikots. Daneben, wie sollte es anders sein, ein strahlender Junior Caicara.

Der etwas andere Werdegang

Schaut man sich den bisherigen Weg des Rechtsverteidigers an, deutet in den letzten fünf Jahren nichts darauf hin, dass er irgendwann zu einer der besten Mannschaften Deutschlands wechseln würde und da, ohne eine Minute auf dem Platz gestanden zu haben, gleich als potentieller Leistungsträger gepriesen wird.

Ab 2008 war er bei EC Santo Andre unter Vertrag, kam in der brasilianischen Serie A aber nur einmal zum Einsatz. Als ewiges Talent wurde er bezeichnet und ging den üblichen Weg: Er wurde auf Leihbasis von einem Klub zum nächsten weitergereicht.

Bei einem dieser Klubs erlebte er jedoch unterwartet etwas Besonderes: Mit dem unterklassigen CS Alagoano ging es im brasilianischen Pokal gegen den großen FC Santos. Für Caicara, der selbst glühender Santista ist, ein Traum.

Nachdem man Santos mit Toptalent Neymarzuhause ein Unentschieden abgetrotzt hatte, schlug im Rückspiel am 23. April 2009 im Vila Belmiro die große Stunde. Caicara stand in der Startformation, als man den Giganten mit einem 1:0-Auswärtserfolg aus dem Wettbewerb warf.

Der Sprung über den großen Teich

Doch auch das Jahr bei CSA ging zu Ende, Caicara kehrte zu Santo Andre zurück und wurde wieder zu einer kleinen Mannschaft in Brasilien verliehen. Die Überraschung folgte dann im Sommer 2010. Wie aus dem Nichts meldete sich der portugiesische Zweitligist Gil Vicente und wollte den 21-Jährigen für zwei Saisons ausleihen.

In Portugal mauserte sich Caicaro innerhalb kürzester Zeit zum Leistungsträger, stand in seiner ersten Saison 35 Mal auf dem Platz und stieg mit Gil Vicente in Portugals höchste Spielklasse auf. Das Jahr darauf sollte schließlich seinen persönlichen Durchbruch bedeuten und eine weitere Überraschung bereithalten: Gil Vicente hielt die Klasse und stand am Ende sogar im Pokalfinale, das man allerdings gegen das übermächtige Benfica Lissabon knapp verlor.

Das Leihgeschäft endete, aber Caicara hatte sich schon auf den Radar des aufstrebenden bulgarischen Klubs Ludogoretz Razgrad gespielt, der den athletischen Außenverteidiger für 300.000 Euro fest verpflichtete. Razgrad war gerade als Aufsteiger Meister geworden und konnte um die Champions League mitspielen.

Auf einer Bühne mit Ronaldo und Co.

Nach zwei Anläufen war es 2014 dann soweit: In einem Elfmeterkrimi, der in Ludogoretz' Geschichte einging, qualifizierte man sich gegen Steaua Bukarest für die Champions League, wo in der Gruppenphase mit Real Madrid, Liverpool und Basel die Creme de la Creme des europäischen Fußballs wartete.

Innerhalb von vier Jahren vom durchschnittlichen brasilianischen Zweitligaspieler auf die größte Bühne des Klub-Fußballs. Durch seine starken Leistungen gegen Ronaldo und Co. spielte sich Caicara in den Fokus zahlreicher Top-Klubs wie den AS Rom, Porto oder Bayer Leverkusen.

Doch es sollte Königsblau werden. "Ich bin mir sicher, dass er hervorragende Veranlagungen hat, um viel Dampf über die Außenposition zu entwickeln und so für viel Gefahr vor dem Tor zu sorgen", sagte Breitenreiter und zeigt somit gleich auf, wieso man den Techniker für vergleichsweise viel Geld (6 Millionen Euro) geholt hat.

Caicara besticht nicht nur als menschliche Athletik-"Maschine", er entspricht dem Prototyp des modernen Außenverteidigers: Er ist schnell, technisch sehr stark, schwer vom Ball zu trennen und beweist bei seinen Vorstößen immer wieder sein gutes Auge für den freien Mann.

Sein Defensivverhalten hat Caicara in seiner Zeit in Europa weiterentwickelt und zeigt Bereitschaft, dies weiterhin zu tun: "Als ich nach Europa gekommen bin, habe ich mehr im taktischen Bereich gearbeitet und in der Defensive dazugelernt. Wenn ich das nicht könnte, wäre ich wahrscheinlich nicht hier."

Seine Entscheidung, in die alte Welt zu kommen, scheint dem quirligen Brasilianer bis jetzt perfekt in die Karten gespielt zu haben. Aus dem Nichts ist Junior Caicaro in hohe Sphären vorgedrungen und versucht nun, den nächsten Schritt zu gehen, um sich in naher Zukunft seine Träume zu erfüllen.

Zwischen zweiter Heimat und Saudade

Wie jeder Fußballer träumt auch er von der Nationalmannschaft. Aber er bleibt realistisch. Einen Einsatz in der Selecao hat er noch gar nicht in Betracht gezogen. Eher würde er für seine gerade hinter sich gelassene Wahlheimat optieren: "Mir würde es gefallen, irgendwann für Bulgarien aufzulaufen." Die Staatsbürgerschaft jedenfalls hat er in seiner Zeit in Razgrad erhalten.

Doch das für einen Brasilianer charakteristische Maß an "Saudade" trägt auch er in seiner Seele, eine Rückkehr nach Brasilien steht für ihn außer Frage, zumal er für seinen Herzens-Klub auflaufen möchte.

"Ich werde jetzt meine Zeit hier in Europa verbringen, aber ich will auch wieder nach Brasilien zurück. Mein Traum ist es, einmal für Santos zu spielen. Ich bin dort in der Gegend aufgewachsen und das habe ich mir so in den Kopf gesetzt", hatte er schon kurz nach seinem Wechsel nach Razgrad erklärt.

Glück auf, Junior!

Bis dahin aber ist noch Zeit. Die nächste Etappe heißt Schalke, wo sich ihm die Möglichkeit bietet, eine Baustelle im Kader auszufüllen und dort prägend beim Neuanfang unter Andre Breitenreiter mitzuwirken. Ob die sympathische Frohnatur die jetzt schon enorm hohen Erwartungen erfüllen kann, wird sich zeigen.

Zuzutrauen ist es ihm. Ihm, der mit Fleiß, einer gesunden Erwartungshaltung und einer positiven Einstellung ein Händchen dafür zu haben scheint, das Glück ein klein wenig auf seine Seite zu zwingen. In diesem Sinne arbeitet er jetzt schon am nächsten Fernziel: "Ich würde gerne an der Seite von Neymar spielen, das wäre fantastisch." Na dann: Glück auf, Junior!

Junior Caicara im Steckbrief

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