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NBA - Die Oklahoma City Thunder leiten mit voller Kraft den Rebuild ein: Wie OKC ein Erfolgsmodell kopieren will

Shai Gilgeous-Alexander bekam in der Offseason die Schlüssel zur Thunder-Franchise überreicht.
© getty

Die Ära Chris Paul bei den Oklahoma City Thunder ist nach nur einem Jahr schon wieder vorbei. Genau wie die von Dennis Schröder, Danilo Gallinari und Steven Adams. Mit einem Rundumschlag hat General Manager Sam Presti in der Offseason den kompletten Rebuild eingeleitet. Er hofft, dass es genauso gut läuft wie bei seinem ersten Versuch.

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"Wir wollen einen Prozess initiieren und einen Plan in Gang setzen, der in langanhaltendem Erfolg resultieren wird." Mehr als 13 Jahre ist dieses Zitat mittlerweile alt. Es stammt aus dem Mund von Sam Presti, von seiner Antrittspressekonferenz als General Manager der Seattle SuperSonics im Juni 2007.

So stellte der damals 30-Jährige und damit mit Abstand jüngste GM der Liga die Fans auf ein paar schwierige Jahre ein, die auf die Franchise zukommen würden. Der von Presti initiierte "Prozess" sah einen kompletten Neuaufbau vor. Oder anders formuliert: eine Menge Niederlagen.

Schon nach wenigen Wochen im Amt machte Presti seine Ankündigungen wahr, er verschiffte Ray Allen (nach Boston) und Rashard Lewis (nach Orlando) - die zwei besten Scorer der Vorsaison - und sicherte sich im Draft an Position 2 einen gewissen Kevin Durant. Das Team stürzte sich in den Tabellenkeller, um eine neue Zukunft aufzubauen. Nach Spielzeiten mit 35 und 31 Siegen folgte nach Prestis Übernahme 2007 eine 20-Siege- und eine 23-Siege-Saison.

In Oklahoma City, wo die Thunder ab 2008 ihre Zelte aufschlugen, wurde auf dem anfangs noch steinigen Weg intern immer das Motto "Trust The Process" gepredigt, wie von Sam Anderson in seinem Buch "Boomtown" beschrieben. Also schon Jahre bevor die Fans der Philadelphia 76ers diesen Ausruf im Wells Fargo Center skandierten, bevor deren Center seinen Namen in den sozialen Netzwerken in Joel "The Process" Embiid umänderte und bevor Sam Hinkie zum Märtyrer des langwierigen Rebuilds der Sixers ausgerufen wurde.

Oklahoma City Thunder: Die reiche Ernte des ersten Rebuilds

Die Sixers warten noch heute darauf, die Früchte des strikten Rebuilds zu ernten. Hinkie hoffte bei seinem Amtsantritt 2013 sicherlich auf eine ähnliche Ausbeute wie die der Thunder. Deren Rebuild wurde in Form von KD, Russell Westbrook, James Harden und Serge Ibaka sowie dem Aufstieg zum Powerhouse der Western Conference belohnt - auch, wenn das die Fans in Seattle nach dem Umzug der Franchise nicht mehr aus erster Hand mitbekamen. Immerhin eine Finals-Teilnahme und mehrere Trips in die West-Finals standen für OKC zu Buche, der ganz große Wurf in Form einer Championship blieb allerdings aus.

Mit dem Abgang von KD zu den Golden State Warriors 2016 begann das Konstrukt in OKC zu bröckeln, James Harden kochte da schon lange in Houston sein eigenes Süppchen. Westbrook konnte weder im Alleingang noch mit der Hilfe von Paul George den Erfolg früherer Jahre replizieren. Und dann ging im Sommer 2019 alles ganz schnell.

PG-13 gab sein im Vorjahr bei seiner Vertragsverlängerung proklamiertes "unfinished business" in Oklahoma City auf, um mit Kawhi Leonard in L.A. auf Titeljagd zu gehen. Anschließend tradeten die Thunder auch Franchise-Ikone Westbrook, den sofortigen Rebuild verhinderte die überraschend starke Saison von Paul, Schröder, Gallinari und Adams.

Einen weiteren Anlauf mit diesem Quartett wird es in OKC nun aber nicht geben. "Der Verlust von zukünftigem Wert, den wir aufgeben würden für eine kleine Chance, diese Leistung zu kopieren, ist es nicht wert", sagte Presti am Dienstag in einem Interview mit The Oklahoman. "Es war klar, dass der objektivste Weg der ist, die Zukunft zu priorisieren."

Thunder: Shai Gilgeous-Alexander ist das neue Prunkstück

In einer Offseason, in der der Westen an vielen Fronten stärker geworden ist, entschied sich Presti, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen, die in Richtung Tabellenkeller. Innerhalb von 24 Stunden fädelte der GM einen Trade für Dennis Schröder zu den Lakers und einen Deal, der Chris Paul zu den Phoenix Suns brachte, ein. Er ließ Gallinari per Sign-and-Trade ziehen und gab Adams an die New Orleans Pelicans ab.

"Gewiss gab es eine Menge zu jonglieren", so Presti nach insgesamt zehn Trades, in denen fast die halbe Liga involviert war. Vier der fünf Starter aus der Saison 2019/20 und damit vier der fünf besten Scorer des Teams streifen sich in der kommenden Spielzeit ein anderes Leibchen über. Hamidou Diallo, der im Draft 2018 nach OKC kam, ist nun der Spieler mit der längsten Thunder-Historie im Kader.

Übrig geblieben ist ansonsten hauptsächlich Shai Gilgeous-Alexander. Der 22-Jährige stieß im vergangenen Jahr im Rahmen des George-Trades zu den Thunder und könnte sich schon in ein paar Jahren als Hauptpreis des Deals herauskristallisieren. An der Seite von CP3 schaute sich der Kanadier einige Tricks ab und zauberte eine starke Saison aufs Parkett.

Nur in der Bubble zeigte SGA Schwächen, doch ein Grund zur Sorge war das bei Weitem nicht. Der Point Guard bekam in der Offseason die Schlüssel der Franchise überreicht und wird sich in Ruhe entwickeln dürfen. Erfolgsdruck gibt es in OKC erst einmal nicht. Der Fokus liegt in naher Zukunft auf der Draft-Lottery.

Shai Gilgeous-Alexander bekam in der Offseason die Schlüssel zur Thunder-Franchise überreicht.
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Shai Gilgeous-Alexander bekam in der Offseason die Schlüssel zur Thunder-Franchise überreicht.

Thunder sammeln Picks: Nicht fünf, nicht sechs, nicht sieben ...

Das ist aus Thunder-Sicht auch dringend nötig, um bei dem ganzen Draft-Kapital den Überblick zu behalten. Insgesamt bis zu 17 Erst- und 13 Zweitrundenpicks bis 2027 hat GM Presti in den vergangenen Wochen und Jahren mit seinen Trades angesammelt. Dabei hofft OKC nicht nur auf die eigenen Pingpong-Bälle, von denen es dank des Umbruchs im kommenden Jahr wohl einige geben wird, sondern auch auf die der Rockets oder Clippers und darauf, dass eins der beiden Teams in seiner Entwicklung falsch abbiegt.

Unter Umständen kommen sogar noch weitere zukünftige Picks hinzu, sollte OKC im Laufe der Saison Abnehmer für George Hill (34), Trevor Ariza (35) oder Al Horford (34) finden. Alle drei kamen in verschiedenen Deals in dieser Offseason, passen aufgrund ihres Alters aber nicht in die langfristigen Planungen.

Bis es soweit ist, soll das Trio die jungen Talente im Kader unterstützen, wo es nur geht. Dass sie sich querstellen, ist aufgrund der in Oklahoma City vorherrschenden Organisations-Kultur eher unwahrscheinlich. Zuletzt lobte auch Schröder die Offenheit und Ehrlichkeit von Presti, der offenbar in enger Absprache mit seinen Stars Deals sucht, die für alle Seiten passen. Ähnlich wird er sicherlich auch bei Hill, Ariza und Horford vorgehen.

NBA: Die zukünftigen Erstrundenpicks der Thunder bis 2027

JahrErstrundenpicks
2021Eigener + der bessere Pick von den Heat oder Rockets + Warriors (Top20-geschützt)
2022Eigener (sofern er in der Lottery landet, sonst nach Atlanta) + Clippers + Suns (Top12-geschützt)
2023Eigener (oder Pick-Swap mit den Clippers) + Heat (Top14-geschützt), Nuggets (Top14-geschützt)
2024Eigener + Clippers + Rockets (Top4-geschützt)
2025Eigener (oder Pick-Swap mit den Clippers oder Rockets) + Sixers
2026Eigener + Rockets (Top4-geschützt) + Clippers
2027Eigener

Oklahoma City Thunder und der Process 2.0

Neben SGA werden sich kommende Saison also die jungen Talente um das erst 18 Jahre alte Projekt Aleksej Pokusevski, Ty Jerome, T.J. Leaf, Lu Dort oder Darius Bazley auf dem Parkett austoben dürfen. Allein das klingt bereits nach einem hohen Pick im hochinteressant besetzten Draft 2021.

Dass Presti und sein Front Office ein Auge für besondere Talente haben, haben sie in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. In den kommenden Jahren werden sie zahlreiche Möglichkeiten bekommen, dies zu unterstreichen. Natürlich wird dabei aber nicht jeder Draft-Pick einen hohen Ertrag bringen, das wissen unter anderem die Sixers nur zu gut.

Gleichzeitig werden die Thunder nicht ihr komplettes Draft-Kapital selbst verwenden, vielmehr stellen die vielen Picks wertvolle Trade-Chips dar, um womöglich in ein oder zwei Jahren einen gestandenen Star an die Seite von SGA und eines zukünftigen Top-Prospects zu lotsen. Presti stehen einige Optionen offen; bis er sich für eine entscheiden muss, dauert es aber noch eine Weile.

Bis dahin warten wohl in erster Linie eine Menge Pleiten auf die Thunder-Fans, die sich in der Offseason zudem von Fanliebling Adams verabschieden mussten. "Das war nicht mein bester Tag auf der Arbeit, das kann ich euch sagen", erklärte Presti angesprochen auf den Trade des Neuseeländers zu den Pelicans.

"Aber ich strebe unerbittlich und mit viel Leidenschaft danach, eine glänzende Zukunft für diese Organisation aufzubauen. Wenn man sich dabei zu bequem fühlt, dann weiß ich nicht, ob man wirklich etwas tut, was einen Unterschied ausmacht", so Presti weiter. Es darf als erneute Einstimmung auf ein paar schwierige sportliche Jahre in Oklahoma City verstanden werden. Ganz ähnlich wie vor 13 Jahren. Der Weg ist frei für den Process 2.0.

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