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Die Offense der Kansas City Chiefs unter der Lupe: Eine simple Idee mit schweren Geschützen

SPOX-Redakteur Adrian Franke blickt vor Super Bowl 54 im Detail auf die Offense der Kansas City Chiefs.
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Das vertikale Passspiel: Big Play galore!

Tight End, Kurzpassspiel, Red-Zone-Designs - gut möglich, dass der eine oder andere auf diesen Artikel geklickt und ein Big-Play-Feuerwerk erwartet hat. Das ist gefühlt das, was man mit Kansas City vor allem in Verbindung bringt und wofür Mahomes bereits seit College-Tagen maßgeblich zu stehen scheint.

Tatsächlich warf er in der Regular Season allerdings gerade einmal 13 Prozent seiner Pässe 20 Yards oder weiter. In den Playoffs ging der Wert noch dramatisch runter, unter allen Playoff-Quarterbacks belegt er in dieser Kategorie den vorletzten Platz mit einer Quote von 8,6 Prozent.

PFF-Analyst Timo Riske hat in einem ausführlichen Artikel unter anderem ebenfalls darüber geschrieben; Mahomes wirft nicht nur wenig tief, auch seine durchschnittliche Target-Tiefe auf alle Würfe berechnet ist relativ niedrig. Und das obwohl KC in beiden Spielen zum Teil deutlich zurücklag. Es spricht für eine gewisse Ruhe bei Mahomes sowie ein Vertrauen in Reids Play-Calls und in die eigenen Fähigkeiten.

Wenn er dann aber mal ins vertikale Passspiel geht, ist vor allem eine Sache extrem auffällig: Die Effizienz. Mahomes hat in den beiden Playoff-Spielen sechs Pässe über mehr als 20 Yards geworfen. Davon kamen vier an, eine der beiden Incompletions war ein Drop. Zwei der vier Completions waren Touchdowns.

Das Deep Passing Game der Chiefs: Speed Kills

Und diese Erkenntnis ist keineswegs neu. In totalen Zahlen hatten elf Quarterbacks in der Regular Season mehr tiefe Pässe geworfen als Mahomes (63). Doch kein Quarterback kam in puncto Deep-Passing-Touchdowns an Mahomes ran, 13 Touchdowns legte der Vorjahres-MVP mit tiefen Pässen auf. Kein anderer Quarterback kam auf mehr als elf.

Wieso sind die Chiefs hier so gut? Auch auf die Gefahr hin, dass sich diese Tatsache wiederholt: Man kann die Geschwindigkeit in dieser Chiefs-Offense und die Probleme, die das für eine Defense mitbringt, kaum oft genug betonen.

In der oben abgebildeten Szene sind die Chiefs in einem langen Third Down. Die Chargers, eine andere Defense, die in der Cover-3 ihre Wurzeln hat, spielen Single-High-Coverage, um die Routes vor sich zu halten und Mahomes möglichst kein Fenster zum First Down zu geben.

Das Problem dabei? Die beiden Comeback-Routes von Kelce und Hill binden zwei Verteidiger auf der rechten Seite (aus Sicht der Offense) etwas näher Richtung Line of Scrimmage. Derweil kommt von der linken Seite insbesondere Speedster Mecole Hardman mit Tempo in eine tiefe Crossing Route.

Das zwingt den tiefen Safety aus seiner Backpedal-Bewegung erst nach vorne umzukehren und dann noch selbst Speed aufzunehmen, um mit Hardman mitzuhalten - ein hoffnungsloses Unterfangen. Mahomes trifft Hardman für 30 Yards, das nächste Play war ein 24-Yard-Touchdown auf Robinson, mit dem die Chiefs in jenem wichtigen Week-17-Spiel erstmals in Führung gingen.

49ers: Mehr Split Safeties gegen die Chiefs?

Vielleicht stellt sich der ein oder andere jetzt die Frage: Könnte San Francisco nicht mehr Split-Safety-Sets (zwei tief postierte Safeties statt einem, die sich den tiefen Bereich des Feldes in zwei Zonen aufteilen. Cornerbacks spielen in der Regel näher Richtung Line of Scrimmage) gegen die Chiefs spielen, um die Big Plays zu verhindern?

Möglich wäre das, doch haben die Niners zumindest bislang in dieser Saison kaum einmal 2-High-Safeties gespielt. Aber: Im letzten Aufeinandertreffen beider Teams in der 2018er Regular agierten die 49ers hier merklich anders, spielten 12,5 Prozent ihrer Zone-Snaps in Cover-2.

Doch natürlich ist auch das kein Allheilmittel; die Zone Coverage, die grundsätzlich gut gegen diese Chiefs-Offense funktioniert, wurde bislang nicht gefunden.

Ein Beispiel, nochmal aus dem Chargers-Spiel:

Viereinhalb Minuten vor dem Ende führten die Chiefs mit drei Punkten und hatten das nächste lange Third Down. Eine Niederlage hier hätte die kompletten Playoffs umgeworfen, die Patriots hätten den Nummer-2-Seed gehalten, die Chiefs hätten bereits in der Divisional Round auswärts spielen müssen.

Die Chargers deuteten Pre-Snap zunächst eine weitere Single-High-Coverage an, schwenkten dann aber nach dem Snap in einen Split-Safety-Look um. Dabei zogen beide Safeties auffällig weit nach außen - offensichtlich weil eine Tampa-2-Variante gespielt werden sollte, wobei der Linebacker die tiefe Mitte des Feldes besetzen soll.

Der bemitleidenswerte Drue Tranquill bekam so die zweifelhafte Ehre, Tyreek Hill bei einer Go-Route aus dem Slot 30 Yards das Feld runter zu verfolgen. Kurz darauf machten die Chiefs mit einem kurzen Touchdown den Deckel auf diese Partie.

Tyreek Hill zu verfolgen ist ohnehin eine der undankbarsten Aufgaben was Coverages in der NFL angeht. Hill ist nicht einfach nur schnell, er hat auch einen exzellenten Release, und wenn er Eins-gegen-Eins-Duelle ohne tiefe Safety-Absicherung bekommt - was schneller mal passiert als man denken würde - kann man davon ausgehen, dass Mahomes dieses Matchup auch sucht und findet.

Wie häufig spielen die 49ers Man Coverage?

San Francisco stand in der Regular Season auf Rang 12 nach DVOA gegen tiefe Pässe; womöglich also ein Ansatz für die Chiefs, zumal Kansas City gegen die Zone Coverages der Niners gezielt auch Cornerback Richard Sherman "umgehen" kann. Hill und Hardman können aus dem Slot, Outside oder notfalls auch aus dem Backfield vertikal attackieren.

Insbesondere gegen Zone ist die Chiefs-Offense in aller Regel extrem gefährlich. Die berechtigte Gegenfrage lautet aber immer: Hat eine Defense die Coverage-Qualität, um gegen KC Man zu spielen? San Francisco hat neben Sherman einen guten Slot-Corner in K'Waun Williams sowie gute Safeties in Jimmy Ward und Jaquiski Tartt. Doch schon Tartt ist in Coverage nicht gerade eine Top-Lösung, Nummer-2-Corner ist ein noch größeres Fragezeichen.

Eine Defense, die über die letzten beiden Jahre zumindest teilweise gegen die Chiefs mit ihrer Man Coverage standhalten konnte, waren die Patriots - doch selbst die in der Secondary glänzend besetzten Pats kassierten bei jedem Aufeinandertreffen mehrere Big Plays.

Das Problem auch guter Secondaries ist nämlich: Selbst wenn man vertikal ein Double-Team hat, kann Kansas City gewinnen. Hills langer Touchdown gegen Denver etwa kam einmal gegen Chris Harris - seines Zeichens einer der besten Cornerbacks der Liga - inklusive Safety-Hilfe dahinter. Hill schlug mit seiner Route beide.

Die hier dargestellte Szene zeigt den 48-Yard-Touchdown von Hardman gegen die Patriots; sie ist exemplarisch ausgewählt, weil man vergleichbare Muster von den Chiefs gegen Cover-1 regelmäßig beobachten kann.

Dabei wird Hill oder Hardman entweder auf einer Seite isoliert, oder darf aus dem Slot vertikal angreifen. Die anderen Routes sind darauf ausgelegt, den tiefen Safety möglichst lange zögern zu lassen, ehe er eine Entscheidung trifft.

In dem Fall passiert genau das: Der tiefe Safety macht einen Schritt nach links und zögert kurz, sodass Hardman ein Eins-gegen-Eins-Duell hat. Als der Ball bei ihm ankommt, ist der Safety so weit weg, dass Hardman den Ball fangen und neu Speed aufnehmen kann, um den Safety aussteigen zu lassen.