Uwe Seeler im Alter von 85 Jahren gestorben

SID
Uwe Seeler
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Seine bescheidene Art, sein Einsatz auf dem Platz und ein "Nein" machten aus dem Fußballer ein Denkmal. Nun ist "Uns Uwe" im Alter von 85 Jahren gestorben.

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Hier gibt es Stimmen und Reaktionen zum Tod von Uwe Seeler.

Es regnete, als Uwe Seeler im April 1961 zur Legende wurde. Typisches Hamburger Wetter. Also ging er nach dem Training hastig zu seinem Ford 12 M und fuhr in seiner "blauen Badewanne" die paar Kilometer vom Rothenbaum zum Hotel Atlantic, damals Hamburgs feinste Adresse.

In einer Suite im ersten Stock, mit Blick auf die Alster, wartete Helenio Herrera, damals bester Trainer der Welt, schon auf Uwe, damals einer der besten Stürmer der Welt. Herrera wollte Uwe zu Inter Mailand holen. Mit aller Macht. Eine Million Mark sollte es allein als Prämie für die Vertragsunterschrift geben - das Handgeld lag in einem Aktenkoffer unter dem Tisch. Dazu 500.000 Mark Jahresgehalt netto, eine Villa, ein Auto, die deutsche Schule für die Kinder.

"Das Angebot war sensationell", sagte Seeler einmal, "aber Herrera wäre sicher noch höher gegangen." Er hätte nur seinen Namen kritzeln müssen und wäre ein gemachter Mann gewesen, mit 25 Jahren. Zwei Tage lang wurde verhandelt - doch am Ende schüttelte Uwe den Kopf und schickte den Mann mit dem schicken italienischen Anzug und dem Geldkoffer nach Hause.

Hamburg stand kopf, Deutschland feierte Seeler. Den Star, der allen gehörte. Den man anfassen konnte. Der auf traumhaften Reichtum verzichtete und damit zum Idol aufstieg. "Uns Uwe" war jetzt nationales Eigentum, Vorbild und moralischer Kompass. "Beim HSV habe ich nur einen Bruchteil von dem verdient, was ich in Mailand bekommen hätte. Aber wer weiß, ob ich glücklich geworden wäre", sagte Seeler. "Mehr als ein Steak am Tag kann man nicht essen. Und wenn ich heute Bilanz ziehe, war diese Entscheidung goldrichtig."

Uwe Seeler im Alter von 85 Jahren verstorben

Es gibt keine Geschichte, die Uwe Seeler besser beschreibt: Nun ist das Idol im Alter von 85 Jahren gestorben. Und der Fußball verneigt sich in tiefer Trauer vor einem ganz Großen. Die Stadt Hamburg bestätigte am frühen Donnerstagabend die Todesnachricht.

"Mit Uwe Seeler, Ehrenbürger seit 2003, verliert die Hansestadt Hamburg einen Ausnahme-Fußballer und besonderen Menschen. Tschüs, Uwe!", schrieb die Stadt Hamburg auf ihrer Webseite. Der Hamburger SV stellte das schwarz-weiß-blaue Vereinswappen auf seinem Twitteraccount auf schwarz-weiß um.

"Uwe Seeler war ein außergewöhnlicher Fußballer, vor allem aber ein außergewöhnlicher Mensch", sagte Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga (DFL): "Ohne Zweifel ist er einer der besten Stürmer gewesen, die die Bundesrepublik Deutschland je hervorgebracht hat. Uwe Seeler war ein Mann, der tief verwurzelt war in seiner Heimatstadt Hamburg. All dies, gepaart mit einer Bescheidenheit, die ihresgleichen suchte, hat ihn zu einem Idol und zu einem Vorbild für Millionen Menschen werden lassen."

Zwischen 1953 und 1972 verbreitete Seelers Name bei den gegnerischen Abwehrspielern Angst und Schrecken. Er war nicht elegant, aber er hatte unendliche Kraft. Uwe krempelte die Ärmel hoch, er arbeitete Fußball, er kämpfte, wühlte, biss, wollte. Er warf sich in den Dreck und verkörperte die Werte der jungen Bundesrepublik nach dem Krieg - Einsatz, Fleiß und ehrliche Arbeit.

Uwe Seeler erster Sportler mit Bundesverdienstkreuz

Was für die deutsche Industrie das "Made in Germany" war, das war "Uwe" für den deutschen Fußball. Dafür schlossen sie ihn auf ewig in ihre Herzen ein. "Warum hätte ich abheben sollen? Nur weil ich ein bisschen besser kicken konnte?", sagte Seeler, "so bin ich nicht erzogen worden."

Uwes Art war das direkte Ergebnis der Lehren seines Vaters Erwin. Der war Schutenfüher im Hafen, ein Knochenjob, und predigte die Dreifaltigkeit im Hause Seeler: Bleib anständig, arbeite hart und respektiere deine Mitmenschen! Es gab kein Gespräch mit Uwe, in dem er nicht davon erzählte. "Das Schönste ist doch, normal zu sein", sagte er. Und das war er - erfrischend normal.

Seit 1959 war Seeler ohne Skandale mit seiner geliebten Ilka verheiratet, er fuhr nie die größten Autos und schätzte Steckrübeneintopf, Kartoffelsuppe und Grünkohl. Seit 1958 wohnte Seeler im selben Bungalow in Ochsenzoll. Trug er Hut, griff er zum Elbsegler, der proletarisch angehauchten Kopfbedeckung für Hanseaten, weniger fein als die Prinz-Heinrich-Mütze, die Wahl des verstorbenen Altkanzlers Helmut Schmidt. Uwe wurde mit Sympathie fast zugeschüttet.

Ein kleiner Auszug seiner Ehrungen und Verdienste: als erster Sportler überhaupt erhielt er das große Bundesverdienstkreuz, er ist Hamburger Ehrenbürger, Ehrenspielführer der Nationalmannschaft, war dreimal Fußballer des Jahres und erster Bundesliga-Torschützenkönig, ist Ehrenkommissar der Polizei Hamburg, Goldener Rathausmann von Wien, Ehren-Schleusenwärter in Hamburg, Ehrenkapitän der Rickmer Rickmers. Vor dem Hamburger Stadion steht sein rechter Fuß, in Bronze gegossen und vier Tonnen schwer.

Uwe Seeler ist im Alter von 85 Jahren verstorben.
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Uwe Seeler ist im Alter von 85 Jahren verstorben.

Uwe Seeler: Legendärer Treffer mit dem Hinterkopf

Trotz seiner unzähligen Tore für den HSV und die Nationalmannschaft bleiben besonders zwei Spiele für immer mit Uwe Seeler verbunden. Nur sechs Monate nach einem Achillessehnenriss im Februar 1965 schoss der "Dicke" Deutschland gegen Schweden (2:1) zur WM nach England. Und bei der WM in Mexiko 1970 erzielte er seinen legendärsten Treffer - gegen England mit dem Hinterkopf. Weltmeister wurde er dennoch nicht, wie 1966, als er im sagenumwobenen Finale gegen England auf dem Platz stand.

Nur einmal traf "Uns Uwe" eine unglückliche Entscheidung, als er sich 1995 zum Präsidenten seines HSV wählen ließ. Finanzskandale und sportliche Misserfolge kratzten an seinem bis dahin makellosen Image. Enttäuscht von alten Weggefährten trat er 1998 zurück. Als Fehler bezeichnete er seine Entscheidung rückblickend nicht, selbstverständlich auch nicht seine Absage an Herrera.

Am 1. Mai 1972 endete die große Laufbahn von "Uns Uwe". Am Tag der Arbeit. Nun ist er verstorben - und Fußball-Deutschland trauert.

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