Don't call it Krise

John Bryant und die Bayern erleben derzeit Tage zum Haare raufen
© getty

Gegen Bremerhaven endete die fünf Spiele andauernde Niederlagenserie des FC Bayern München, doch es war ein äußerst glücklicher Erfolg gegen einen krassen Außenseiter. Die Probleme des deutschen Vize-Champs haben auch den guten Auftakt in der Euroleague zunichtegemacht. Dort kämpft die Mannschaft nun als Tabellenfünfter ums Überleben und hofft, gegen Khimki Moskau (ab 18 Uhr im LIVETICKER) die Wende zu schaffen.

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"Gott sei Dank ist nichts gerissen, er konnte trainieren", sagte Coach Svetislav Pesic. Die Rede war von Paul Zipser. Der deutsche Nationalspieler war am Wochenende umgeknickt und drohte, gegen Khimki auszufallen. Das hätte gerade noch gefehlt. Schließlich sind mit Dusko Savanovic (Knie), Alex Renfroe (Hüfte) und Nihad Djedovic (Fuß) bereits drei Schlüsselspieler angeschlagen - nicht gerade die beste Voraussetzung vor dem wichtigen Euroleague-Spiel in Moskau.

Denn zusätzlich zu den Verletzungen macht den Bayern ein ganz anderes Problem zu schaffen: Sie haben ihre Form verloren. Zuletzt musste Pesics Team wettbewerbsübergreifend fünf Pleiten in Serie hinnehmen. Das ist nicht nur bei den großen Spartennachbarn vom Fußball ein Problem. Auch beim FCBB gibt es dafür eigentlich nur ein Wort: Krise. Doch davon will Coach Pesic nichts wissen.

Wie ausgewechselt

Alles begann mit der knappen Niederlage in Madrid. Gegen Real führte München vier Minuten vor dem Ende noch mit 10 Punkten, nur um die Partie in der Schlussphase noch aus der Hand zu geben. Seitdem spielte Pesics Team wie ausgewechselt und das Schlamassel nahm seinen Lauf.

Wo vorher noch Leichtigkeit, Kaltschnäuzigkeit und Zuversicht regierten, schwebte fortan eine dunkle Wolke. Gegen Roter Stern Belgrad bekamen die Spieler im heimischen Audi Dome aufgrund der vielen mitgereisten serbischen Fans das ultimative Zitterhändchen. Aber nicht nur die Offensive stockte - die Verteidigung zeigte gegen das ständige Pick-and-Roll der Gäste regelrecht Auflösungserscheinungen.

Das Spiel bei Fenerbahce war nach dem katastrophalen ersten Viertel (10:30) quasi gelaufen. Gegen die tief besetzte Truppe war der Rückstand nicht mehr aufzuholen. Ein erzürnter Coach Pesic schnauzte seine Spieler an und funktionierte sein Taktikboard zum Wurfgeschoss um.

Abwärts

Aber nicht nur in der Euroleague haben die Bayern ihren guten Auftakt in den letzten Wochen verspielt. Auch in der BBL rutschte der FCB nach zwei Pleiten bis auf Rang acht der Tabelle ab. Gegen Frankfurt konnte München am Ende keine Schippe mehr drauf legen, um die enge Partie für sich zu entscheiden. Bei Tabellenführer Alba Berlin gewann der FCB nicht ein einziges Viertel.

Dass die Niederlagenserie am vergangenen Sonntag in Bremerhaven riss, hat Bayern Jannik Freese zu verdanken. Die Eisbären waren das bessere Team und hatten das Spiel eigentlich im Sack, doch dann versagten dem Big Man der Norddeutschen an der Linie die Nerven. Er setzte zwei entscheidende Freiwürfe auf den Ring, die es K.C. Rivers ermöglichten, das Spiel in die Overtime zu schicken. Dort behielt der FCB schließlich die Oberhand.

Aber auch der Dreier zum Ausgleich trug eher das Prädikat "Glück des Untüchtigen". Der erste Wurf von Djedovic verfehlte sein Ziel, dann landete der Ball nach einer Verkettung verunglückter Rebounds zufällig in den Händen von Rivers, der sich drehte und einfach abdrückte.

Kritik an Big John

Der Sieg kaschierte die Probleme, die unter der Oberfläche schwelen. Da wäre vor allem die Kritik an John Bryant, eigentlich Starting Center der Münchener. "Er hat mehr geweint als gespielt", verteidigte Pesic die geringe Einsatzzeit des zweifachen BBL-MVPs: "Und wenn ein Spieler - aus welchem Grund auch immer - nicht in der Lage ist, seine Leistung zu bringen, dann gibt es andere Spieler."

Interessanterweise lässt sich die FCB-Schwäche aktuell kaum an einer Statistik festmachen. Die Bayern punkten nicht schlecht, sie treffen nicht schlecht, sie rebounden nicht schlecht, sie bereiten nicht schlecht für ihre Mitspieler vor. Die Probleme liegen in der Defensive - und im Kopf.

In der Crunchtime fehlt es den Akteuren an Selbstbewusstsein, lediglich K.C. Rivers übernimmt hin und wieder Verantwortung auf dem Feld. Regelmäßig ließen sich die Bayern in der Endphase die Butter vom Brot nehmen. Die Anspannung ist allgegenwärtig.

Don't call it Krise

In der ohnehin aufgewühlten Atmosphäre sorgte das für zusätzlichen Zündstoff. Dennoch bemühte sich Pesic, die Wogen zu glätten. Vor dem Eisbären-Spiel wollte er nicht von einer Krise sprechen. Und das trotz der längsten Pleitenserie seit dem Aufstieg in die BBL. Nach dem auf dem Papier positiven Ergebnis gegen Bremerhaven sieht er weiterhin keinen Grund dazu.

Die schlechte Tabellensituation kann auch auf den frühen Zeitpunkt der Saison geschoben werden, schließlich hat der FCB nur zwei Niederlagen weniger auf dem Konto als Spitzenreiter Berlin. Doch auch Pesic räumt ein, dass der Druck für die Spieler durch den glücklichen Sieg in Bremerhaven nicht kleiner geworden ist.

"Es ist auch für unsere Spieler nicht einfach, mit der Verantwortung und den Erwartungen umzugehen", so der Coach: "Einigen gelingt das besser, anderen weniger." Wenn das derzeit schon gegen einen um den Klassenerhalt kämpfenden BBL-Klub zum Problem wird, wie soll es dann gegen einen Final-Four-Aspiranten der Euroleague aussehen?

"Ich erwarte, dass wir unser Spiel steigern", sagte Pesic: "Khimki ist eines der besten Teams Europas." Mit vier Siegen und zwei Niederlagen rangieren die Russen auf Rang zwei der Vorrundengruppe A, eine der Pleiten hat ihnen übrigens der FCB im Hinspiel zugefügt.

Hartes Restprogramm

Bayern belegt nach der Talfahrt nur noch Rang fünf, der gleichbedeutend mit dem Ausscheiden wäre. Vor den Münchenern liegen noch vier Partien, drei davon in fremder Halle. Keine leichte Aufgabe für Bryce Taylor und Co.

Mindestens zwei Erfolge sind Pflicht, dabei sind die Duelle mit dem heimstarken Strasbourg und dem frenetisch unterstützen Belgrad nicht zwangsläufig die einfachsten. Real Madrid empfängt der FCB zwar zu Hause, doch der Titelverteidiger hat nach seinem schwachen Start einiges gut zu machen.

"Wir brauchen jetzt einen Sieg, und wir wissen, dass wir auch gegen einen so starken Gegner wie Khimki gewinnen können", sagt Forward Deon Thompson.

Nein, nicht können. Eher müssen.

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