Silberner Sinneswandel

Vettel gewann den Großen Preis von Bahrain vor Hamilton und Bottas
© getty

Ferrari-Pilot Sebastian Vettel hat beim Großen Preis von Bahrain nicht nur seinen zweiten Saisonsieg in der Formel 1 eingefahren, sondern bei Konkurrent Mercedes auch für ein radikales Umdenken gesorgt. Zum Leidwesen von Valtteri Bottas.

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Valtteri Bottas war der gefeierte Mann. Zum ersten Mal ließ er als Mercedes-Pilot Teamkollege Lewis Hamilton im Qualifying hinter sich. Zum ersten Mal in seiner Formel-1-Karriere fuhr er auf Pole Position - als fünfter Finne überhaupt nach Keke Rosberg, Mika Häkkinen,Kimi Räikkönen und Heikki Kovalainen.

Es war die perfekte Reaktion auf den Fauxpas beim China-GP, als sich Bottas beim Reifenaufwärmen hinter dem Safety Car drehte und anschließend viel Spott über sich ergehen lassen musste. Er zeigte seinen Kritikern auf dem Bahrain International Circuit, dass er mit Hamilton mithalten oder ihn sogar schlagen kann.

Weil das Qualifying dabei mit der Winzigkeit von 23 Tausendstelsekunden entschieden wurde, machte sich Mercedes auf einen harten Kampf seiner beiden Fahrer im Rennen gefasst. Einen Kampf, der laut Motorsportchef Toto Wolff zwar bestimmte Verhaltensregeln mit sich trage, im Grunde aber frei sei.

"Wir hatten schon immer die Einstellung, beiden Fahrern eine echte Chance auf den Fahrertitel zu geben und bei diesem System bleiben wir auch, bis einer rechnerisch nicht mehr in der Lage ist, die Meisterschaft zu gewinnen. Dabei berücksichtige ich auch, dass sie hart gegeneinander fahren", stellte Wolff klar.

"Das war ein superharter Call"

Das war am Samstag. Nur rund 24 Stunden später schien die Marschrichtung dann plötzlich um 180 Grad gedreht.

"Halte Lewis nicht auf", lautete der eindeutige Funkspruch an Bottas. Der Rosberg-Nachfolger reagierte, nahm wie gewünscht Gas weg und ließ Hamilton vorbei. Teamorder bei Mercedes? Ein Novum.

"Das ist wahrscheinlich das härteste, was man als Rennfahrer hören kann", zeigte sich Bottas auf der Pressekonferenz nach dem Rennen geknickt. Und Wolff erklärte bei Sky: "Das war ein superharter Call. Wir haben das all die Jahre nicht gemacht, aber man muss sich irgendwann entscheiden, verlierst du das Rennen oder nimmst du den schnelleren Mann vor. Das haben wir dann gemacht, aber es macht keinen Spaß."

In der Tat: Hamilton hatte zum Zeitpunkt der Teamorder eine reelle Siegchance - im Gegensatz zu Bottas, der schon zu Rennbeginn mit zu hohem Reifendruck zu kämpfen hatte. Mit deutlich frischeren Gummis jagte der Engländer im letzten Stint dann den führenden Sebastian Vettel und war dabei zum Teil fast zwei Sekunden pro Runde schneller als der Ferrari-Pilot. "Da die Autos auf unterschiedlichen Reifenmischungen unterwegs waren, mussten wir die harte und unpopuläre Entscheidung treffen", begründete Wolff die Herangehensweise.

Zwar war Hamiltons Aufholjagd am Ende nicht von Erfolg gekrönt - Vettel siegte vor den beiden Silberpfeilen und machte sich damit wieder zum alleinigen WM-Führenden -, doch war das in der besagten 48. Runde noch nicht final abzusehen. "Wenn es soweit ist, dass der Rennsieg in Gefahr ist, werden wir immer das tun, was notwendig ist, um ihn doch zu holen", führte Wolff weiter aus.

Ferraris Stärke sorgt für Umdenken

Es mag kurios klingen: Die Erzrivalen Rosberg und Hamilton ließ Mercedes über vier Jahre mehr oder weniger frei gewähren, das eigentlich friedliche Fahrerpaar Bottas-Hamilton wird hingegen schon nach wenigen Rennen an der kurzen Leine gehalten. Doch es gibt einen klaren Grund für den silbernen Sinneswandel - und der heißt Ferrari.

Während Mercedes die vergangenen drei Jahre scheinbar mühelos dominierte und von einem WM-Titel zum nächsten raste, hat man nun echte Konkurrenz im Kampf um die Konstrukteursmeisterschaft. Vor allem im Rennen wissen die roten Renner zu überzeugen, waren sowohl in Australien als auch in Bahrain schneller. "Ferrari hat alles richtig gemacht, hat zur richtigen Zeit gestoppt und daher verdient gewonnen", erkannte Aufsichtsratsvorsitzender Niki Lauda die Leistung der Scuderia gegenüber Sky Sports F1 an.

Die Stuttgarter können es sich also schlicht nicht mehr leisten, Punkte wegen des internen Duells liegen zu lassen. Man sieht sich gezwungen, einen Fahrer zu bevorteilen und es damit wohl Ferrari gleichzutun. Bei den Italienern hat Vettel die Nase deutlich vorn, Räikkönen wirkt im roten Lager zurzeit eher wie ein Statist.

Ob es bei Mercedes bereits eine dauerhafte Rollenverteilung gibt? Darüber lässt sich nur mutmaßen. In Bahrain war es jedenfalls Hamilton, der ganz offensichtlich den Status der Nummer eins innehatte. Möchte Bottas, dass dies kein Dauerzustand wird, muss er bei den nächsten Grands Prix dringend punkten. Die Pole am Samstag hat gezeigt, dass der Mann mit der Startnummer 77 Hamiltons Tempo mitgehen kann, doch im Rennen fehlt (noch) das entscheidende Quäntchen.

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