Formel 1 - Sebastian Vettel verpasst Podest in Spanien: Zeit für Verschwörungstheorien

Mercedes holte sich beim Spanien-GP einen Doppelsieg und führt nun die Formel-1-WM an.
© getty

Sebastian Vettel hat das Podium beim Großen Preis von Spanien wegen eines zusätzlichen Boxenstopps verpasst. Was nach einem herben Strategie-Fehler von Ferrari aussah, war laut Vettel ein unvermeidbarer Schritt. Doch hinter dem Mysterium steckt viel mehr: Reifen-Wirrungen in der Formel 1 und Verschwörungstheorien gegen Mercedes und Pirelli.

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"Das war verschenkt, wirklich schwach von Ferrari. Die haben es völlig verhauen, ich glaub's einfach nicht", übte RTL-Experte Nico Rosberg harte Kritik. Gerade hatte die Scuderia Sebastian Vettels Sieg beim China-GP aus der Hand gegeben. Ferrari versäumte es beim Rennen Mitte April, Vettel früher an die Box zu holen und so einen Undercut von Bottas zu verhindern.

Wenige Wochen später, beim Großen Preis von Aserbaidschan, lief die italienische Taktik-Abteilung erneut nicht auf Hochtouren. Mit einer nicht zu Ende gedachten Strategie gab man die Führung und damit letztlich Sieg und Podium an Mercedes ab.

Die allgemeine Erstmeinung zu den Geschehnissen am Sonntag war daher nicht wirklich überraschend: Ferrari vergeigte mit Vettels zweitem Boxenstopp in der 41. Runde abermals ein Rennen, warf ihn von Platz zwei auf vier zurück. Und Zuschauer wie Experten rätselten, warum das Team um Chefstratege Inaki Rueda Vettel unnötigerweise zum Reifenwechsel hereinholte. Die direkte Konkurrenz blieb ja wie gehabt auf der Strecke.

Reifenstrategie beim Spanien-GP:

Fahrer (Team)Stint 1 (Reifensatz)Stint 2 (Reifensatz)Stint 3 (Reifensatz)
Lewis Hamilton (Mercedes)25 Runden (Soft)41 Runden (Medium)-
Valtteri Bottas (Mercedes)19 Runden (Soft)47 Runden (Medium)-
Max Verstappen (Red Bull)34 Runden (Soft)32 Runden (Medium)-
Sebastian Vettel (Ferrari)17 Runden (Soft)24 Runden (Medium)25 Runden (Medium)

Warum wechselte Sebastian Vettel nochmal die Reifen?

Der erste Lösungsansatz: Ferrari fiel auf Mercedes' Bluff herein. Die silber gekleideten Mechaniker eilten aus ihrer Garage heraus und täuschten so einen zweiten Stopp an. Bottas auf viel frischeren Reifen? Das war den Roten zu heikel.

Der zweite Lösungsansatz: Man ging davon aus, mit neuen Pneus so schnell zu sein, dass man Bottas gegen Rennende wieder überholen würde. Daniel Ricciardos Auftritt in China, als er mit derselben Idee zum Sieg fuhr, könnte als Vorbild gedient haben.

"Sie haben wahrscheinlich gedacht, dass der frischere Reifen besser ist als die Track-Position", glaubt Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff deshalb an letzteres Szenario: "Das ist ein bisschen ein Gamble in diesem Jahr. Wir haben den Fehler auch schon gemacht." Auch Ex-Formel-1-Fahrer Alexander Wurz vermutete im ORF, dass sich Ferrari "offensichtlich verschätzt" habe.

Tatsächlich wäre der Plan einer Aufholjagd zum Rennende bei einem Vorsprung von gerade einmal 1,8 Sekunden auf Bottas vor dem Stopp ohnehin ein gewagtes Unterfangen gewesen. Dass der Stopp auch noch misslang, ewige 5,6 Sekunden dauerte und Vettel hinter Max Verstappen warf, riss das springende Ferrari-Pferd dann erst recht gen Boden.

Sebastian Vettel: "Natürlich sieht es falsch aus"

Wäre es also nicht viel klüger gewesen, auf den zweiten Halt zu verzichten? Immerhin gilt der Circuit de Barcelona-Catalunya als überholfeindlich. Selbst mit abgenutzten Reifen hätte sich Vettel womöglich gut gegen Bottas verteidigen können.

Nein, sagte der 30-Jährige und gab nach dem Rennen Aufschluss: "Das war für uns die bessere Strategie. Für uns wäre ein Ein-Stopp-Rennen keine Option gewesen, weil wir schon das ganze Wochenende Probleme mit den Reifen hatten." Das Virtual-Safety-Car, das zu besagtem Zeitpunkt aktiviert war, gab Ferrari also die Möglichkeit, zumindest weniger Zeit als üblich beim Gummitausch zu verlieren.

"Natürlich", führte Vettel weiter aus, "sieht es anders und falsch aus. Aber wenn man die Hintergründe kennt, ist klar, dass es richtig war". Ob sich der viermalige Weltmeister mit diesen Aussagen nur schützend vor sein Team stellte oder ob seine Reifen tatsächlich am Ende waren, wissen nur er und Ferrari selbst. Interessant in diesem Zusammenhang: Die Rundenzeiten zeigen Vettel nicht deutlich langsamer als zum Beispiel Bottas hinter ihm.

Neue Reifen wecken die Verschwörungstheoretiker

Über der ganzen Reifenproblematik von Ferrari schwebt aber noch etwas ganz anderes: Pirellis Modifizierungen vor dem Rennen in Spanien. Im Vergleich zu den Winter-Testfahrten in Barcelona hat der italienische Hersteller die Lauffläche seiner Reifen um 0,4 Millimeter dünner und pro Stück um ein Kilogramm leichter gemacht. Man fürchtete, dass die Gummis sonst nicht das Rennen überstanden hätten.

"Pirelli wollte Blasenbildung vermeiden und hat das erfolgreich geschafft", erklärte Wolff den Ansatz des neuen Rundstücks, das auch noch beim Frankreich- und England-GP zum Einsatz kommen soll. Dass Mercedes die größten Probleme mit Blasenbildungen hatte und ausgerechnet jetzt so dominant fuhr wie die gesamte Saison noch nicht, weckte die in der Formel 1 so zahlreich vorhandenen Verschwörungstheoretiker. Die Reifen seien nur geändert worden, um Mercedes wieder zu stärken, heißt es in den konspirationsliebenden Kreisen.

"Unsinn", meint Wolff bei RTL und reagierte nach dem Stuttgarter Doppelsieg von Hamilton und Bottas mit Ironie. Der neue Asphalt sei auf der spanischen Strecke auch nur auf Mercedes' Wunsch hin verlegt worden. Und die kühlen Temperaturen am Sonntag hätte man ohnehin beim lieben Herrgott da oben bestellt.

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