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Top 5: Die wichtigsten Erkenntnisse aus Woche 10 in der NFL

Aaron Rodgers zeigte nach schwachen Wochen bei Green Bays OT-Sieg in Dallas eine überragende Leistung.
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2. Sind die Minnesota Vikings jetzt ein Titelanwärter?

So wild es war, so absurd es war, so häufig es aus Sicht der Vikings scheinbar schon durch war - in gewisser Weise war das komplett verrückte Spiel gegen die Bills doch ein Vikings-Spiel, wie so viele während des 6-Siege-Runs ebenfalls. Nicht im gleichen Ausmaß des Wahnsinns, aber durchaus, was den grundlegenden Verlauf angeht.

Der fast schon gewohnt gute Start, nur um dann offensiv in ein Loch zu fallen und dann doch wieder ins Spiel zurück zu kommen. Ein paar glückliche und kritische Turnover, ein paar Big Plays im entscheidenden Moment. Diesen Film haben wir von Minnesota jetzt schon so häufig gesehen, mit besserem Ausgang fast immer für die Vikings.

Cousins hatte gegen Buffalo eine hässliche Interception, bei der er einen offenen Receiver über die Mitte einfach überwarf. Er hätte mindestens eine weitere in der ersten Hälfte haben können, und der Fumble von Bills-Back Devin Singletary war mindestens mal haarscharf vorbei an Down by Contact: Die Refs blieben erst nach minutenlangem Video-Studium beim ursprünglichen Fumble-Call.

Die zweite Interception von Cousins war ein Wurf, der unter Druck den Ball direkt zur Defense ging. Von Turnover-Glück oder -Pech kann man hier kaum sprechen, das war schlicht und ergreifend ein desolates Play von Cousins.

Die Minnesota Vikings und die verrückten Momente

Und gleichzeitig geht die Vielzahl an verrückten Plays in diesem Spiel schon fast in ihrer eigenen Masse unter. Dass Von Millers Sack dieses Spiel eigentlich hätte beenden sollen. Dass die Bills das Spiel an der eigenen Goal Line schon beendet hatten. Dass Buffalo mit noch 10:45 auf der Uhr im Schlussviertel Second-and-2 an Minnesotas 7-Yard-Line hatte - und den Drive dennoch ohne Punkte beendete.

Und natürlich, dass Justin Jefferson den mutmaßlichen Catch des Jahres in diesem Spiel ablieferte.

Jefferson ist vielleicht auch der beste Ansatzpunkt, um ein wenig den Übergang ins Big Picture hinzubekommen. Denn was Jefferson am Sonntag spielte, war nicht von dieser Welt. Es war ein weiteres Spiel dieser Saison, das Jefferson starke Argumente dafür unterstrich, sich als bester Receiver in dieser Saison zu bezeichnen. Ich würde ihn und Tyreek Hill aktuell auf den geteilten ersten Platz setzen.

Das macht Jefferson aber auch zu dem zentralen Unterschiedsspieler in Reihen der Vikings. Er ist derjenige, der für Minnesota eine Partie an sich reißen kann. Der gerade in diesen Spielen gegen die Schwergewichte der NFL Minnesota eine Chance gibt, auch mal ein paar Gramm über der eigenen Gewichtsklasse zu boxen.

Denn Minnesota war während seiner Siegesserie vor diesem eindrucksvollen Sieg in Buffalo ein Team, das gut spielte, aber nicht mehr als das. Das auch deshalb regelmäßig in sehr engen Spielen war und ein Team wie Arizona mehrfach einlud, die Partie nochmals auszugleichen. Das beinahe gegen Taylor Heinicke und Washington verloren hätte und das auch gegen die Bears ganz spät die Partie noch gewinnen musste.

Und die Vikings haben all diese Spiele gewonnen, das sollte nicht untergehen! Doch Skepsis blieb: Viele enge Spiele zu gewinnen, in denen man einzelne kritische Turnover bekommt und maßgeblich auch deshalb gewinnt, weil der Gegner Fehler macht, ist eine Basis, bei der man auch mit einem sehr guten Record in der Prognose skeptisch sein sollte.

Minnesotas Offense muss sich steigern

Gegen die Bills war das Run Game längst nicht zum ersten Mal in dieser Saison lange gar kein Faktor - bis Dalvin Cook den Ball 81 Yards zum Touchdown trug. Der längste Touchdown-Run gegen die Bills seit 2012! -, während die Vikings-Front häufig keinen Zugriff fand.

Und Minnesotas Defense spielt in meinen Augen schon an ihrem realistischen Ceiling. Was nicht heißt, dass sie dieses Level nicht auch etwa in einem Playoff-Run abrufen kann. Aber man kann es eben auch nicht Woche für Woche erwarten. Es ist gut, dass Minnesota von der Defense solide Leistungen mit einzelnen Spikes nach oben bekommen kann. Aber das kann nicht die Identität für die Vikings sein.

Dass die Offense in der Lage ist, in so ein Spiel auf diese Art und Weise zurückzukommen, ist der eigentliche Hinweis darauf, wo das Ceiling für dieses Team liegen kann.

Der nächste Schritt muss darin liegen, der Offense einen höheren Floor zu geben. Mehr Konstanz auch außerhalb der Early-Game-Scripts und der wilden 4th-Down-Comebacks. Besseres Interior-Line-Play, ein besseres Run Game. Damit die Ausnahme-Spiele von Jefferson mehr noch on Top kommen und einen starken Floor weiter nach oben schrauben. Besseres Verhalten von Cousins unter Druck und gegen den Blitz.

Ermutigend ist hier schon jetzt, dass Minnesota zuletzt vertikaler auftrat. Jefferson hat in den letzten beiden Spielen so viele tiefe Targets (20+ Air Yards) bekommen, wie in den ersten acht Wochen der Saison zusammengenommen. Dass der Offense das vertikale Elemente fehlte, war über die ersten Wochen deutlich sichtbar. Wenn Minnesota das jetzt nachhaltig adressieren kann, wird das die Vikings so viel gefährlicher machen.

Was ist für die Minnesota Vikings dieses Jahr möglich?

Wohin also kann das alles führen?

Es gibt in der NFC nicht allzu viele Teams, die Minnesota auf die gleiche Art und Weise herausfordern können, wie es die Bills können - selbst ohne mehrere Starter in der Secondary. Philadelphia wäre das NFC-Äquivalent, und gegen die Eagles ging Minnesota früh in der Saison baden.

Das Spiel gegen die Bills hat untermauert, dass die Vikings oben mitspielen können, und manchmal muss man bei Minnesota fast konstatieren: Je wilder, je verrückter das Spiel verläuft, desto größer ist die Chance, dass Minnesota einen der Top-Titelanwärter ärgern und auch schlagen kann. Und Glück gehört irgendwo immer dazu, in diesen Spielen umso mehr.

Ich habe bei Minnesota gerade in diesen Spielen nach wie vor den Eindruck, dass die Vikings diese "verrückten" Spiele und das Glück in den entscheidenden Momenten noch mehr brauchen als die Teams, die ich in den engsten Contender-Kreis zählen würde. Nicht, dass der Sieg gegen die Bills unverdient gewesen wäre: beide Aussagen können zutreffen.

Wie Minnesota gegen die Bills zurückkam und wie Justin Jefferson das Spiel an sich riss, hat meine Wahrnehmung der Vikings in jedem Fall ein wenig verändert. Vielleicht dahingehend: Statt "good, not great" sind die Vikings "very good, not great".

Ein Team, das seine Division und auch ein Playoff-Spiel gewinnen kann, für einen tiefen Playoff-Run müsste aber schon sehr, sehr viel perfekt laufen. Aber auch: Ein Team das diesen Run zumindest in sich haben könnte. Was es in den erweiterten Contender-Kreis setzt.

Und letztlich muss man sich dann, wenn wir Richtung Playoffs blicken, auch fragen: Traut man Kirk Cousins diese Spiele zu, die es vom Quarterback braucht, um tief in die Postseason vorzudringen?