Dominiert, aber nicht dominant

Lewis Hamilton und Mercedes bejubeln den Konstrukteurstitel in der Formel 1
© getty

Mit der Punkteausbeute beim Großen Preis der USA hat Mercedes seinen Titel in der Konstrukteursweltmeisterschaft erfolgreich verteidigt. Der Triumph ist in gewisser Weise historisch und erinnert auf den ersten Blick an die Dominanz der Vorjahre. Doch der vorzeitige Titelgewinn täuscht: Ganz so locker ging es für Lewis Hamilton und Co. diesmal nicht zu Werke.

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Was sich vor dem Rennen in Austin abspielte, war amerikanische Show-Kultur in seiner Reinform. Cheerleader bejubelten in kurzen Röcken und mit Pompons bewaffnet die Piloten, die einzeln über einen roten Teppich schreitend die Startaufstellung betraten. Boxansager-Ikone Michael Buffer ("Let's get ready to rumble") rief mit dem oft zitierten Satz "Gentlemen, start your engines" die Teams dazu auf, die Motoren zu starten. Und Sprint-Legende Usain Bolt nahm nur Sekunden vor dem Start seine berühmte Pose direkt vor dem Formel-1-Feld ein.

Ja, ein besseres Ambiente für den Gewinn einer Weltmeisterschaft konnte es nicht geben. Doch war es nicht Lewis Hamilton, der an diesem Sonntag den Fahrer-Titel vorzeitig perfekt machte, sondern sein Rennstall Mercedes, der sich zum vierten Mal in Folge zum besten Hersteller im schnellsten Zirkus der Welt krönte.

575 Punkte haben die Silberpfeile nach 17 Rennen auf ihrem Konto und damit 147 mehr als der nächste Verfolger Ferrari. Ein Vorsprung, der ihnen in drei Grands Prix nicht mehr zu nehmen ist. Und ein Indiz dafür, dass Mercedes nach wie vor das Maß der Dinge ist.

Elf Rennen gewannen Hamilton und Valtteri Bottas bisher in diesem Jahr und liefern damit eine Siegquote von fast 65 Prozent. Hinzu kommen zwölf Pole Positions und zahlreiche schnellste Rennrunden. Zum Vergleich: Ferrari fuhr in Person von Sebastian Vettel lediglich vier Mal auf den obersten Podestplatz und ebenso häufig auf Startplatz eins.

Ferrari und Red Bull haben auf Mercedes aufgeholt

"Hut ab", lobte Aufsichtsratschef Niki Lauda das Team gegenüber Sky und hob seine rote Kappe vom Kopf: "Die vierte Meisterschaft hintereinander zu gewinnen, ist eine super Leistung. Die Motivation ist nach wie vor hoch, doch der vierte Titel war bis jetzt der schwierigste."

In der Vorsaison gewannen die Stuttgarter noch 19 von 21 Rennen, viele davon mit einem Doppelsieg. Auch 2014 und 2015 dominierte Silber nach Belieben. Und in diesem Jahr? Da holte sich Mercedes zwar erneut vorzeitig den Titel - eine Tatsache, die eine Fortsetzung der puren Dominanz vermuten lässt -, doch waren Ferrari und zuletzt auch Red Bull näher dran. Ja, an einigen Rennwochenenden stellten die Italiener sogar das bessere Auto auf den Asphalt.

Der reine Speed des Mercedes war zwar immer noch überlegen, doch die Balance, das Reifenverständnis und das Gesamtpaket sprachen häufig für Ferrari. Nicht umsonst führte Vettel die Fahrer-WM bis zum Italien-GP im September an.

Mercedes nutzt Ferraris Schwächen optimal

Dass die Formel 1 am Ende des Tages dann doch ganz in Silber glänzt - der vierte Titel für Hamilton ist wohl nur noch eine Frage der Zeit - hat mehrere Gründe.

Ein Faktor: Ferraris Technikpannen auf der Asien-Tour. In Singapur, Malaysia und vielleicht auch in Japan hatten Vettel und Kimi Räikkönen Siegchancen, gingen teilweise sogar als Favoriten ins jeweilige Rennwochenende. Doch ein kaputter Turbolader, eine defekte Zündkerze und ein unnötiger Startunfall sorgten für eine mittelschwere Katastrophe bei dem so stolzen Traditionsrennstall aus Maranello und ließen die WM endgültig aus den Händen gleiten.

Mercedes hingegen machte das, was man gemeinhin als "das Maximum herausholen" bezeichnet. Patzte die Konkurrenz, war man zur Stelle. Lief im eigenen Lager nicht alles nach Plan, betrieb man stets größtmögliche Schadensbegrenzung. Ohne also wirklich zu dominieren, fuhr Mercedes dominant zum nächsten Titel - und das in einem Jahr, in dem tiefgreifende Aerodynamik-Änderungen die Titelverteidigung so schwierig wie nur möglich machten. Nicht wenige sahen vor der Saison schließlich Red Bull oder auch Ferrari in der Favoritenposition.

Mercedes: Mit Teamwork historisch gut

"Wir haben vor und nach einer Regeländerung gewonnen - das hat es in unserem Sport bisher noch nicht gegeben", stellte daher auch Motorsportchef Toto Wolff fest: "Das ist uns gelungen, weil jedes Teammitglied alles gegeben hat, um Performance zu finden. Die Pace und die Standfestigkeit haben uns zum Konstrukteursweltmeister gemacht. Ferrari hat richtig dagegengehalten, daher fühlt es sich diesmal doppelt gut an."

Der Schlüssel zum Erfolg, da war sich auch Lauda kurz nach dem Triumph in Austin sicher, lag im Teamwork. "Das Geheimnis ist, dass das Team wie ein gutes Puzzle aufgestellt wurde. Jeder passt zum anderen", sagte der Österreicher.

Hamilton brilliert, Bottas schwächelt

Doch bei allem Jubel, bei aller Freude werden die Verantwortlichen schon bald wieder die Finger in die Wunde legen. Denn ist ein Erfolg erreicht, wird im selben Moment auf die nächste Aufgabe geschielt. Und die dürfte im kommenden Jahr nicht leichter werden. "Da wird es noch heißer", prophezeite Wolff mit Blick auf Ferrari und Red Bull.

Sollte das Verfolger-Duo 2018 tatsächlich weiter aufschließen können, wird es noch mehr auf die Fahrer ankommen. Um Hamilton muss man sich dabei im Mercedes-Lager keine Sorgen machen. Der Engländer glänzte nicht nur mit seinem Sieg beim US-GP, sondern läuft schon seit der Sommerpause in Höchstform auf.

Ganz anders der Teamkollege: Seit seiner Vertragsverlängerung befindet sich Bottas im Tief. Die letzte Podiumsplatzierung datiert aus dem September, von Hamiltons Boliden sieht der Finne, der in Austin lediglich Fünfter wurde, mittlerweile nicht einmal mehr die Rücklichter. Beide Parteien müssen sich etwas für das nächste Jahr überlegen.

Doch nun gilt es erst einmal, die Saison 2017 erfolgreich abzuschließen. "Ein Titel ist gewonnen, der andere ist noch immer offen. Jetzt muss es unser Ziel sein, die Füße auf dem Boden zu behalten und auch die nächsten drei Rennen zu gewinnen", gab Wolff die Parole für die nächsten Wochen aus.

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