HBL - Rhein-Neckar Löwen - Andy Schmid im Interview: "Ich habe versucht, Kobe Bryants Crossover-Dribblings zu machen"

Andy Schmid wurde fünfmal in Serie zum MVP in der HBL gewählt.
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Kommen wir zurück zum Handball: Sie wollen nach der aktiven Karriere auf jeden Fall Trainer werden. Welche Trainer außerhalb des Handballs würden Sie gerne mal treffen?

Schmid: Es wird wohl nie zustande kommen, aber Jürgen Klopp und Julian Nagelsmann wären schon zwei Typen, denen ich gerne über die Schulter schauen würde. Ich bin nicht der Entertainer wie Klopp und ich bin nicht der Nerd wie Nagelsmann, aber ich könnte mich vielleicht dazwischen bewegen als Trainer. Das Wichtigste wird aber sicher sein, authentisch zu bleiben. Wenn du nicht authentisch bist, nehmen dir die Spieler nichts ab und glauben dir nicht. Wenn ich diesen Weg einschlage, weiß ich, dass ich noch viel lernen muss. Ein guter Spieler ist nicht automatisch ein guter Trainer, das sage ich immer wieder. Ich bin aber dann auch 40, wenn ich aufhöre als Spieler. So viel Zeit reinzuschnuppern habe ich dann auch nicht mehr. Ich fühle mich schon bereit, direkt einzusteigen. Ich kann mir gut vorstellen, meine ersten Schritte als Trainer in der Schweiz zu gehen, aber wenn ich Trainer bin, strebe ich auch nach den höchsten Zielen, ich will als Trainer dann ganz an die Spitze.

Nikolaj Jacobsen muss der Trainer gewesen sein, der Ihnen am meisten mitgegeben hat.

Schmid: Er war zweifellos der prägendste Trainer meiner Karriere. Für mich ist er aktuell der beste Handball-Trainer der Welt. Da spreche ich sicher auch als sein Freund, wir haben über die Jahre ein sehr enges Verhältnis aufgebaut, aber seine Erfolge geben ihm ja auch Recht. Seine größte Stärke, neben allen handballerischen Fähigkeiten, ist die Empathie für seine Spieler. Das macht ihn zu einem besonderen Trainer.

In manchen Auszeiten wirkte es gar nicht immer so "freundschaftlich" zwischen Jacobsen und Ihnen. Wie war es, sein Blitzableiter zu sein?

Schmid: Auch wenn es keiner glaubt, wir hatten in sechs gemeinsamen Jahren höchstens zweimal einen wirklichen Streit, nach dem wir dann erstmal einen Tag nicht mehr miteinander gesprochen haben und wir echt Stress hatten. Mehr war nicht. Er war sehr impulsiv und er hatte das Glück, auf den gelassenen Schweizer zu treffen, bei dem viele Sachen zum einen Ohr rein sind und zum anderen wieder raus. Er wusste auch sehr gut, mit wem er so umgehen konnte. Er hätte das nicht in der Art gemacht, wenn er gemerkt hätte, dass er mich dadurch irgendwie zerstört. Manchmal war es grenzwertig, was er mir da entgegen geschleudert hat, aber ich muss auch zugeben, dass ich mit der Zeit immer mehr verbal zurückgeschlagen habe.

Stefan Kretzschmar ist auch jemand, der eine hohe Meinung von Ihnen hat, Sie schon mal als Handball-Gott abfeierte. Er ist jetzt Sportdirektor bei den Füchsen. Wie wäre denn eine Combo Sportdirektor Kretzschmar und Trainer Schmid?

Schmid: Wer weiß, es gibt einige schöne Vorstellungen für die Zukunft. Ich schätze Kretzsche sehr und er macht offensichtlich einen super Job, aber wahrscheinlich müsste ich noch viel mehr Golf spielen, damit er mich als Trainer einstellt. Kretzsche hängt ja nur auf dem Golfplatz herum. (lacht)

Schmid: "Wir müssen uns da auch an den USA orientieren"

Wenn Sie die Macht hätten, eine Sache im Handball zu verändern, was wäre das aktuell?

Schmid: Die flächendeckende Einführung des Videobeweises, gerade auch in der HBL, steht für mich weit oben. Gerade in den letzten Minuten gibt es Entscheidungen von so großer Tragweite, dass wir uns hier nicht darauf verlassen können, dass die Schiedsrichter immer die richtige Entscheidung treffen. Dafür ist das Spiel auch einfach zu schnell, mit bloßem Auge sind manche Situationen nicht zu entscheiden. Wir müssen uns da auch an den USA orientieren, deshalb bin ich klar dafür, dass es Challenges gibt. Da muss auch der Handball mit der Zeit gehen. Und der zweite Punkt ist, dass wir generell das Schiedsrichterwesen noch professionalisieren. Es geht um so viel, wir Spieler bereiten uns akribisch auf ein Spiel vor, da kann es nicht sein, dass die Schiedsrichter nicht die Chance haben, sich ähnlich professionell aufzustellen. Es würde auch den Anreiz, Schiedsrichter zu werden, noch erhöhen. Wir sind der einzige Sport, bei dem es nach dem Spiel heißt: Sie hatten eine gute Linie auf beiden Seiten. Was soll das heißen? Dass es okay ist, wenn sie die gleichen Fehler auf beiden Seiten machen? Hier kann man sich sicherlich entwickeln und verbessern.

Wir haben am Anfang darüber gesprochen, dass Sie schon in der Schule gerne geschrieben haben. Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie ein Kinderbuch mit dem Titel "Mein Sprungwurf" geschrieben haben?

Schmid: Als mein älterer Sohn in die Schule kam und wir abends Bücher gelesen haben, ging es meistens um Fußball. Irgendwann hatten wir fünf, sechs Fußballbücher durch, da hat er mich gefragt, ob es denn nicht auch ein Handballbuch geben würde. Ich habe aber im Internet nichts gefunden. Das war der Impuls für mich, um zu sagen: Ich setze mich abends mal ein bisschen auf den Balkon und haue in die Tasten. Das hat echt Spaß gemacht.

In der Geschichte geht es auch um Respekt und Fairness. Werte, die den Handball auszeichnen. Was war der Auslöser dafür, dass Sie im letzten Winter einen emotionalen Post abgesetzt haben in Richtung der "Social Media Rambos"?

Schmid: Das ist im Affekt passiert. Aber mir ging es genau darum. Handball ist ein Sport, der für eine bestimmte Kultur steht. Für Respekt. Bei uns sind 10.000 Fans in der Halle und da stehen 9.000 Fans Seite an Seite mit 1.000 Fans der gegnerischen Mannschaft und haben gemeinsam eine tolle Zeit. Da muss niemand Gewalt fürchten. Das sind Werte, die Handball auch einzigartig machen und die wir beschützen müssen. Kritik soll erlaubt sein und damit muss man auch umgehen können. Es nervt mich aber, wenn manche Leute, die wahrscheinlich zuhause mit einer Tüte Chips auf der Couch liegen, auf Social Media Sachen herumproleten. Lieber mal ein bisschen nachdenken, bevor man irgendeinen Mist schreibt, das würde unserer Gesellschaft ganz gut tun.

Wie gehen Sie generell damit um, dass wir in einer Zeit leben, in der man sich viele Sorgen um die Zukunft machen muss, wenn wir an den Ukraine-Krieg, die Klimakrise oder die angesprochene Verrohung auf Social Media denken?

Schmid: Wenn man abends in einer ruhigen Minute vor dem Fernseher sitzt und sich die Nachrichten anschaut, macht man sich schon Gedanken. Man macht sich schon Sorgen. Nicht nur Sorgen um unsere Kinder, um uns alle. Ich versuche, mich vor allem auf unseren eigenen kleinen Kosmos als Familie zu konzentrieren. Da gibt es schon genügend Herausforderungen. Vor manchen Sachen werde ich meine Kinder nicht beschützen können, aber ich kann alles dafür tun, um der beste Papa zu sein, der ich nur irgendwie sein kann. Ich kann alles dafür tun, damit es meinen Kindern gut geht, dass es in der Schule gut läuft, dass sie gute Freunde finden und vor allem glücklich mit ihrem Leben sind. Wenn mir das einigermaßen gelingt, wenn ich es schaffe, ein gutes Vorbild für sie zu sein, bin ich zufrieden.

Handball Bundesliga: Die Tabelle nach 32 Spieltagen

RangMannschaftSpieleSUNDiff.Pkt.
1SC Magdeburg32300217560:4
2THW Kiel32262416154:10
3Füchse Berlin32244412752:12
4SG Flensburg-Handewitt32216512348:16
5Frisch Auf! Göppingen3217312-537:27
6TBV Lemgo Lippe3215513-2134:30
7HSG Wetzlar32153142533:31
8SC DHfK Leipzig3214414332:32
9MT Melsungen3214315-431:33
10Rhein-Neckar Löwen3213415530:34
11HSV Hamburg3212218-3226:38
12TSV Hannover-Burgdorf3212218-4126:38
13HC Erlangen3211318-3125:39
14Bergischer HC3211318-4125:39
15TVB 1898 Stuttgart329221-7820:44
16TSV GWD Minden326422-9216:48
17HBW Balingen-Weilstetten326323-13315:49
18TuS N-Lübbecke326026-14112:52