Ein wenig stand Nico Rosberg auch Stunden nach dem Unglück noch unter Schock. "Natürlich hatte ich Angst. Ich habe einfach nur meine Augen geschlossen und gebetet. Und ich hatte Glück", sagte der deutsche Formel-1-Pilot und fügte mit leiser Stimme an: "Sergio hatte leider weniger."
Knapp vier Stunden, nachdem Rosberg in seiner Heimatstadt Monaco ("An dieser Stelle fahre ich mit dem Privatauto jeden Tag vorbei") ausgangs des Hafentunnels in die Leitplanken geknallt war und die Begrenzungsmauer dabei um Zentimeter verfehlt hatte, schlug der Mexikaner Sergio Perez bei einem nahezu identischen Crash seitlich in der Mauer ein.
"Sergios Unfall habe ich mir noch nicht angesehen", sagte Rosberg sichtlich bewegt: "Und ich weiß auch noch nicht, ob ich es irgendwann tun werde."
Erinnerung an Karl Wendlinger
Der heftige Unfall des 21-Jährigen bei seinem erst sechsten Formel-1-Qualifying schob nicht nur eine neuerliche Sicherheitsdiskussion an - Weltmeister Sebastian Vettel bezeichnete das Unglück als "Weckruf" - er weckte auch schlimme Erinnerungen an den verheerenden Crash von Karl Wendlinger.
Vor allem bei Peter Sauber. Der Schweizer war 1994 Wendlingers Teamchef, als der Österreicher gegen dieselbe Mauer geknallt war und anschließend wochenlang im Koma gelegen hatte. Die Emotionen seien am Samstag gleich zweimal hochgekommen, berichtete Sauber.
So richtig würde es ihn wohl erst nach der Rückkehr aus Monaco erwischen, "aber das war schon heavy für mich", sagte Sauber: "Schon bei Rosbergs Unfall kam alles hoch. Dass es dann noch dicker kommen würde, hätte nicht sein dürfen. Und dann war alles noch so ähnlich. Diese drei Unfälle hätte man fast wie eine Schablone übereinanderlegen können."
Mit 100 km/h gegen Mauer
Am Ende kam Perez trotz des Startverbots glimpflich davon, Gehirnerschütterung und Oberschenkelprellung lautete die Diagnose. Für solche Einschläge - erst mit geschätzten 270 km/h in die Leitplanke, dann mit mindestens noch 100 km/h seitlich in die Begrenzungsmauer - fast ein Wunder.
Doch zunächst hatten Sauber und der mit bangem Blick in der Box mitzitternde Vater Antonio Perez das Schlimmste befürchten müssen. Auf Nachfrage per Boxenfunk, ob er okay sei, hatte Perez junior zunächst keine Antwort gegeben. Die Bergungsarbeiten wurden mit Sichtschutz-Tüchern vor den Blicken der Fans und den TV-Kameras geschützt. Zu sehen waren nur die Helfer, die nach ersten Blicken auf das Autowrack direkt aufgeregt umherrannten.
Keine Kontaktaufnahme möglich
"Der Strom war sofort weg, deshalb konnten wir keinen Kontakt aufnehmen", berichtete Peter Sauber: "Wir haben dann relativ schnell aus dem Krankenhaus erfahren, dass es ihm gut geht." Aus dem Hospital Princesse Grace von Monaco ließ Pérez noch ausrichten, er wolle unbedingt das Rennen fahren, schließlich hatte er mit Platz zehn seinen besten Startplatz erreicht. Die Ärzte legten aber ihr Veto ein.
Dennoch hatte der Mexikaner Glück im Unglück, und natürlich gab es anschließend Diskussionen über die Sicherheit. "Heute würde ein solcher Kurs nicht mehr akzeptiert werden", sagte Renault-Pilot Nick Heidfeld. Monaco wird wegen der großen Tradition jedoch nicht aus dem Kalender verschwinden, der Vertrag läuft noch zehn Jahre.
Sicherer als vor 17 Jahren
Aber, und das ist die erfreulichste Erkenntnis nach dem Schock, die Boliden sind deutlich sicherer geworden. "Die Autos sind nicht mehr zu vergleichen mit denen von vor 17 Jahren", sagte Sauber: "Das Chassis hatte überhaupt nichts, nicht einmal eine Delle. Und das ist auch der Grund, dass er keine schweren Verletzungen hat."
Außerdem, so ergänzte Sky-Experte Marc Surer, sei die Tector-Mauer deutlich weicher als zu Wendlingers Zeiten. "Das war Sergios großes Glück", meinte er: "Denn sonst hätte es schlimm enden können. Er ist seitlich eingeschlagen, das ist eigentlich das Schlimmste, was einem Rennfahrer passieren kann."
Fahrerlager unter Schock
Neben dem Auto und der Mauer war es vielleicht aber auch ein wenig Heidfeld, der dem Mexikaner das Leben rettete. Nach seinem Unfall hatte Rosberg verlangt, an der betreffenden Stelle zwei Bodenwellen zu entfernen. Der Weltverband FIA setzte es in der Mittagspause um, Perez knallte relativ flach in die Mauer. Vielleicht sein großes Glück.
Der Schock im Fahrerlager saß dennoch tief. "Es wirft immer einen Schatten, wenn man sieht, dass einer der Kollegen aus dem Auto gezogen wird", sagte Vettel nach seiner Fahrt auf die Pole Position.
Rosberg glaubt, dass er bei seiner täglichen Fahrt an der Unfallstelle vorbei keine Déja-vu-Erlebnisse haben wird. "Es ist ja glimpflich ausgegangen", sagte er. Perez' Unfall wird er sich dennoch wohl nicht ansehen.
Die Formel-1-Termine 2011