"Den Ferrari mit literweise Blut bezahlt"

Von Interview: Haruka Gruber
Arthur Abraham trifft im Halbfinale des Super Six auf den Favoriten Andre Ward
© Imago

12 Monate Albtraum - und nun das Duell gegen Über-Boxer Andre Ward: Arthur Abraham steht vor dem triumphalen Comeback oder dem endgültigen Absturz. Vor dem Halbfinale des Super Six im Home Depot Center unweit von L.A. spricht der 31-Jährige über die Schwächen des Turnierfavoriten, die Ferrari-Diskussion und einen möglichen Rücktritt.

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SPOX: Andre Ward hat vor einigen Wochen Ihren Kampfstil verhöhnt. Er sagte, dass Sie boxerisch limitiert seien, nur auf den entscheidenden Schlag warten und Ihr Stil nicht für das höchste Niveau reichen würde. Hat er recht?

Arthur Abraham: Natürlich nicht! Ward soll lieber auf sich schauen und überlegen, wie er selbst boxt. Es ist ja allseits bekannt, dass er ab und zu unsauber boxt und auch mal Kopfstöße verteilt. Und wenn er tatsächlich denkt, dass ich so limitiert bin, soll es mir recht sein. Ich habe häufig genug über zwölf Runden nach Punkten gewonnen. Und vielleicht überrasche ich ihn ja am Ende genau mit dem einen Schlag, den er jetzt kritisiert.

SPOX: Was sind Wards Stärken?

Abraham: Es hat seinen Grund, dass Ward mittlerweile sehr bekannt ist. Er hat eine technisch fundierte Ausbildung genossen, seine Führhand und seine rechte Gerade sind sehr gut. Er bringt ein komplettes Paket mit und man muss immer aufpassen, egal ob im Infight oder in der Distanz.

SPOX: Und seine Schwäche?

Abraham: Er ist kein Konterboxer. Wenn man mit hoher Aggressivität und hohem Tempo angreift, kann er sich nur schwer befreien und versucht, nur noch zu klammern. Deswegen haben wir unser Training so gestaltet, dass ich ihn von Beginn an unter Druck setze und ihm keine Freiheiten gestatte.

SPOX: So lautete auch der Plan im November letzten Jahres gegen Carl Froch - doch es folgte eine deutliche Niederlage nach Punkten.

Abraham: Das war nichts, einfach gar nichts. Was ich da geboxt habe, hatte nichts mit Taktik zu tun.

SPOX: Wissen Sie im Rückblick, warum Sie so verkrampften?

Abraham: Meine Theorie ist, dass ich nach acht Monaten ohne einen Kampf übertrainiert war. Deswegen legte ich so einen Wert darauf, dass ich vor dem Ward-Termin zwischendurch gegen Stjepan Bozic in den Ring steigen konnte. Für die Zuschauer lief es unglücklich und ich hätte auch gerne vier, fünf Runden geboxt, aber der Fight war für meine Psyche sehr wichtig. Eine zu lange Pause schadet mir.

SPOX: Ihr Trainer Ulli Wegner sagte jedoch im SPOX-Interview, dass nicht nur die lange Pause verantwortlich für die Froch-Niederlage war, sondern auch Ihre fehlende Einstellung. Ihr Ferrari stehe sinnbildlich dafür, dass Sie zu satt geworden seien.

Abraham: Nein, nein, ich bin nie satt. Ich hatte auch nie Zweifel an mir selbst, wie es überall geschrieben wurde. Natürlich war es nicht gut, was passiert ist, aber mir war immer klar, dass ich zurückkommen und der Alte sein werde. Und zu der Ferrari-Thematik: Ich habe ihn mit literweise Blut und Schweiß bezahlt. Was ist entsprechend schlimm daran, wenn ich mein Hobby auslebe und mal mit dem Ferrari rausfahre? Ich verbringe im Jahr sieben Monate im Trainingslager, dann darf ich doch auch mal das Leben genießen, wenn ich zuhause bin.

SPOX: Mussten Sie jedoch mit der armenischen Sängerin, die am Eurovision Song Contest teilnahmn, ein Musikvideo aufnehmen? Ist das nicht das nächste falsches Signal?

Abraham: Die Dreharbeiten sind schon einige Monate her, lange bevor die richtige Trainingsphase anfing. Deswegen hatte nicht einmal Ulli Wegner ein Problem damit. (lacht) Von daher ist es doch eine schöne Sache: Ich konnte Armenien vielleicht ein bisschen helfen, mehr Stimmen zu bekommen. Hoffentlich bekomme ich die gleiche Unterstützung von der einen Million Menschen mit armenischen Wurzeln, die in der Region Los Angeles leben.

SPOX: Auch wenn Sie im Home Depot Center von Armeniern unterstützt werden: Kaum einer rechnet mit einem Sieg von Ihnen.

Abraham: Ich kann nur jedem raten, auf mich zu wetten. Ich werde Hollywood-mäßig ein Comeback feiern. Es ist das perfekte Drehbuch: Der gefallene Engel kehrt zurück und gewinnt, obwohl er von allen abgeschrieben war.

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SPOX: Aber Sie wissen, dass seit Max Schmeling 1930 kein Deutscher mehr in den USA den WM-Titel gewinnen konnte?

Abraham: Ich kenne die Statistik - und es ist eine riesige Motivation für mich, die Geschichte umzuschreiben. Mein Traum ist es immer noch, in den USA Fuß zu fassen und mir dort einen Namen zu machen.

SPOX: Doch sollten Sie verlieren, wäre es die dritte Niederlage innerhalb eines Jahres. Würden Sie in diesem Fall einen Rücktritt in Betracht ziehen?

Abraham: Sagen wir es so: Ich habe darüber nicht nachgedacht.

SPOX: Ihre erste Krise der Karriere nutzen Ihre Super-Mittelgewichts-Konkurrenten, um sich in Stellung zu bringen. Beispielsweise gibt sich Weltmeister Robert Stieglitz wesentlich selbstbewusster als früher. Spüren Sie den Atem?

Abraham: Ich habe mir seinen letzten Kampf gegen Khoren Gevor angeschaut. Robert ist ein netter Junge, sehr sympathisch. Und boxerisch ist er kein Schlechter, er gehört zu den Besseren. Aber seien wir doch mal ehrlich: Er würde mich doch vor keine Probleme stellen, er hatte doch schon gegen Gevor seine Unsicherheiten. Dass er dennoch versucht, an meinem Thron zu kratzen, ist ganz normal. Viele wollen da hin, wo ich bin, und meine Position einnehmen. Aber ich werde es nicht zulassen, so einfach ist das.

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