Seit Sommer bezeichnet sich die Austria auf Plakaten als Österreichs Rekordchampion. Argumentiert wird dies damit, dass man es seit der Einführung einer gesamtösterreichischen Liga ab 1949/50 auf 21 Meistertitel brachte, Rapid jedoch nur auf 16.
Rekordmeister-Debatte entbrennt erneut
Davor wurden Titelträger von 1911 bis 1949 über eine niederösterreichische Meisterschaft, nach der Eigenständigkeit des Wiener Verbandes über eine Wiener Liga oder während des Anschlusses an Nazi-Deutschland über eine Gauliga ermittelt. In dieser Zeit war das Niveau der Teams aus der Bundeshauptstadt weit über allen Mannschaften aus den anderen Bundesländern angesiedelt, weshalb die damaligen Champions lange als österreichische Meister angesehen wurden. Nach dieser Rechnung hätte Rapid 32 und die Austria 24 Titel.
Noch vor einem Jahr bezeichnete sich die Austria auf ihrer Website als 24-facher österreichischer Meister und zählte dabei auch die Titel aus den Jahren 1924, 1926 und 1949 dazu. Dies bedeutete wiederum im Umkehrschluss die Anerkennung der Titelgewinne der Hütteldorfer vor 1950 und damit deren Bestätigung als Rekordchampion. Mittlerweile ist auf dem Internetauftritt der Favoritner zu lesen, die Austria sei "mit 21 österreichischen Meistertiteln (seit 1949/50) auch österreichischer Rekordmeister". Die drei Triumphe davor werden unter "regionale Meistertitel" geführt.
Peschek: "Rapid ganz klar Rekordmeister"
Für Rapids Wirtschafts-Geschäftsführer Christoph Peschek gibt es dennoch keinen Grund, am Status der Hütteldorfer als Rekordchampion zu zweifeln. "Zunächst sind mir die Plakate gar nicht aufgefallen. Als ich dann darauf angesprochen wurde, dachte ich, es ist ein Satireprojekt, denn Rapid ist ganz klar Österreichs Rekordmeister", sagte Peschek der APA.
Die Motivation der Austria ist für den 33-Jährigen leicht erklärt. "Ich führe das darauf zurück, dass der Lokalrivale sehr darum bemüht ist, Aufmerksamkeit zu generieren", meinte Peschek auch mit Hinweis auf die deutlich geringeren Zuschauerzahlen und der in Umfragen ausgewiesenen niedrigeren Beliebtheitswerte der "Veilchen".
Doch auch die Austria wähnt sich laut Wirtschafts-Vorstand Markus Kraetschmer in der Rekordmeister-Frage im Recht. "Wir sehen uns als gesamt-österreichischer Rekordmeister, haben uns daher so positioniert. Bis jetzt konnte man nicht das Gegenteil beweisen", erklärte der violette Club-Boss.
Die Austria bekommt in ihrer Darstellung zumindest teilweise Unterstützung von Sporthistoriker Matthias Marschik. "Aus rein rechtlichen Gründen hat die Austria recht", sagte Marschik der APA, gab jedoch zu bedenken: "Wenn man es im gewohnheitsrechtlichen Sinne betrachtet, würde ich sagen, Rapid hat Recht, weil es jahrzehntelang als unwidersprochen gegolten hat, die Meistertitel vor 1950 als österreichische Meistertitel zu zählen."
Rapid sträubt sich gegen Studie
Marschik könnte demnächst vom ÖFB damit beauftragt werden, das Streitthema wissenschaftlich aufzuarbeiten, wie ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer erklärte. "Der ÖFB nimmt seine Vergangenheit ernst und ist sich seiner diesbezüglichen Verantwortung bewusst. Aber wenn eine Studie kommen sollte, dann nur im Einvernehmen mit allen hauptsächlich beteiligten Vereinen", betonte Hollerer.
Dazu zählen noch einige andere Clubs, für die es massive Folgen hätte, sollte die Austria-Version der heimischen Meister-Historie hochoffiziell werden. Die Admira etwa holte vor 1950 sieben ihrer acht Meistertitel, die Vienna fünf ihrer sechs. Der jüdische Club Hakoah, Champion von 1925, würde gänzlich aus Österreichs Meisterliste verschwinden.
Auch deshalb sieht Peschek keine Veranlassung für eine derartige Studie. "Wir halten eine wissenschaftliche Aufarbeitung für nicht notwendig, weil völlig klar ist, dass wir Rekordmeister sind, wie auch zahlreichen Publikationen zu entnehmen ist. Wenn aber das ÖFB-Präsidiumsmitglied Kraetschmer den ÖFB dazu bewegt, eine Studie in Auftrag zu geben, sehen wir das sehr gelassen, weil das Ergebnis nur sein kann, dass Rapid Rekordmeister ist." Eine Aussage, die bei Kraetschmer Stirnrunzeln hervorruft. "Eine solche Studie war in keinem Gremium ein Thema, das ich vorgebracht habe. Da gibt es überhaupt keinen Antrieb von meiner Seite."
Der Vorstand der Austria-AG sprach von einer Überlegung, die rein der ÖFB für sich anstellt. "Wenn es diese Studie nicht geben sollte, dreht sich die Welt auch weiter", betonte Kraetschmer. Peschek sieht seinen Verein indes durch Expertisen "entsprechend gewappnet", sollte der Auslegung des Stadtrivalen im Fall des Falles recht gegeben werden: "Doch ich gehe nicht davon aus, dass Marschik zu anderen Ergebnisse kommen würde als andere führende Experten auf diesem Gebiet."
Der Sporthistoriker selbst beobachtet die Differenzen zwischen den Erzrivalen mit einem gewissen Amüsement. "Der Austria ist es gelungen, gute PR zu machen und Aufmerksamkeit zu schaffen. Vielleicht ist es aber auch nur ein Hinweis darauf, wie sehr die beiden Wiener Vereine im österreichischen Mittelmaß stecken, dass sie auf solche PR-Aktionen angewiesen sind", vermutete Marschik.