NBA

Die sozialste Seite Amerikas

Der frühere Commissioner David Stern (M.) und die Draft-Klasse 2003 mit LeBron James (r.)
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Die NBA-Franchises wissen gleichzeitig, dass sie als "ständiges Mitglied" das Wohl der gesamten Liga im Blick haben müssen. Denn leidet das Produkt, dann sinkt im Endeffekt auch irgendwann der Pegel in ihren Geldspeichern. Deshalb organisiert sie sich selbst unter einem Commissioner, der das NBA-Gesamtwohl im Blick haben muss.

Kein "Fressen oder gefressen werden" also. Damit fehlt dann konsequenterweise auch die Auslese, das frische Blut. In Europa herrscht reger Durchgangsverkehr in einzelnen Ligen. Doch wenn der Schwächste nicht gefressen wird, verwest er irgendwann im Hintergrund. Und auch in der NBA gibt es Starke und Schwache, dafür sorgen die Größe der Stadt und des TV-Markts, Steuervorteile oder der strahlende Glanz der Geschichte.

Ein vor sich hinkrebsende Franchise in einem unattraktiven Markt, die ihre Ausgaben für die Spieler mit Zuschauer- und TV-Einnahmen nicht wettmachen kann - oder sogar Pleite geht - ist also nicht im Sinne des amerikanischen Erfinders. Wo in Europa schon der nächste Klub mit den Hufen scharrt, gilt in den Staaten das Hagebaumarkt-Motto "Hier hilft man sich".

Vom Münzwurf zur Lottery

Um auch den Kleinen zu Prosperität zu verhelfen, werden TV-Einnahmen brüderlich geteilt, und auch bei den übrigen Einnahmen wird bis zu einer gewissen Grenze umverteilt. Soviel zum Finanziellen. Doch auch sportlich musste man sich unter die Arme greifen, damit jedes Team zumindest theoretisch gleiche Chancen auf den Titel hat. Neben der Salary Cap und anderen Erleichterungen, um die eigenen Stars zu halten, gehört dazu seit 1947 auch der Draft.

Der ging nach seinem Ursprung durch mehrere Phasen, war teilweise 21 Runden lang und wurde erst 1989 auf die derzeitigen zwei Auswahlrunden begrenzt. Dabei wurde seit 1966 auch per Münzwurf zwischen den schlechtesten Teams jeder Division entschieden, und ein besonderer "Territorial Pick" erlaubte es, unabhängig von der eigentlichen Position einen Spieler aus der Umgebung zu wählen.

Erst 1985 wurde dann die bis heute genutzte "Lottery" eingeführt, um den Top Pick zu entscheiden. Mehr Spannung, mehr Drama - und auch als Gegenmaßnahme gegen absichtlich verlorene Partien gedacht. Richtig: "Tanking"-Vorwürfe gab es auch schon vor 30 Jahren.

Die Verschwörungstheorien nahmen mit der "Lottery" dann erst so richtig Fahrt auf - vom zerbeulten Umschlag, der den Knicks Patrick Ewing brachte, über LeBron James zu den Cavaliers und Derrick Rose zu den Bulls, bis hin zum Top-Pick 2012, der in den Händen der Hornets landete. Die damals kurz vor dem Verkauf standen.

Hat der Draft Zukunft?

Darüber, wie der Draft denn genau ablaufen soll, gibt es keine zwei gleichen Meinungen. Die Lotterie ist jetzt, da sie von Teams wie den Sixers konsequent durchgespielt wird, umstrittener denn je und könnte in ihrer jetzigen Form durchaus vom Aussterben bedroht sein.

Die Altersgrenze (erst ab 19, High-School-Stars dürfen nicht mehr direkt gedraftet werden), die internationalen Spieler (Teams behalten langfristig die Rechte, müssen dafür aber oft Ablösen zahlen), die gestaffelten Gehälter, die Trade-Beschränkungen: All das hat sich in der Vergangenheit geändert, und wird sich auch in Zukunft wieder ändern.

Das Trade-Konzept an sich steht jedoch unerschütterlich - noch. Gerade im Zusammenhang mit "Tanking" fordern einzelne Kritiker, den Draft zu kassieren und durch ein neues Modell zu ersetzen, darunter auch Mark Cuban. Denn wie sollte man absichtliches Verlieren beenden, wenn dadurch - so oder so - potenzielle Superstars in Reichweite geraten?

Amerikanisch und doch sozialistisch

Aber selbst wenn diese Stimmen zunehmen: Es wird dauern. Denn kaum etwas liebt der sonst so kapitalistische Amerikaner - und vor allem der Teameigner, der durch diesen Kapitalismus reich geworden ist - mehr, als die Umverteilung in seinen großen Ligen. "Es hat etwas ironisches, dass die amerikanischen Sportarten so sozialistisch sind", meint ESPN-Analyst Nate Silver.

Doch schlussendlich hält neben den Superstars, den krachenden Dunks und den spektakulären Plays vor allem eines die Fans bei der Stange: Das Prinzip Hoffnung. Diese nährt genau einmal pro Jahr der Draft. Dass die Teambesitzer gegen Abstieg sind, dafür aber für Umverteilung und den Draft - geschenkt. Um es mit den Worten von Journalist Bryce Rudow zu sagen: Der Kapitalismus macht dich reich - aber der Sozialismus sorgt dann dafür, dass es so bleibt.

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