Common-Goal-Gründer Jürgen Griesbeck im Interview über Juan Mata und die Anfangszeit

Juan Mata ist Mitbegründer von Common Goal
© Common Goal
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SPOX: Gibt es eine vertragliche Vereinbarung zwischen Spielern und Common Goal?

Griesbeck: Die Zusammenarbeit basiert auf einem Gentlemen's Agreement. Verpflichtend wird es hoffentlich irgendwann durch eine Reglementierung, die aber gar nicht durch uns selbst geschehen würde. Dazu muss sich die Fußball-Industrie entschieden, dass das Geschäft auch mit 99 Prozent des Umsatzes funktioniert. Und auch die 99 Prozent sind ja relativ bei industrieweit circa zehn Prozent jährlichem Wachstum. Wenn sich das in der Industrie durchsetzen würde, könnten 300 oder 500 Millionen Euro wirksam eingesetzt werden.

SPOX: Birgt diese ungebundene Basis nicht eine große Gefahr?

Griesbeck: Auch wenn die Qualität durch die Spenden deutlich gesteigert werden kann, hängt bei keiner der Organisationen die Existenz von Common Goal ab. Würde ein Juan Mata nächstes Jahr keinen Vertrag mehr erhalten, würden andere Spieler einspringen oder der Organisation stünde weniger Geld zur Verfügung. Und wie gesagt, heute sind es Spieler, morgen sind es auch Berater, TV-Gelder und Sponsoren.

SPOX: Wie wird entschieden, welche Projekte die Spieler unterstützen?

Griesbeck: Seit August bilden wir den Fonds, aus dem ab Januar dann Geld in die Projekte fließt. Wenn sich etwa Juan Mata verpflichtet, ein Prozent seines Gehalts zu investieren, nennt er uns seine geografischen und sozialen Präferenzen. Daraufhin stellen wir ihm zwei oder drei Projekte genauer vor, das kann von Geschlechtergleichberechtigung in Asien über Obdachlosigkeit in New York oder Jugendarbeitslosigkeit in Europa bis hin zur Gesundheit in Afrika oder dem Friedensprozess zwischen Israel und Palästina gehen.

SPOX: Welches Projekt unterstützt Common Goal dort?

Griesbeck: Den befeindeten Jugendlichen wird die Möglichkeit zum Fußballspielen gegeben und so bauen sie eine andere Mensch-zu-Mensch-Beziehung zueinander auf. Nicht jeder auf der anderen Seite ist ein Terrorist, will dich an der Grenze erschießen oder eine Bombe auf dein Haus werfen. Wir wollen ein anderes Verständnis für die Friedensbildung in der Region schaffen und damit auch zeigen, dass ernsthafte Veränderungen nur gemeinsam erreicht werden. Dafür kann der Fußball als Metapher und Ausbildungsstätte dienen und als gutes Beispiel vorangehen.

SPOX: Die Projekte sind teilweise in gefährlichen Gegenden. Wie stark sind die Spieler selbst eingebunden?

Griesbeck: Das ist unterschiedlich. Juan Mata beispielsweise ist in viele Prozesse eingebunden, andere gehen nicht ins Detail - und das ist ein Teil des Zwecks. Die Teilnehmer sollen ihrer sozialen Verantwortung nachkommen, ohne dass es kompliziert wird.

SPOX: Wie können Sie den Spielern garantieren, dass das Geld auch tatsächlich bei wohltätigen Projekten ankommt?

Griesbeck: Einerseits stehen wir mit unserer Geschichte dafür, andererseits liefern wir ein Reporting, das unser 90-Prozent-Versprechen dokumentiert. 90 Prozent der Gelder kommen lokal an, zehn Prozent werden sowohl für die Qualitätssicherung der Investitionen als auch für die Abwicklung des Geldtransfers benötigt. Die 90 Prozent sind ein gewagtes Versprechen, deshalb sind wir auf Co-Investitionen angewiesen.

SPOX: Die Spieler selbst stellen nur einen Teil des Fußball-Geschäfts dar. Klopfen Sie für diese Co-Investitionen bereits bei Vereinen an?

Griesbeck: Wir selbst gehen nicht auf andere Stakeholder zu, aber mittlerweile zeigen Stiftungen, Ministerien und Wirtschaftspartner Interesse daran, sich an ausgewählten Projekten zu beteiligen. Mit der UEFA hatten wir zuvor ein langjähriges Arbeitsverhältnis und so hat sich der nächste Schritt mit Aleksander Ceferin angeboten.

SPOX: Neben der UEFA haben Sie auch bereits mit der FIFA zusammengearbeitet und bei der Corporate-Social-Responsibility-Strategie Football for Hope mitgewirkt. Die FIFA und streetfootballworld - wie kam es dazu?

Griesbeck: Bei der WM 2006 haben wir das erste streetfootballworld Festival veranstaltet und der FIFA unsere Arbeitsweise vorgestellt. Diese hat sie überzeugt und wir haben dabei geholfen, ihre CSR-Strategie aufzubauen, die dann unter dem Banner Football for Hope an den Start ging. Wir haben es unter anderem geschafft, dass die FIFA ein jährliches Budget zur Verfügung stellt, das nicht über die Verbände, sondern direkt an lokale Organisationen fließt. Wir nehmen die Ausschreibung vor, evaluieren die Projekte und sprechen der FIFA eine Empfehlung aus. Außerdem ist Football for Hope inzwischen integraler Bestandteil des Confederations Cup und der Fußball-Weltmeisterschaft, das heißt die soziale Dimension des Fußballs ist nun in die größten Fußballfeste integriert. Die FIFA kann stolz sein auf dieses in der Fußball-Welt ziemlich einzigartige CSR-Projekt.

SPOX: Können Sie es nachvollziehen, dass es kritische Stimmen wegen der Zusammenarbeit mit der FIFA gibt?

Griesbeck: Klar. Und auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind, arbeiten wir mit den Möglichkeiten, die die Strukturen jeweils aktuell bieten und versuchen damit, positiv Einfluss auf die Entwicklungen zu nehmen. Die FIFA hat in den letzten zehn Jahren weit über 50 Millionen Euro mit großer Qualität in die soziale Entwicklung investiert. Wir sehen das pragmatisch. Ich höre auch immer wieder die Kritik, dass die Spenden von der Steuer abgesetzt werden. Auch hier habe ich eine andere Meinung.

SPOX: Warum?

Griesbeck: Steuern bezahlen und spenden schließt sich ja nicht gegenseitig aus. Dass Spenden steuerlich absetzbar sind, ist Teil der Rechtsprechung der jeweiligen Länder. Wenn die Spieler ihre Steuern erklären und das soziale Engagement berücksichtigt wird, agieren sie wie jeder andere Bürger auch. Und wenn jemand in Deutschland seine Steuern zahlt, sein Geld aber im Sinne der Spende in Nigeria eingesetzt wird, halte ich das für zeitgemäß. Wir leben in einer Welt, die angesichts der globalen Problemstellungen nicht von nationalen Grenzen dominiert werden sollte.

SPOX: Andere sprechen von einem "Ablasshandel des Fußballs". Was halten Sie dagegen?

Griesbeck: Nehmen wir mal an, dass der Fußball irgendwann ein Prozent seines Umsatzes nachhaltig einsetzt und damit einen wesentlichen und vor allem strukturell verankerten Beitrag zur Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit leistet. Wäre es schlimm, wenn man es Ablasshandel nennt? Ob die Motivation Ablasshandel oder Überzeugung heißt, spielt für mich eine nachgeordnete Rolle. Hauptsache am Ende passiert soziale Wirkung.