Egoismus statt Teamspirit

Angespannte Atmosphäre, Kapitel 3: Lewis Hamilton erwiderte in China Nico Rosbergs Attacke
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Die ungefährdete Fahrt zum Sieg von Weltmeister Lewis Hamilton langweilte einige Fans. Dabei offenbarte der Große Preis von China, dass Mercedes die Formel 1 nicht mehr nach Belieben dominieren kann. Weil Sebastian Vettel gefährlich war, opferten die Silberpfeile die Siegchancen von Nico Rosberg, der sich öffentlich über seinen Teamkollegen aufregte.

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Der Deutsche verspielte einmal mehr seine Siegchance schon im Qualifying. Er machte sich am Samstag falsche Hoffnungen, durch ein stärker aufs Rennen ausgelegtes Setup seinen Teamkollegen abzufangen. Er wollte Hamilton attackieren. Doch damit hätte er einen neuerlichen Ferrari-Triumph riskiert.

Während die Silberpfeile die ersten beiden Plätze beim Start verteidigten, machte es sich Vettel als Dritter gemütlich. Er folgte den Silberpfeilen mit wenigen Sekunden Abstand. Er attackierte nicht. Aber er bedrohte sie. Trotzdem war Vettel eine Gefahr.

Die Silberpfeile nahmen Tempo raus, um die soften Slicks über die Dauer der ersten beiden Stints zu bringen. Bei Vettel traten keine Probleme auf, er fuhr so schnell es ging. Hamilton verringerte sein Tempo im zweiten Stint sogar soweit, dass Rosberg ein Überholmanöver des Ferrari-Piloten fürchtete und über Funk vom Team forderte, dass der Weltmeister schneller fährt.

Mini-Eklat auf der Pressekonferenz

"Es ging heute nur darum, den Vorsprung zu kontrollieren und die Reifen zu schonen", sagte Hamilton, was seinen Teamkollegen aufregte. "Es ist interessant, von dir zu hören, dass du vorne nur an dich selbst gedacht hast", sagte der Vizeweltmeister, als er bei der Pressekonferenz direkt neben ihm saß.

Was Rosberg störte: Er musste dasselbe Tempo fahren wie Hamilton. "Unnötigerweise hat das mein Rennen beeinträchtigt. Langsamer zu fahren als nötig, bedeutete, dass Sebastian unnötig nah dran war und ich viel Zeit verloren habe, weil ich ihn covern musste", erklärte Rosberg.

Allison: "Die Reifen hätten länger durchgehalten"

Zwei Mal probierte Ferrari, Vettel mit einem Undercut an Rosberg vorbeizubringen. "Es war die Variante, mit der wir am meisten Druck ausüben konnten", erklärte Technikdirektor James Allison bei Sky die überraschend frühen Stopps: "Die Reifen hätten noch länger durchgehalten."

Beide Abfangversuche mit früheren Stopps und anschließenden Runden auf neuen, schnelleren Reifen scheiterten. Rosberg musste dadurch aber jeweils direkt in der Folgerunde an die Box, damit er nicht zurückfällt. Seine Siegchancen wurden dadurch geopfert. "Meine Reifen sind am Ende wegen der längeren Stints den Bach runter gegangen", erklärte er.

Hamilton interessiert Rosberg nicht

Die Szenerie erinnerte ein wenig an die Stunden nach dem Belgien-GP 2014 - nur mit umgekehrter Rollenverteilung. Nach dem Crash zwischen beiden Mercedes-Piloten warf der spätere Weltmeister Rosberg vor, er habe ihn absichtlich gerammt. Dieses Mal war es der Deutsche, der Hamilton Absicht unterstellte. Den Engländer ließ das allerdings kalt.

"Es ist nicht mein Job, mich um Nicos Rennen zu kümmern. Mein Job ist, das Auto zu kontrollieren und so schnell und heil nach Hause zu bringen wie möglich. Das habe ich getan", so Hamilton: "Ich habe nichts absichtlich gemacht, um die Autos hinter mir einzubremsen. Ich habe mich nur auf mich selbst konzentriert. Wenn Nico vorbei gewollt hätte, hätte er es versuchen können. Hat er aber nicht."

Das Problem: Hätte Rosberg seinen Teamkollegen attackiert, hätten beide Zeit verloren und die Reifen stärker beansprucht. Der Nutznießer wäre der auf Fehler lauernde Ferrari-Pilot gewesen. Er stellte sich also in den Dienst des Teams, statt seine eigenen Interessen bedingungslos zu verfolgen.

Mercedes kann zufrieden sein

Seine Chefs dürfen zufrieden sein. 40 Punkte Vorsprung in der Herstellerwertung sind nach drei Rennen ein mehr als befriedigender Zwischenstand. Doch Rosberg muss sich die Frage stellen, ob ihm das reicht. Wenn Hamilton sich nicht um die Situation seines Partners schert, warum soll er dann für ihn arbeiten?

Sicher ist: Mercedes wird ihn bei diesem Kampf nicht unterstützen. Die beiden Fahrer dürfen auf der Strecke weiterhin frei fahren. Doch taktische Winkelzüge, um am eigenen Teamkollegen in der Box vorbeizukommen, wird es nicht geben. Die von den Computern als optimal errechnete Strategie wird durchgezogen.

"Wenn man den Luxus von etwas mehr Abstand hat und sicher einen Doppelsieg einfährt, dann kann man eine andere Strategie fahren, die eigentlich weniger optimal ist und ihm eine kleine Chance für einen Sieg gegen seinen Teamkollegen gibt", führte Mercedes-Technikchef Paddy Lowe bei Sky aus: "Heute gab es keinen Spielraum dafür. Wir mussten den besten Plan mit beiden Autos fahren."

Hamilton von Pole fast unschlagbar

Rosberg bleiben also nur wenige Möglichkeiten, um wieder an die Spitze zu kommen: Überholmanöver auf der Strecke mit mehr Risiko oder ein besseres Qualifying. Hamilton gewann von den letzten neun Rennen, in die er vom ersten Platz startete, fabelhafte acht.

Solange das nicht passiert, kann sich Hamilton weiter entspannen. Gerade, wenn er den Teamkollegen als Puffer zu den Ferraris hinter sich weiß. In China setzte er das perfekt um. Er war in jeder einzelnen Session der schnellste und er machte am Sonntag nur das, was nötig war.

Pole Position, schnellste Rennrunde und den Sieg gab es trotzdem. Zum fünften Mal in seiner Karriere schaffte der Engländer einen Hattrick und zog so mit Fernando Alonso gleich. Vettel ist der einzige Pilot aus dem aktuellen Feld, der noch häufiger diesen Erfolg verbuchen konnte.

Mercedes klärt Angelegenheit

Ganz nebenbei überholte er seine Jackie Stewart und Jim Clark bei der Anzahl der meisten Führungsrunden und schob sich an die sechste Stelle der Bestenliste. "Wir haben hier einen Doppelsieg eingefahren. Es sollte nichts geben, um aggressiv zu werden", resümierte Hamilton.

Rosberg sah das anders. "Natürlich wird es darüber eine Diskussion geben", so der 29-Jährige: "Was mich aufregt: Wir haben genau das vor dem Rennen durchgesprochen." Motorsportdirektor Toto Wolff berichtete später jedoch über eine freundliche Atmosphäre im Debriefing. "Er hat das nicht absichtlich gemacht. Wir haben das jetzt geklärt", gab der Österreicher zu Protokoll.

Hamilton habe nichts über die Abstände gewusst: "Er hat nichts falsch gemacht, aber wir waren nah dran, per Funk einzugreifen, um die Pace zu erhöhen." Zwar wolle Mercedes seinen Piloten weiter den direkten Kampf ermöglichen, jedoch steht der Erfolg des Teams darüber. Nico hatte einfach Pech. Er war in seiner Situation gefangen", schloss Wolff das Thema ab.

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