Die Olympia-Farce des DFB: Warum niemand Stefan Kuntz zur Hilfe kam

Stefan Kuntz bestätigte seinen Verbleib beim DFB - allerdings vorerst nur bis zum Jahresende.
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Das peinliche Auftreten der deutschen Rumpftruppe beim olympischen Fußball-Turnier und vor allem die mangelnde Unterstützung der Liga ist ein Armutszeugnis für den deutschen Fußball. Kein Wunder, dass die Zukunft von Trainer Stefan Kuntz beim DFB offen ist. Die Fußball-Kolumne.

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Ende April hatte Stefan Kuntz noch gute Laune. Damals schwärmte er im Team Deutschland Podcast des DOSB über die Faszination Olympia und lobte Sportler aus den verschiedensten Disziplinen in den höchsten Tönen.

Auf die Feststellung des Moderators, dass er Olympische Spiele nicht unbedingt direkt mit Fußball assoziiere, antwortete Kuntz damals ehrlich: "Ich auch nicht."

Im Nachhinein könnte man fast meinen, dass diese Aussage den Bundesliga-Funktionären als willkommenes Argument diente, als der DFB-Trainer Kuntz nach Saisonende letztlich vergeblich versuchte, den 22-Mann-Kader für die Spiele in Tokio zu bestücken.

Vermutlich aber entspricht es eher den Tatsachen, dass dem deutschen Profi-Fußball das Abschneiden bei den Olympischen Spielen völlig egal war. Kuntz wurde von der Liga im Stich gelassen, so dass er mit seiner gerade mal 18 Spieler umfassenden Rumpftruppe schon nach der Gruppenphase die Heimreise antreten musste.

Olympia war dem deutschen Profi-Fußball völlig egal

Das Debakel von Japan ist ein Armutszeugnis für den deutschen Fußball und ein weiterer selbst verschuldeter Tiefschlag des kriselnden DFB nach dem frühen EM-Aus der Nationalmannschaft. Der führungslose und mit sich selbst beschäftigte Verband hat diesem Aus mit Ansage mehr oder minder tatenlos zugesehen.

"Egoistische Gründe, teilweise von Spielern, teilweise von Vereinen. Dann spielt Olympia vom Zeitpunkt her keine richtig große Rolle bei den Vereinen. Und so kommt das dann zusammen", nannte der konsternierte Coach die Hauptgründe für das peinliche Vorrunden-K.o.

Zwar kann sich der DFB hinter der Tatsache verstecken, dass es im Gegensatz zu allen anderen wichtigen Großturnieren und Länderspielen keine Abstellungspflicht für die Klubs gibt. Und diese verweisen auf die so wichtige Saisonvorbereitung und die Strapazen der Corona-Folgen in den vergangenen Monaten.

Doch auf vier Olympiatickets für Feldspieler freiwillig zu verzichten, ist eine Frechheit gegenüber sämtlichen Athleten anderer Sportarten - vor allem gegenüber jenen, die die Teilnahme trotz aller Quälereien verpasst haben. Dabei sein ist alles? Nicht für den organisierten deutschen Fußball.

"Es hängt halt immer davon ab, wie viele Leute, die in den entscheidenden Positionen sitzen, Lust haben, dass eine gute Olympia-Mannschaft hinfährt", fasste der machtlose Kuntz nach der Rückkehr die fehlende Unterstützung zusammen.

Olympia eine weitere Blamage - für DFB und DFL

Denn jeder auf "den entscheidenden Positionen" war sich selbst der nächste und nahm damit eine weitere Blamage auf offener Bühne in Kauf. Das gilt auch für die DFL, die fünf von 13 stimmberechtigten DFB-Präsidiumsmitgliedern stellt und in Sonntagsreden gerne die Probleme des fehlenden Nachwuchses beklagt. Doch niemand kam Kuntz bei der Kaderzusammenstellung zur Hilfe. Im Gegenteil.

Eine "Farce" und "schlicht unwürdig" nannte der kicker dieses Verhalten: "Es wirft überhaupt kein gutes Licht auf unser Land, wenn es nicht mal 22 Akteure findet, die Deutschland bei einem derartigen Großereignis repräsentieren wollen oder dürfen."

Stefan Kuntz denkt über seine Zukunft beim DFB nach.
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Stefan Kuntz denkt über seine Zukunft beim DFB nach.

Stefan Kuntz 2016 angeblich noch erfolgreicher Vermittler

Dabei soll Kuntz noch vor den letzten Spielen 2016 eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen DFB und Liga gespielt haben, so dass sein Vorgänger Horst Hrubesch am Ende mit einem vollständigen (!) Aufgebot sowie bis zu zwei Spielern aus jedem Verein nach Rio flog und dort mit späteren Nationalspielern wie Lukas Klostermann, Niklas Süle, Julian Brandt, Serge Gnabry oder Leon Goretzka die Silbermedaille und viele Sympathien gewann.

Die Chance zur aktuell dringend nötigen PR in eigener Sache wurde diesmal leichtfertig vertan, weil unter anderem Leistungsträger beim EM-Titel der U21 vor wenigen Wochen wie Lukas Nmecha, Ridle Baku, Niklas Dorsch, Florian Wirtz, Mergim Berisha oder Jonathan Burkhardt absagen mussten bzw. dies nach dem freundlichen Hinweis auf die schlechteren Einsatzchancen beim Fehlen in der Vorbereitung "freiwillig" taten.

Olympia: Fünf Bundesligisten stellten gar keinen Spieler ab

In Union Berlin, Hertha BSC und dem FC Augsburg waren gerade mal drei Bundesligisten bereit, zwei Profis abzustellen. Zehn weitere Teams aus dem Oberhaus konnten sich noch zur Freigabe eines Spielers aufraffen, während Rekordmeister FC Bayern und Pokalsieger Borussia Dortmund sowie Gladbach, Mainz und Köln null Profis für abkömmlich hielten. Das ist genau ein Spieler weniger als der FC Yokohama, der den dritten Torwart Svend Brodersen abstellte.

Der langjährige Keeper der viertklassigen Reserve des FC St. Pauli, der nun direkt bei seinem neuen Klub in Japan bleibt, wäre sogar fast zum Einsatz gekommen - aber nicht im Tor. Sowohl im zweiten Spiel gegen Saudi-Arabien, als auch in der letzten Partie gegen die Elfenbeinküste hatte Brodersen bereits ein Feldspieler-Trikot für den Notfall bekommen, da Kuntz jeweils nach den vorherigen Platzverweisen gegen Maxi Arnold und Amos Pieper nur vier "echte" Feldspieler für die fünf möglichen Auswechslungen bei brütender Hitze zur Verfügung standen. Kein Wunder, dass sein Team am Ende deutlich abbaute und manche Akteure wie Ragnar Ache kaum noch laufen konnten.

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