Luca Toni und der Ohrschrauber: Zeit, dass sich was dreht! Was hinter seinem berühmten Jubel steckt

Von Justin Kraft
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Luca Toni erzielte für den FC Bayern viele Tore - und schraubte nach jedem einzelnen an seinem Ohr. Ein Jubel mit einer ganz besonderen Geschichte.

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Ein breites Grinsen im Gesicht, lange, schlaksige Schritte und eine Hand, die eine Drehbewegung am Ohr macht - der Jubel von Luca Toni ist so simpel wie ikonisch.

In München verbreitete der Starstürmer gute Laune - bis er eines Tages Louis van Gaal zum Opfer fiel. Einen Tag ohne ein Grinsen des Weltmeisters von 2006 gab es kaum. Für die Bayern erzielte er in 89 Partien 58 Tore und bereitete 25 weitere vor. In einer Zeit, in der der Rekordmeister nicht zu den Besten Europas zählte.

Tonis Zahlen sind auch bei anderen Klubs herausragend. Er war zweifelsfrei ein Ausnahmestürmer. Und doch wurde er in seiner Karriere oft unterschätzt. Sein Weg an die Weltspitze könnte im Stile der Rocky-Balboa-Saga verfilmt werden.

Es ist die Geschichte eines Underdogs, an den viele nicht geglaubt haben - und die letztlich in einem einfachen Jubel resultierte, der so viel mehr Bedeutung hat als auf den ersten Blick erkenntlich wird.

LUCA TONI (30 Jahre alt, 2007/08 von der AC Florenz - Ablöse: 11 Mio. Euro): Der Italiener mit dem markanten Torjubel ("Ohrschrauber") schlug direkt ein. Mit 24 Treffern wurde er Torschützenkönig.
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Luca Toni: "Ungelenk, grotesk, unfähig"

Geboren wurde der Italiener 1977 in Pavullo nel Frignano, seine Heimat aber ist Serramazzoni. Dort wurde Toni einst entdeckt. "Perbacco. Donnerwetter, der Luca", erinnerte sich Paolo Baisi 2008 in 11Freunde: "Ich hab' ihn auf der Straße spielen sehen und ihn spontan angeheuert. Schmächtig war er, der Schnellste war er auch nicht. Aber er hatte gute Füße."

Für drei Millionen Lire, umgerechnet rund 4.000 Mark, verkaufte er Toni 1990 an den FC Modena. Ein Schnäppchen, über das sich Baisi ärgerte. Mit 13 war der spätere Weltklasse-Stürmer noch längst keine 1,96 Meter groß, dennoch machte ihm das Wachstum Probleme. Es haperte an Beweglichkeit und Eleganz. Doch er hatte Glück, weil der Brasilianer und ehemalige Juve-Profi Cinesinho und Präsident Mauro Bassinghi ihn unterstützten, wo es nur ging.

Gerade Bassinghi wird ein riesiger Anteil an der Karriere Tonis nachgesagt, der als Jugendlicher mehrfach an einem Punkt angekommen war, an dem er die Lust am Fußball beinahe verlor. Mit 17 stieg der große Angreifer bei den Profis in der dritten Liga ein. "Das Publikum pfiff ihn gnadenlos aus", sagte Bassinghi im Gespräch mit 11Freunde: "Er war der einzige Einheimische in der Mannschaft und die Leute wollten ihn nicht. Sie fanden ihn ungelenk, grotesk, unfähig."

Ein paar Mal habe Toni ihn gebeten, dass er nicht auf den Platz muss. Doch der Präsident hörte nicht auf ihn, schickte ihn durch eine harte Schule: stundenlanges Einzeltraining, Verbot von Süßigkeiten, Partys und Mädchen und früher Schlaf.

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Luca Toni und sein Ohrschrauber: "Nicht einfach!"

Es schien zu fruchten, doch die schweren Jahre waren längst nicht vorbei. Toni wechselte trotz eines Angebots von Juventus Turin zum Zweitligisten Empoli und von dort zu weiteren unterklassigen Klubs. Selten blieb er mehr als ein Jahr. Beim Drittligisten US Fiorenzuola hatte er mit Alberto Cavasin einen Trainer, der ihn nicht leiden konnte.

"Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätte ich aufhören müssen, Fußball zu spielen", sagte Toni trocken im Jahr 2006, als ihm bei der Verleihung des Goldenen Schuhs für den besten Torjäger Europas ausgerechnet Cavasin zugeschaltet wurde. Eine späte, aber wirkungsvolle Rache.

Immer wieder dachte Toni ans Aufhören, daran, den ständigen Bewertungen von außen und den Reaktionen des Publikums zu entfliehen. Mit 23 gelang ihm dann aber der Sprung in die Serie A und zu Vicenza Calcio. Seinen großen Durchbruch feierte er aber erst 2003 bei US Palermo. Dort traf er in 80 Partien 51-mal.

Es folgten zwei Jahre in Florenz mit 47 Treffern in 67 Spielen, ein Weltmeister-Titel und die äußerst erfolgreiche Zeit beim FC Bayern. Eine Genugtuung für einen stets fröhlichen und gutgelaunten Menschen, der auf seinem Weg dorthin viele Hindernisse und Rückschläge überstehen musste.

Fast schon spielerisch leicht sahen viele seiner Tore aus. Wenn er dann mit seinem schlaksigen Laufstil und seinem breiten Grinsen mal wieder an seinem Ohr schraubte, dann hatte das eine Bedeutung, die man vor allem in seiner Heimat kennt: "Met tot dia reis l'idea? L'è mia facil!" - "Habt ihr das gesehen? Nicht einfach!" Denn einfach war in Tonis Karriere nichts.

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