Heynckes wirft Sammer "Populismus" vor

SID
Jupp Heynckes (l.) ist mit der öffentlichen Kritik durch Matthias Sammer nicht einverstanden
© Getty

Am Mittwochmorgen, als er die erste Saisonniederlage eine kurze Nacht überschlafen hatte, platzte Jupp Heynckes auf dem Flughafen von Minsk dann doch noch so richtig der Kragen. "Er weiß, dass es wichtig ist, diese Dinge in geschlossenen Räumen anzusprechen", sagte der Coach von Bayern München in Richtung Sportvorstand Matthias Sammer.

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"Das ist Populismus, und den können wir hier nicht gebrauchen." Die heile Bayern-Welt hat Risse bekommen.

Heynckes reagierte damit mit Verspätung auf die öffentliche Spielerschelte von Sammer nach dem 2:0-Erfolg bei Werder Bremen. Die Differenzen zwischen Trainer und dem Sportvorstand, über die schon länger getuschelt wurde, traten nach der bitteren 1:3-Niederlage beim FC Bate Borissow zum ersten Mal offen auf. Dass die Mannschaft "lätschert", wie sich Matthias Sammer nach dem Bremen-Spiel ausgedrückt hatte, gewesen sein sollte, nicht "gallig" genug, fand der Münchner Trainer überzogen.

Noch am Abend hatte sich Karl-Heinz Rummenigge im Bankettsaal "Dolce Vita" bemüht, die Wogen zwischen seinen beiden Sportchefs zu glätten - freilich am Ende vergeblich. Der Vorstandsvorsitzende von Bayern München verzichtete auf das große Donnergrollen nach der überraschenden Niederlage in der Champions League.

Rummenigge schwärmte bei seiner Ansprache weit nach Mitternacht erst einmal von der Stadt Minsk, um dann "nur noch kurz" etwas zum Spiel anzumerken. "Es macht keinen Sinn, heute zu kritisieren", fand Rummenigge. "Wir haben große Torchancen nicht genutzt, dann passiert, was in der zweiten Halbzeit passiert ist." Klassisch ausgekontert wurden die Bayern von einer weißrussischen Mannschaft, die zuvor noch nie ein Heimspiel in der europäischen Königsklasse gewonnen hatte.

Serie nach neun Siegen gerissen

Die Erfolgsserie ist nach neun Siegen hintereinander gerissen. "Die Niederlage tut weh", sagte Rummenigge noch, weil die Bayern nun nach zwei Spielen statt auf dem angestrebten ersten Tabellenplatz nur auf Rang drei liegen. "Aber ich bin überzeugt, dass wir uns am Ende des Tages fürs Achtelfinale qualifizieren werden." Schwerer als der sportliche Rückschlag wiegen womöglich die Differenzen zwischen Heynckes und Sammer.

Dass Sammers Sicht der Dinge jedenfalls nicht ganz falsch war, bestätigten die Bayern am Dienstagabend in Minsk. Eine Spur zu behäbig traten sie auf, dazu leisteten sie sich Unsicherheiten in der Defensive. Holger Badstuber erkannte erste Anzeichen erlahmender Bereitschaft, sich an der Defensivarbeit zu beteiligen. Bei einer konterstarken Mannschaft wie Borissow müsse man kompakt stehen, sagte der Verteidiger. "Alle müssen mit zurücklaufen. Das war heute nicht der Fall."

Zuletzt hatten die Münchner immer wieder das kollektive Engagement in dieser Saison gelobt - und als Erfolgsfaktor gesehen. Für Heynckes war hingegen die vergebene Chance von Toni Kroos "die Schlüsselszene des Spiels". Der Mittelfeldspieler hatte nach zwölf Minuten statt dem leeren Tor nur den Innenpfosten getroffen. Kurz darauf erzielte Aleksander Pawlow die Führung für Borissow (23.).

Wechsel bringen erst mit Verzögerung mehr Schwung

Zwar sorgten die Wechsel von Heynckes in der zweiten Halbzeit wie so oft in dieser Saison neuen Schwung, aber mit leichter Verzögerung und deshalb nach dem 2:0 für Borissow durch Witali Rodionow (78.) zu spät.

Erst in der turbulenten Schlussphase, als zuerst Franck Ribery den Anschlusstreffer erzielte (90.), ehe Renan Bressan in der Nachspielzeit noch der dritte Treffer gelang, spielten die Bayern so wie in den ersten Wochen der Saison.

Die Niederlage kann auch der berühmte Schuss vor den Bug zur rechten Zeit sein. Heynckes fand die Niederlage "nicht so tragisch, wenn es die Mannschaft versteht, im nächsten Spiel zu reagieren", sagte Heynckes, "da müssen wir Flagge zeigen." Am Samstag gegen die TSG 1899 Hoffenheim wird sich weisen, ob der Auftritt in Borissow nur ein Ausrutscher oder doch der Beginn der typischen bayerischen Herbst-Delle war.

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