Nach Michael Skibbes erstaunlichem Ausbruch in Leverkusen und seiner noch erstaunlicheren Hartnäckigkeit in den Tagen danach, scheint sich der ärgste Rauch verzogen zu haben. Das Gerücht, der Trainer habe sogar vor einer Abmahnung gestanden, verwies Klubchef Heribert Bruchhagen ins Reich der Fantasie. Man hat sich ausgesprochen nach Skibbes fundamentaler Kritik an der Qualität seines Kaders, am Verein und seiner Führung.
Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Klima rauer geworden ist bei der Eintracht, dass das letzte Wort in der Angelegenheit noch nicht gesprochen ist. In der Frage nach der grundsätzlichen Ausrichtung von Eintracht Frankfurt. Diese beschäftigt nicht zuletzt auch die bekanntermaßen engagierte Fanszene der Hessen.
Kritische Meinungen zur Form der Skibbe'schen Kritik machten bei vielen Anhängern schnell Zustimmung zu deren Inhalten Platz. "Die Art und Weise, wie das passiert ist, hat das Tischtuch zerschnitten im Fanlager", sagt etwa Christopher Michel, Sprecher des Fanklubs SG-4-EVER im Gespräch mit SPOX. "Die einen finden, dass es ganz dringend nötig war, dass der Trainer sich auch öffentlich äußert, um den Vorstand wach zu rütteln. Die andere Seite sagt, so was gehört hinter verschlossene Türen."
Über die Inhalte hingegen gibt es offenbar keine zwei Meinungen: "Wir haben sehr viel Durchschnitt im Kader, die letzten Wechsel waren alle unglücklich." Im kritischen Kreuzfeuer der Fans steht insbesondere die Scouting-Abteilung um Bernd Hölzenbein. Diese habe die entscheidenden Fehler zu verantworten. Eine Meinung im Übrigen, die die Anhänger nicht exklusiv haben.
Lincoln der Heilsbringer?
Ein besonderes Reizthema bei der Eintracht dieser Tage ist die Personalie Lincoln. Der brasilianische Spielmacher ist Skibbes erklärter Wunschspieler, doch Bruchhagen konnte oder wollte das Portemonnaie nicht öffnen für den 30-Jährigen, der im Umfeld der Eintracht durchaus nicht unumstritten ist.
Stellvertretend für viele meinte Ex-Eintracht-Profi Uwe Bindewald gegenüber SPOX: "Ob Lincoln der Richtige für die Eintracht ist, weiß ich nicht. Man braucht definitiv Spieler, die mit Herz und Verantwortung dabei sind."
Die momentane Unruhe in Frankfurt kommt ein wenig wie eine Reminiszenz an alte Zeiten daher, als die Eintracht noch die Diva vom Main war und kein solide wirtschaftender Klub aus der Grauzone der Bundesliga.
Spektakel fast bis zum Exitus
Es ist gar nicht so lange her, Anfang der 1990er war's, dass die Hessen für begeisternden Spektakel-Fußball, herzhafte Scharmützel in den eigenen Reihen und finanzielle Drahtseilaktionen standen. 2002 stand man dann sogar kurz vor dem Aus. Beinahe wäre die Lizenz weggewesen und man hätte sich im Lager der Amateure wiedergefunden.
Konstanz und Solidität waren damals Fremdwörter rund um den Riederwald. "Zu meinen aktiven Zeiten wusste die Mannschaft nicht immer, ob sie am Monatsende ihr Geld bekommt. Das hing durchaus mal am seidenen Faden", erinnert sich Bindewald, der zwischen 1987 und 2004 für die Eintracht spielte.
Der sichere Weg mit Bruchhagen
Doch die Zeiten haben sich geändert: Eintracht Frankfurt 2009, das ist die graue Maus vom Main. Mit Bruchhagen kam Ende 2003 die Stabilität, die den Klub wieder zu einem ständigen Mitglied der Eliteliga gemacht hat. Seit 2005 ist man zurück und bewegt sich mit den Plätzen 14, 14, 9 und 13 eher in der Grauzone.
Bruchhagen genießt verdientermaßen hohes Ansehen im Klub und dessen Umfeld, doch inzwischen sind die Ansprüche wieder gestiegen. Skibbes Ausbruch war Wasser auf die Mühlen derer, die sich fragen, ob Bruchhagens Politik der kleinen Schritte immer noch der richtige Weg ist, um dem Selbstverständnis des Vereins und seiner Anhänger gerecht zu werden.Aufbruch nach dem Ausbruch?
Bindewald ist gespalten: "Skibbe hat schon Recht. Wenn man den Anspruch hat, sich im oberen Tabellendrittel festzusetzen, muss man investieren. Aber vielleicht ist es einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt."
Vielleicht ist es etwas übertrieben, davon zu sprechen, dass die Eintracht am Scheideweg oder vor einer Zerreißprobe steht. Dafür ist auch Skibbes Position zu schwach. Aber vielleicht folgt dem Ausbruch ja doch ein Aufbruch. Oder zumindest eine lebhafte Grundsatzdiskussion darüber, wo der Weg hinführen soll. Gerade die Anhänger würden sich diese wünschen.
"Das Image von der grauen Maus ist für die Fans noch schlimmer als jegliche Platzierung." sagt auch Michel, und spricht damit vielen Fans aus der Seele. Die Erinnerung an frühere Zeiten ist einfach noch zu präsent. Man muss ja nicht gleich wieder zur selbstzerstörerischen Diva mutieren.