Zu viel Einseitigkeit
Hand aufs Herz: Wer war von der ersten Runde nicht enttäuscht, zumindest ein wenig? Natürlich war das Matchup zwischen den Spurs und Clippers für die erste Runde überqualifiziert und hätte locker auch in den Conference Finals stattfinden können. Die Serie bot Dramatik auf höchstem Niveau und gilt spätestens nach Chris Pauls Gamewinner aus Spiel 7 zu Recht als eine der besten Erstrundenserien überhaupt. Aber sonst?
Drei Sweeps gab es zu sehen, wobei man bei einem davon zumindest die ersten (beeindruckenden) Playoff-Minuten von Anthony Davis sehen konnte. Aber auch bei den anderen Serien gab es zumeist nicht die Spannung, die man sich erhofft hatte. Ein Trend, der sich übrigens auch im weiteren Verlauf der Playoffs bis zu den Finals fortsetzte, wenn man von einigen Ausnahmen absieht.
Natürlich gab es dafür verschiedene Gründe. Einige Teams verloren zur falschen Zeit ihre Form (Toronto) oder wichtige Spieler (dazu später mehr), andere waren schlicht unterqualifiziert (Boston) oder wurden von Lil' B verflucht (Houston). Fakt ist: Man hatte schon früh eine recht deutliche Ahnung, welche beiden Teams sich in den Finals gegenüberstehen würden.
Der Clippers-Kollaps
Hachja, die Clippers. Flashback: Nach der überragenden Erstrundenserie gegen die Champs aus San Antonio und einer anschließenden 3:1-Führung über die Rockets ging eigentlich jeder Basketball-Fan davon aus, dass ihm in den Western Conference Finals eine weitere epische Serie zwischen L.A. und den Warriors bevorstehen würde.
Offenbar auch die Clippers selbst, die Spiel 5 in Houston nahezu völlig abschenkten und sich wohl sicher waren, dass sie die Runde eben im heimischen Staples Center zu Ende bringen würden. Und dann kam Spiel 6. Genauer gesagt, die letzten 14 Minuten von Spiel 6.
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Noch Wochen später ist kaum in Worte zu fassen, was damals vor sich ging. 19 Punkte holten die Rockets binnen dieser Zeit auf, insgesamt gewannen sie diesen Zeitraum mit 49:18. 49:18! Als wäre das nicht schon bekloppt genug, ist folgendes zu beachten: James Harden saß auf der Bank. Der Mann, der die Rockets-Offense normalerweise im Alleingang schmeißt, sah von draußen zu, wie Corey Brewer (!) und Josh Smith (!!!) den Clippers einen Dreier nach dem anderen reinbombten.
"Es geht darum, wer den Sieg mehr will", gab ein geschockter Blake Griffin danach zum Besten. Spoiler Alert: Es waren die Rockets. Spiel 7 wurde mit 13 Punkten verloren, als neuntes Team der NBA-Geschichte schieden die Kalifornier nach 1:3-Führung noch aus. Die letzten drei Partien verloren sie mit kombiniert 46 Punkten. Hachja, die Clippers.
Hawks ohne Zielwasser
Unterm Strich sind 60 Siege und der Einzug in die Eastern Conference Finals selbstverständlich keine Enttäuschung. Im Gegenteil. Die Saison war insgesamt ein großer Erfolg für das Team von Dennis Schröder. In den Playoffs allerdings gingen den Hawks zum falschen Zeitpunkt die Identität, die Gesundheit und auch das Wurfglück flöten.
Gegen die Nets mühte man sich schon weit mehr ab als nötig, in der zweiten Runde gegen Washington taten sich die Hawks ebenfalls schwer, obwohl John Wall meist zum Zuschauen verdammt war. Gegen ein Cavs-Team ohne Kevin Love und einen halben Kyrie Irving reichte es dann nicht einmal zu einem einzigen Sieg.
Die Gründe dafür waren vielfältig. Verletzungen rafften den Kader dahin, außerdem verloren einige Spieler mit der Zeit ein wenig das Selbstvertrauen. Kyle Korver stand bis zu seiner Verletzung sinnbildlich für diese Entwicklung: Der Scharfschütze traf 49,2 Prozent seiner Dreier in der Regular Season, in den Playoffs waren es nur noch 35,5 Prozent. Better luck next time!
Hack-A-Wen-Auch-Immer
Es wurde an dieser Stelle ja schon vor einigen Wochen thematisiert: In den Serien mit Rockets- und vor allem Clippers-Beteiligung wurde die Hack-A-Taktik bisweilen zur Epidemie. Auch wenn es immer mehr Leute fordern, wird es wohl keine Regelung gegen sie geben, wie Commissioner Adam Silver kürzlich durchklingen ließ.
SPOX wendet sich von daher an die Herren DeAndre Jordan, Dwight Howard und wie sie alle heißen: Freiwürfe üben, Freiwürfe üben, Freiwürfe üben! Vielleicht hilft ja auch Voodoo.
Urlaubsreife Bulls
Mit dem wiedererstarkten Derrick Rose hatten die Bulls eigentlich eine der schönsten Überraschungen dieser Playoffs in ihren Reihen. Gegen die Cavs waren sie - bevor sich Pau Gasol verletzte - ausnahmsweise sogar das fittere Team und waren nach dem Rose-Buzzerbeater zum Sieg in Spiel 3 mit einer 2:1-Führung bestens für die Conference Finals positioniert.Und dann? In Spiel 4 gab LeBron James das Geschenk an Rose zurück, Spiel 5 ging nach hartem Kampf in Cleveland verloren. Bittere Niederlagen, die aber passieren können. Im Gegensatz zu der Pleite, die sie in Spiel 6 dann im heimischen United Center einsackten. Mit 21 Punkten Unterschied gingen sie zuhause unter, und dieses Ergebnis ist noch nicht einmal deutlich genug.
Dermaßen lustlos traten die Bulls in dieser Partie auf, dass schon zur Halbzeit über eine Rebellion gegen Coach Tom Thibodeau spekuliert wurde. Dabei waren die Cavs nicht auf einmal auf LeBron (15 Punkte) angewiesen, Topscorer in dieser Partie war ein gewisser Australier namens Matthew Dellavedova.
Chicago verabschiedete sich mit einer peinlichen Leistung in den Urlaub, den die Spieler offenbar stärker herbeisehnten als ein siebtes Spiel in der Serie. Wenig später bestätigte sich dann auch die Vermutung: Es war tatsächlich das letzte Spiel von Thibodeau als Coach der Bulls.
Das Game-of-Thrones-Syndrom
Eine kurze Begriffsklärung, ohne Spoiler (gewissermaßen): Die HBO-Serie "Game of Thrones" beziehungsweise ihr Schöpfer George R.R. Martin hat sich mit der Zeit den Ruf erarbeitet, beliebte, wichtige und zentrale Charaktere in schöner Regelmäßigkeit aus dem Weg zu räumen.
Damit bietet sie das perfekte Symbolbild für diese Postseason, selbst wenn "aus dem Weg räumen" im Fall der Serie den Tod bedeutet, während sich in und vor den Playoffs einfach nur reihenweise Spieler verletzten. Für den gemeinen NBA-Fan war das aber freilich schlimm genug.
Nur mal zum Überblick: Kevin Love. Kyrie Irving. Mike Conley. Tony Allen. (Gefühlt) Die kompletten Trail Blazers. Thabo Sefolosha. Pau Gasol. John Wall. Chandler Parsons. Patrick Beverley. Kyle Korver. Ganz zu schweigen von etlichen weiteren Spielern, die nicht mit voller Stärke antreten konnten, wie nahezu die komplette Hawks-Starting Five oder Tony Parker. Achja, einen gewissen MVP namens Kevin Durant gab es da natürlich auch noch.
Diese ganzen Verletzungen haben nicht nur das Playoff-Bild geprägt. Sie haben auch dazu geführt, dass einige beim Warriors-Titel zuallererst von Glück sprechen. Das hat das beste Team dieser Saison nicht verdient. Hoffen wir, dass die Dubs ihre Titelverteidigung gegen eine gesunde Konkurrenz bestreiten können. Pfoten weg, Herr Martin!