"Bisher hat es leider nicht geklappt": Donetsk-Boss Sergiy Palkin enthüllt Versprechen des FC Bayern München

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Sergiy Palkin manövriert Shakhtar durch die Kriegswirren. Im Interview berichtet er von einem zerbombten Hotel und enthüllt ein Bayern-Versprechen.

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Außerdem berichtet der seit 20 Jahren amtierende Geschäftsführer von Shakhtar Donetsk von der schwierigen Suche nach Neuzugängen, schwärmt von einem ehemaligen Spieler des FC Bayern München - und zeigt Unverständnis für einen anderen.

Donetsk trägt in dieser Saison seine Champions-League-Heimspiele in Gelsenkirchen aus, bei der Premiere setzte es ein 0:3 gegen Atalanta Bergamo. Am Dienstag gastiert der ukrainische Meister beim FC Arsenal.

Herr Palkin, wo erreichen wir Sie gerade?

Sergiy Palkin: Derzeit bin ich in Kiew. Die Situation hier ist angespannt, jeden Tag gibt es Raketenangriffe aus Russland. Es ist mental schwierig, damit umzugehen. Ich habe viele schlaflose Nächte.

Wie gehen die Spieler damit um?

Palkin: Aktuell trainieren und spielen wir in Lwiw, im Westen der Ukraine. Dort ist es verhältnismäßig sicher. Bei Auswärtsspielen in Kiew oder im Osten übernachten wir nur in Hotels, die über Bunker verfügen. Fast jede Nacht gibt es Bombenalarm. Dann müssen wir schnell in den Bunker. Wir tun alles Mögliche für die Sicherheit unserer Spieler. Aber es ist im Krieg nicht möglich, sich zu 100 Prozent zu schützen.

Waren Sie schon mal ernsthaft in Gefahr?

Palkin: Vor einigen Wochen hatten wir ein Auswärtsspiel in Kryvyi Rig im Osten der Ukraine. Zwei Tage vor unserer Ankunft wurde das Hotel, in dem wir übernachten sollten, von Raketen getroffen und komplett zerstört. Vier Personen sind gestorben, viele weitere wurden verletzt. Es war sehr schwierig, die Spieler, ihre Familien und Betreuer davon zu überzeugen, dass wir trotzdem hinreisen. Letztlich sind wir angetreten. Das Spiel konnte wegen eines weiteren Bombenalarms aber nicht zu Ende gespielt werden. Ich bin sehr stolz auf unsere Spieler, dass sie unter diesen Bedingungen arbeiten.

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Donetsk-Boss Palkin: "Für Brasilianer ist der Krieg weniger präsent"

Das eine ist es, Spieler zum Antreten zu bewegen. Das andere, sie überhaupt von einem Wechsel in die Ukraine zu begeistern.

Palkin: Tatsächlich verbringe ich aktuell etwa 70 Prozent meiner Arbeitszeit damit, Spieler von Transfers zu überzeugen. Wir versuchen, mögliche Neuzugänge immer mit aktuellen Spielern ins Gespräch zu bringen. Sie erklären ihnen, wie es bei uns aktuell läuft und wie sie geschützt werden.

Auffällig ist, dass weiterhin viele Brasilianer im Kader stehen.

Palkin: Es ist für uns viel einfacher, Spieler aus Südamerika statt aus Europa zu verpflichten. Für Brasilianer ist der Krieg weniger präsent. Sie sehen unseren Klub als Sprungbrett zu europäischen Top-Klubs. Europäer haben keinen Grund, zu uns zu wechseln.

Wer sind aktuell die vielversprechendsten Spieler in Ihrem Kader?

Palkin: Wir haben einige spannende Spieler, zum Beispiel die Brasilianer Kevin und Marlon. Der berühmteste ist aktuell aber Georgiy Sudakov. Manchester City ist an ihm interessiert, auch andere Klubs aus England beobachten ihn. Vor einem halben Jahr haben wir mit der SSC Napoli über einen Transfer verhandelt, das hat aber nicht geklappt. Ich bin sicher, dass während des Transferfensters mehrere Klubs Angebote für ihn abgeben werden.

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Gelsenkirchen statt Hamburg: Warum Donetsk umgezogen ist

Die Champions-League-Heimspiele Ihres Klubs werden in Deutschland ausgetragen. Vergangene Saison in Hamburg, diese in Gelsenkirchen. Warum der Standortwechsel?

Palkin: In Hamburg sind im Schnitt mehr als 40.000 Fans zu unseren Champions-League-Spielen gekommen. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir dort solche Zahlen nochmal erreichen können. Deswegen haben wir nach einem neuen Standort gesucht. Wie Hamburg hat auch Gelsenkirchen lange keine Champions-League-Spiele mehr gesehen. Insofern herrscht Begeisterung, gegen Atalanta Bergamo kamen mehr als 20.000 Fans. Dass der Wechsel die richtige Entscheidung war, sieht man auch an Dynamo Kiew. Sie tragen ihre Europa-League-Spiele in dieser Saison in Hamburg aus, zum ersten Spiel kamen nur 7.500 Fans.

Während der EM stand die Stadt Gelsenkirchen massiv in der Kritik, ein englischer Journalist sprach sogar von einem "Shithole".

Palkin: Für uns ist Gelsenkirchen eine super Stadt, Schalke ist wie ein Bruder-Verein. Sowohl der Ruhrpott als auch der Donbass, wo wir herkommen, sind Bergarbeiter-Gegenden. Die Menschen hier und dort haben ähnliche Werte. Das passt perfekt.

Shakhtar hat früher regelmäßig vor großen Zuschauermengen in Donetsk gespielt. Aktuell sind zu den Heimspielen in der Ukraine nur wenige hundert Fans zugelassen. Wie finanziert sich Ihr Klub?

Palkin: Als wir noch in Donetsk gespielt haben, hatten wir einen Zuschauerschnitt von 42.000. Dann kam Corona, dann der Krieg. Wir spielen praktisch seit fünf Jahren ohne Fans. Durch den Krieg haben sich unsere Fans aber als Botschafter über ganz Europa verteilt. Überall wo wir spielen, gibt es Shakhtar-Fans vor Ort. In der Ukraine sind die Stadien dafür leer. Die Sponsoren haben eigene Probleme und konzentrieren sich nicht auf Fußball. TV-Einnahmen gibt es praktisch nicht mehr. Unsere einzigen Einnahmequellen sind UEFA-Prämien für die Teilnahme an europäischen Wettbewerben und Spieler-Verkäufe.

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Donetsk-Boss enthüllt Versprechen des FC Bayern München

Sie sind seit 20 Jahren Geschäftsführer von Shakhtar, haben viele kostspielige Transfers getätigt. Welcher war der beste?

Palkin: Wir haben Mykhaylo Mudryk für 70 Millionen Euro plus 30 Millionen Boni an Chelsea verkauft. Das war der größte Deal der ukrainischen Geschichte.

Bei Chelsea hat er sich noch nicht nachhaltig durchgesetzt.

Palkin: Man braucht keinen Ferrari, wenn man nicht weiß, wie man mit ihm fährt. Dann reicht auch ein normales Auto. Wenn man sich einen Ferrari kauft, sollte man sich damit befassen, wie man mit ihm umgeht. Das ist meine Meinung zu Mudryk bei Chelsea. Ich bin sicher, dass er seine Qualitäten zeigen wird, wenn er die Chance dazu bekommt. Er ist ein absoluter Unterschiedsspieler, das sieht man auch bei seinen Einsätzen für die ukrainische Nationalmannschaft. Es gibt sehr wenige Spieler dieser Kategorie.

2015 verkauften Sie Douglas Costa für 30 Millionen Euro an den FC Bayern. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Palkin: Seine Beschleunigung war unfassbar. Er konnte jeden Gegner überlaufen. Douglas Costa war ein sehr effektiver Transfer für uns. Wir haben ihn billig geholt und teuer weiterverkauft.

Wie haben Sie die Verhandlungen mit den Bossen des FC Bayern in Erinnerung?

Palkin: Wir haben telefonisch alles ausverhandelt, das waren sehr freundliche Gespräche. Zur Unterschrift ist dann eine Bayern-Delegation nach Kiew gereist. Da habe ich ein bisschen Zeit mit dem damaligen Finanzdirektor Jan-Christian Dreesen verbracht. Wir sind seitdem befreundet und unterhalten uns immer, wenn wir uns sehen. Generell haben wir ein sehr gutes Verhältnis zur Führung von Bayern. Sie haben uns auch versprochen, dass sie ein Freundschaftsspiel gegen uns absolvieren, um den Flüchtlingen, den Soldaten und unserem ganzen Volk zu helfen. Bisher hat es leider nicht geklappt. Ich hoffe, dass wir im nächsten halben Jahr einen Termin finden.

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"Es ist sehr traurig zu sehen": Unverständnis für ehemaligen Bayern-Spieler

Ein gemeinsamer Nenner zwischen Shakhtar und dem FC Bayern ist Ex-Spieler Anatoliy Tymoshchuk. Er arbeitet aktuell als Co-Trainer von Zenit St. Petersburg und hat sich im Krieg mit Russland solidarisiert. Was sagen Sie dazu?

Palkin: Es ist sehr traurig zu sehen, wie er sich verhält. Mehr will ich zu ihm gar nicht sagen.

Vor einigen Wochen haben Sie die FIFA für mangelnde Unterstützung im Krieg und diesbezüglich eingeführte Transferregeln hart kritisiert, Sie sprachen von einer "Schande". Gab es darauf Reaktionen von der FIFA?

Palkin: Ich kritisiere die FIFA seit zweieinhalb Jahren permanent und habe bis heute keine Rückmeldung bekommen. Sie trifft im Zuge des Krieges ausschließlich komische Entscheidungen.