Besuch beim Deutschen Fußballmuseum: Stehen bleiben, hier gibt es alles zu sehen!

Herumgebaut um die Ausstellung und damit einzigartig: das deutsche Fußballmuseum.
© Deutsches Fußballmuseum

Seit zweieinhalb Jahren bietet das Deutsche Fußballmuseum im Herzen Dortmunds alles, was das Fußballherz begehrt. Lohnt sich ein Besuch? SPOX-Redakteur Stefan Petri war vor Ort und hat sich umgeschaut.

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"Ganz typisch fürs Museum ist die Tatsache, dass es komplett unterschätzt wird. Die Leute denken, sie gucken sich hier drei Schuhe und fünf Trikots an und das war's dann", verrät Ann Kathrin Weber, während sie durch das Deutsche Fußballmuseum führt.

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Ann Kathrin ist einer der Tourguides im Museum, deutlich zu erkennen an einem grünen Nationalmannschafts-Shirt. Einen Tag nach dem 1:1 der DFB-Elf in Düsseldorf gegen Spanien hat sie sich bereit erklärt, mich durch die fleisch- bzw. betongewordene Schatzkammer der deutschen Fußballgeschichte zu lotsen - wobei, die Schatzkammer, die gibt es in diesem modernen Gebäude direkt neben dem Dortmunder Hauptbahnhof ja wirklich. Kommt aber erst später.

Zuvor gibt es schließlich eine ganze Menge zu sehen. Nach einer Führung im Schnelldurchgang, die trotzdem fast eineinhalb Stunden dauert, verstehe ich, dass so mancher unterschätzen kann, was ihn - oder sie, schließlich beträgt der Frauenanteil unter den Besuchern rund 30 Prozent - erwartet. 1.600 Exponate, verteilt auf knapp 8.000 Quadratmeter Fläche, dazu kommen nicht wenige Quadratmeter Bildschirm. Mehrere Tage würde es dauern, sich wirklich alles anzuschauen, sagt Ann Kathrin: "Wir haben allein 26 Stunden Videomaterial ..."

Ob sie mittlerweile alles davon gesehen hat? Seit Juni 2015 ist sie dabei und kennt das Museum dementsprechend wie die nicht vorhandene Westentasche an ihrer Arbeitskleidung. Schließlich wurde erst im Oktober 2015 eröffnet.

Fußballmuseum: Inspiriert und finanziert durch die Heim-WM 2006

Warum dauerte es so lange, bis eine Republik voller Fußballtempel endlich einen der eigenen Vergangenheit gewidmeten Schrein ins Leben rief?

Die Idee gab es schon länger. Eine Sonderausstellung zum 100. Geburtstag des DFB mit genau einem Exponat pro Bestehungsjahr lockt im Jahr 2000 viermal so viele Zuschauer wie erwartet ins Oberhausener Gasometer - das Interesse war also da. Später kam das Sommermärchen 2006 und mit ihm die Verpflichtung, einen Teil der Einnahmen in ein gesamtgesellschaftliches Projekt zurückfließen zu lassen. Interesse plus Finanzierung gleich Museum.

Wieso Dortmund und nicht Berlin oder Frankfurt oder gar der Müncher Marienplatz? Dann wäre immerhin die Schale in Griffweite.

Es sei schnell klar gewesen, dass das Museum ins Ruhrgebiet kommen soll. Berlin hat schon zu viele Museen und im Pott sind immerhin fast ein Drittel der 26.000 Vereine unter dem DFB beheimatet. Dortmund bekommt den Zuschlag, weil die Location, der ehemalige Busbahnhof im Herzen der Stadt, am Ende nicht zu schlagen ist.

Eine Ausstellung wie ein Fußballspiel

Einen Vorteil hat die lange Entstehungsgeschichte, den man als Besucher wohl nicht auf den ersten Blick wahrnimmt: Das Gebäude "ist das einzige Haus in Europa, das um eine Ausstellung herumgebaut wurde", verrät Ann Kathrin. Zuerst kam die Konzeption der Ausstellung, erst dann die perfekt darauf abgestimmte Hülle.

Und so betreten die rund 250.000 Zuschauer im Jahr nicht nur eine Ausstellung, sondern gleichzeitig ein klassisches Fußballspiel: Warm-Up im Foyer, dann der "Spielertunnel", eine Treppe an einem Fußball-Wimmelbild vorbei, die nach oben in die erste Halbzeit führt. Diese widmet sich der Nationalmannschaft, die zweite Hälfte deckt den Vereinsfußball ab.

Unterbrochen wird das Ganze natürlich von einer klassischen Pause, statt Standpauke gibt es allerdings ein paar Minuten 3D-Kino über den WM-Titel 2014. Moderiert unter anderem von Manuel Neuer, Toni Kroos und Thomas Müller, auswendig gelernt und vorgetragen mit dem schaurig-schönen Charme einer Grundschulaufführung.

Was ist eigentlich das Gegenteil von "Weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen"? Zu sehen gibt es in Dortmund alles und noch mehr, da reichen auch 90 Minuten mit großzügig bemessener Nachspielzeit nicht. Drei bis dreieinhalb Stunden sind die meisten Besucher da, Rückspiel also inklusive.

Fußballmuseum: Orginal-Ausstellungsstücke und magische Momente

Empfangen wird man vom Original-Endspielball von 1954 aus dem Nachlass Sepp Herbergers, und schon weiß man, dass hier nicht gekleckert, sondern geklotzt wird. Die Mütze von Helmut Schön ist da, neben dem Trikot von Gerd Müller 1974 und dem Elfmeterpunkt des Stadio Olimpico von 1990, später von Musikproduzent Frank Farian ersteigert und in Acryl gegossen. Oliver Bierhoffs Schuhe von 1996 sehen schon wieder verdammt alt aus, und Doris Fitschen hat drei Teile eines ominösen Kaffeeservice zur Verfügung gestellt. Da war doch was.

Zwischendurch wird es immer wieder interaktiv. Ein Fußballquiz gehört genauso zur Ausstattung wie eine Kommentatorenkabine und ein Schiri-Bereich, bei dem man selbst auf Foul entscheiden muss. Wer will, kann sich das legendäre Faber-Trikot des VfL Bochum überstreifen und ein Foto machen.

Plötzlich wird es dunkel. Zeit für einen "Magic Moment": An großen Videowänden werden alle 15 Minuten magische Momente der Nationalmannschaftsgeschichte abgespielt, alles bleibt stehen und guckt, erinnert sich, sieht zum ersten Mal - ein Gemeinschaftserlebnis, das explizit gewünscht ist. Stadionatmosphäre im Museum.

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Später gibt es im Bundesliga-Bereich übrigens das Tor von Jay-Jay Okocha zu sehen, gegen einen gewissen Titanen. "Da, muss ich sagen, hat Kahn bei mir an Ansehen gewonnen, als er hier war und das gesehen hat", schmunzelt Ann Kathrin. "Er konnte auch selbst ein bisschen über sich lachen. Er sagte, dass er damit ja Geschichte geschrieben hat, insofern ..."

Ausstellungsstücke im Fußballmuseum: Auch Götzes Schuh ist da

Die letzten Weltmeisterschaften scheinen fast vollständig an den Dortmunder Bahnhof verfrachtet worden zu sein. Ein originalgetreuer Nachbau der Hotelbar im Campo Bahia? Joachim Löws blauer Strenesse-Pullover? Taktikvarianten von Hansi Flick, der Zettel mit dem stolpernden Müller inklusive? Check, check und nochmals check. Natürlich gibt es auch jede Menge Trikots, Medaillen und Fußballschuhe, und auch den Finalschuh von Mario Götze. Ungebürstet vom Zeugwart einkassiert. Allerdings ist es "nur" der rechte, den linken hatte Götze für zwei Millionen Euro versteigern lassen.

Das Haus ist nach dem IKEA-Prinzip aufgebaut: Einfach weitergehen und man kommt überall vorbei. Verlaufen kann man sich also nicht. Verlieren in der deutschen Fußballgeschichte schon. 17 Minuten Originalkommentar vom Finale 1954 in Dauerschleife - die nehm' ich noch mit!

Monitore mit WM-Spielen in voller Länge, der eine oder andere soll dabei auch schon eingeschlafen sein. Eine Kabine mit allen WM-Songs und den passenden Videos dazu. Okay, dabei schläft niemand ein.

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