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WM 2022 - Marokkos Ex-Trainer Vahid Halilhodzic: Vier Qualifikationen, eine Teilnahme

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Marokko ist die große Überraschung dieser WM. Nach Katar gebracht hat die Mannschaft aber einer, der nun zuschauen muss: der 70-jährige Bosnier Vahid Halilhodzic.

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Vahid Halilhodzic ebnete den Weg zu einer der größten WM-Sensationen, bekommt davon aber nichts mit. Zumindest, sofern man seinen Worten Glauben schenkt. "Ich werde kein einziges WM-Spiel gucken", kündigte Halilhodzic vor dem Turnier in Katar bei der kroatischen Zeitung Sportske novosti an, "zu schmerzhaft" wäre das für ihn.

Er sah also nicht, wie Marokko in der Gruppenphase den gar nicht so geheimen Geheimfavoriten Belgien besiegte. Er sah nicht, wie Yassine Bounou, den sie liebevoll Bono nennen, im Elfmeterschießen gegen Spanien zum Helden wurde. Und auch nicht, wie Youssef En-Nesyri Portugal aus dem Turnier köpfelte und Cristiano Ronaldo zum Weinen brachte.

Er sah nicht, wie Marokko Geschichte schrieb und sich als erstes afrikanisches Land für ein WM-Halbfinale qualifizierte. An der Seitenlinie jubelte Walid Regragui und nicht er, Vahid Halilhodzic. "Ich bin hier, weil er einen guten Job gemacht hat", sagte Regragui immerhin. "Ich habe großen Respekt vor ihm. Ich möchte ihm danken."

Halilhodzic führte Marokko ungeschlagen durch die WM-Qualifikation. Während seiner dreijährigen Amtszeit kassierte die Mannschaft insgesamt nur drei Niederlagen, zwei davon bei Freundschaftsspielen. Kurz vor dem Turnier in Katar musste Halilhodzic wegen "Meinungsverschiedenheiten" mit der Verbandsführung trotzdem gehen, Hintergrund war ein Machtkampf mit Superstar Hakim Ziyech (29) vom FC Chelsea.

Der Streit zwischen Vahid Halilhodzic und Hakim Ziyech

Im September 2021 verweigerte Ziyech wegen einer angeblichen Verletzung Einsätze für die Nationalmannschaft, was Halilhodzic massiv empörte: "Zum ersten Mal in meiner Trainerlaufbahn habe ich einen Nationalspieler gesehen, der nicht trainieren will und behauptet, er sei verletzt, obwohl Tests ergeben haben, dass er spielen kann." Dazu muss man wissen: Halilhodzics Trainerlaufbahn ist lang, immerhin ist er schon 70 Jahre alt.

Dieser Vorfall bestätigte den Trainer jedenfalls in seiner Meinung über Ziyech. Schon bei den beiden vorangegangenen Länderspielreisen habe sich Marokkos Superstar nicht wie ein Spieler präsentiert, "der mit der Nationalmannschaft um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft kämpft", klagte Halilhodzic: "Ich werde dieses Verhalten nicht dulden, solange ich Trainer von Marokko bin."

Folglich verzichtete Halilhodzic konsequent auf Ziyech und auch auf dessen guten Freund Noussair Mazraoui (25) vom FC Bayern München, beide kennen sich seit gemeinsamen Zeiten bei Ajax Amsterdam. Ohne das Duo qualifizierte sich Marokko für die WM und scheiterte beim Afrika Cup knapp im Viertelfinale an Ägypten. Zentrum der marokkanischen Fußball-Debatten blieb aber Ziyechs Zukunft.

"Ich nominiere keinen Spieler, der das Team aus dem Gleichgewicht bringt. Nicht einmal, wenn er Lionel Messi heißt", legte Halilhodzic nach. Ziyech erklärte unterdessen offiziell seinen Rücktritt: "Ich verstehe, wenn die Fans sauer sind, aber ich werde nicht ins marokkanische Nationalteam zurückkehren. Das ist meine endgültige Entscheidung."

Vahid Halilhodzic trainierte die marokkanische Nationalmannschaft drei Jahre lang. Von 30 Länderspielen gewann er 20 und verlor nur drei, trotzdem musste er kurz vor der WM gehen.
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Vahid Halilhodzic trainierte die marokkanische Nationalmannschaft drei Jahre lang. Von 30 Länderspielen gewann er 20 und verlor nur drei, trotzdem musste er kurz vor der WM gehen.

Vahid Halilhodzic: Vier Qualifikationen, eine Teilnahme

Je näher die WM rückte, desto größer wurde der öffentliche Druck auf Halilhodzic. Wenig überraschend zeigte sich: Volk und Verband ist wichtiger, wer auf dem Platz steht als an der Seitenlinie. Im Sommer musste Halilhodzic schließlich gehen, sein Nachfolger Regragui - ein ehemaliger marokkanischer Nationalspieler - holte Ziyech und Mazraoui umgehend zurück. Beide sind beim Erfolgslauf in Katar absolute Leistungsträger.

Für Halilhodzic war die Trennung kurz vor der WM traurige Routine, tatsächlich passierte es ihm schon zum dritten Mal. 2010 wurde er als Nationaltrainer der Elfenbeinküste trotz erfolgreicher WM-Qualifikation nach einem Viertelfinal-Aus beim Afrika Cup vier Monate vor WM-Start entlassen. 2018 musste er in Japan wegen schlechten Testspielergebnissen sowie Beschwerden über seinen autoritären Führungsstil zwei Monate vor der WM gehen.

Nur 2014 durfte Halilhodzic seine Mannschaft auch beim Turnier selbst betreuen. Mit Algerien scheiterte er erst im Achtelfinale in der Verlängerung am späteren Sieger Deutschland. "Vahid muss bei uns bleiben", forderte sogar Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika anschließend. Diesmal ging Halilhodzic aber freiwillig, er kehrte lieber zu Trabzonspor zurück.

Gelohnt hat es sich nicht: Nachdem er den türkischen Topklub 2005/06 immerhin 30 Spiele lang betreut hatte, wurde er bei seiner zweiten Amtszeit bereits nach zwölf Partien entlassen. In erstaunlich kurzer Zeit legte sich Halilhodzic mit Vorstand, Medien, Spielern und Fans an und darüber hinaus den schlechtesten Saisonstart seit 40 Jahren hin. Seine Mannschaft nannte er "zweitligareif", Star Florent Malouda "einen Verräter". Halilhodzic steht für Erfolge und Zerwürfnisse gleichermaßen.

Vahid Halilhodzic wurde in Frankreich heimisch

Ihren Anfang nahm Halilhodzics Trainerkarriere einst beim bosnischen Klub Velez Mostar, ehe der Jugoslawien-Krieg dem Spielbetrieb ein Ende setzte. 1993 floh Halilhodzic nach Frankreich, sein Cousin Ahmed hatte sich bereits zuvor in Hamburg in Sicherheit gebracht. Er ist ein Schulfreund von Hasan Salihamidzics Vater und nahm damals den erst 15-jährigen Hasan bei sich auf. Wie die Halilhodzics stammt auch der heutige Sportvorstand des FC Bayern München aus der Kleinstadt Jablanica im heutigen Bosnien und Herzegowina.

Salihamidzic machte beim Hamburger SV und beim FC Bayern eine große Karriere. Vahid Halilhodzic fand seine Heimat unterdessen in Frankreich, wo er als Aktiver einst schon für den FC Nantes und Paris Saint-Germain gestürmt hatte. Mit kurzer Unterbrechung beim marokkanischen Topklub Raja Casablanca trainierte Halilhodzic zwölf Jahre lang in Frankreich und nahm sogar die französische Staatsbürgerschaft an. 2004 gewann er mit PSG den Pokal, dann wurde er zum Weltenbummler.

Marokkos anstehendes Halbfinale gegen seine langjährige Wahlheimat wäre für Halilhodzic somit ein ganz besonderes Spiel gewesen - aber auch für seinen Nachfolger ist es das. Der 23 Jahre jüngere Regragui kam in einem Vorort von Paris zur Welt und verbrachte fast seine ganze Profikarriere in Frankreich, ehe er als Trainer in die Heimat seiner Vorfahren übersiedelte. Nun feiert er Erfolge, die Halilhodzic mit seiner Arbeit mit ermöglicht hat.

WM: Die letzten fünf Weltmeister

Eine Übersicht mit allen Endspielen der WM-Geschichte findet Ihr hier.

JahrNation
2018Frankreich
2014Deutschland
2010Spanien
2006Italien
2002Brasilien
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