NHL

Nie mehr burgerlos in Ottawa

Von Michael Graßl
Andrew Hammond stellte einen Rekord aus der Saison 1938/39 ein
© getty

Irrer Typ oder verrückter Vogel - Andrew Hammond von den Ottawa Senators ist nichts davon und trotzdem einer der derzeit gefragtesten Männer der NHL. "The Hamburglar" bekam von McDonalds freies Essen auf Lebenszeit geschenkt, bricht alte Rekorde und bewegt Fans dazu, Burger auf das Eis zu werfen. Doch woher kommt sein ungewöhnlicher Spitzname überhaupt?

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Zufrieden fährt Andrew Hammond am 15.3.2015 vom Eis. Er und seine Teamkollegen von den Ottawa Senators haben gerade die Philadelphia Flyers besiegt. Ein wichtiger Sieg im Kampf um die Playoffs.

Während die meisten Spieler bereits Richtung Locker Room unterwegs sind, bückt sich der Goalie plötzlich. Als er sich wieder aufrichtet, streckt er seinen Arm in die Höhe. Eine ganz normale Siegesgeste könnte man meinen.

Doch gewöhnlich war dieser Jubel nicht - viel mehr der Höhepunkt eines verrückten Hypes in der kanadischen Hauptstadt. Denn was Hammond da vom Eis aufhob und in die Luft reckte, war ein Hamburger.

Bei einem Außenstehenden, Nicht-Senators-Fan, dürfte sich vermutlich die Frage aufdrängen, was die dort in Ottawa zu sich nehmen. Oder wie hoch die Toleranzschwelle in Kanada ist, wenn fliegendes Fastfood bejubelt wird. Doch all das sind keine Auswüchse von Langeweile, Protest oder geistigen Fehlsteuerungen, sondern haben einen ganz bestimmten Grund: Andrew "The Hamburglar" Hammond.

Ottawa erwacht

Dem 27-Jährigen ist es zu verdanken, dass Hamburger-Werfen cool und McDonald's in Kanada wieder "in" ist. Seit dem 18. Februar hütet Hammond das Tor der Sens, die mit ihm eine unglaubliche Serie hinlegen. Vor Hammonds Berufung in den NHL-Kader lag Ottawa fast aussichtslos im Playoff-Kampf zurück, jetzt trennt die Sens nur noch ein magerer Punkt von Boston und dem letzten Playoff-Platz.

Doch es ist nicht nur der sportliche Aufstieg, der Hammond zur neuesten Kultfigur der NHL hat werden lassen. Sein Spitzname "The Hamburglar" zieht die Menschen in ihren Bann. Sie strömen als Hamburglar verkleidet ins Stadion, basteln Plakate und kaufen Hamburger nur, um sie bei Siegen auf das Eis fliegen zu lassen.

Wie so oft bei Spitznamen entwickelte sich aber auch Hammonds neuer Beiname nicht von gestern auf heute, sondern erreicht derzeit nur die Spitze seines Kults.

Von "Robber" zu "Hamburglar"

Der Hamburglar, neben Ronald McDonald, Grimace und Birdie eigentlich bekannt als eine der vier Werbefiguren von McDonald's, wurde zu Hammonds College-Zeiten an der Bowling Green State University geboren. Schnell waren "Hammy", "Ham", "Hammer" oder "Hamsie" Geschichte.

Ex-Teamkollege Wade Finegan taufte ihn zunächst "Robber", "Räuber", in Anlehnung an seine Leistungen auf dem Eis. "Für mich war es so, als würde er anderen Mannschaften mit seinen Saves die Siege stehlen", erinnert er sich an die Entstehungsphase. Schnell wechselte er zu "Burglar", ein Synonym für "Robber".

Und weil Hammond laut Finegan ein großgewachsener Spieler war, der immer Hunger haben musste, war der Weg zu Hamburglar nicht mehr weit. "Zwei Wochen später ging ihm dann ein Licht auf", erzählt Hammond. Gegen diesen Namen hat er sich nie gesträubt, jetzt ziert die Figur sogar die Maske seines Helms.

"Es ist geil"

Mit diesem Helm lief die Nummer 30 der Sens dieses Jahr zu historischen Leistungen auf. 14 Mal stand er seit dem Match am 18. Februar gegen Montreal in der Starting-Six, 13 Mal verließ er als Sieger das Eis, ein weiteres Mal reichte es zu einer Overtime-Niederlage gegen die Wild.

Seit 1996/97 gelang es keinem NHL-Torhüter mehr, in seinen ersten 13 Spielen als Starter mindestens einen Zähler zu holen.

Doch der eigentliche Hammer ist die Einstellung eines Uralt-Rekords von Bostons Frank Brimsek von 1938/39. In seinen ersten zwölf Spielen musste der Keeper nie öfter als zwei Mal hinter sich greifen, ausgerechnet Boston zerstörte diese unfassbare Serie bei Ottawas 6:4-Sieg.

"Es ist geil, diesen Rekord eingestellt zu haben", gestand er und bekam auch gleich ein besonders dickes Lob seines Trainers Dave Cameron. "Hammond war richtig gut. Er hat einen Rekord gebrochen, der zu einer Zeit aufgestellt wurde, als sein Trainer noch nicht einmal geboren war", lachte dieser.

Verletzungen machen Weg frei

Doch der wundersame Aufstieg ist in der Tat kaum nachzuvollziehen. Hammond war immer schon talentiert, besonders hervor stach er aber selten. Ungedraftet verließ er das College, ergatterte 2013 dennoch einen Zweijahresvertrag von den Senators. Die schickten ihn sofort weiter zu den Binghamton Senators in die AHL.

Dort hatte er vor seiner erneuten NHL-Berufung nur eine Fangquote von unter 90 Prozent vorzuweisen. Nach diesem Schnitt war er sogar drittschlechtester Schlussmann der Liga. Luke Richardson, Trainer von Binghamton, verteidigte ihn. "Wir waren ein sehr junges Team dieses Jahr. Er hat viel zu wenig Unterstützung bekommen. Aber ist ein Torwart für die großen Spiele", führt er aus.

Jedoch erst der Umstand, dass sich nach Craig Anderson mit Robin Lehner auch der zweite Stammtorhüter der Sens verletzte, verschaffte ihm die große Chance in der NHL. Und die nutzte er, wie kaum ein anderer Torwart in den letzten 15 Jahren. Doch was ist plötzlich anders?

"Ich habe ein paar Feinjustierungen vorgenommen und die Struktur meines Spiels verändert. Nun kann ich das Spiel besser verstehen", versucht der Hamburglar Gründe für seine Leistungsexplosion zu finden. "Der Großteil meiner Aufgabe ist es nun, das Spiel zu lesen. Ich glaube, das hilft mir", sagt er.

Kostenlose Werbung für McDonald's

Selbst die ungeteilte Aufmerksamkeit von Medien und Fans haben keine negativen Auswirkungen auf seine Performance - im Gegenteil: "Ich habe die Tweets und all die Dinge gesehen. Das ist eine ziemlich verrückte Sache, auf die ich stolz bin", so Hammond, der in diesen Tag weiteren Grund zur Freude hat.

Durch ihn generiert die Fastfood-Kette McDonald's mehr kostenlose Aufmerksamkeit, als sie sich in kühnsten Träumen ausmalen konnte. Und weil sich der neue McD-Liebling der Marketingmaschinerie à la McDonald's nicht versperrt, gibt's für Hammond freies Essen auf Lebenszeit.

Hammond kommentierte dieses Geschenk gewohnt lässig. "Ich glaube sie haben ein neues Light-Menü mit viel Salat", scherzte er nach der Übergabe seiner "McDonald's-auf-Lebenszeit-Karte".

Die Fastfoodkette nimmt die Angelegenheit schon etwas ernster. "McDonald's Kanada ist stolz darauf, den offiziellen Hamburger der Ottawa Senators zu verkaufen. McDonald's und Andrew Hammond teilen beide die Leidenschaft für Hockey und Hamburger", ließ man verlauten.

"Der Burger war kalt"

Für Hammond war vor allem wichtig, keine Probleme wegen der Abbildung des Hamburglars zu bekommen. "Sie sind mit der Nutzung des Hamburglars einverstanden. Ich glaube, das ist ihr Zugeständnis an mich, dass ich ein wenig kostenlose Werbung für sie mache", kommentierte er die "mündliche Vereinbarung" zwischen beiden Seiten.

Einen Fauxpas leistete sich der Torhüter trotzdem. Denn den einen Hamburger, den er nach dem Spiel aufhob, verschmähte er vor laufenden Kameras. Keine gute Werbung für McDonald's?

"Der Burger war schon kalt", schmunzelte Hammond über die Tatsache, dass er den Burger an die Fans weiterreichen wollte. Es ist aber ohnehin nicht sicher, ob und wo der Kanadier nächste Saison seine Burger essen wird. Am 1. Juli wird er Unrestricted Free Agent.

Nächster Halt Buffalo?

"Es wäre gegenüber Ottawa unfair, jetzt Vertragsverhandlungen zu fordern. Sie brauchen alle Energie, um noch in die Playoffs zu kommen", so Hammonds Berater Plante, der aber anfügt: "Er ist sehr glücklich in Ottawa."

Konkurrenz kommt vor allem aus Buffalo, wo Ex-Senators-Manager Tim Murray mittlerweile die Zügel in der Hand hält. "Tim war in seiner Zeit bei Ottawa begeistert von Andrew. Er hat ihm die Chance gegeben und an ihn geglaubt", verrät Plante. Jetzt will Murray Hammond auch zu den Sabres locken.

Wo auch immer Hammond nächste Saison aufläuft, er wird den Vertrag seines Lebens unterschreiben. Vor kurzem war er noch ein unbekannter AHL-Torwart und mit 27 Jahren eigentlich in einem Alter, in dem der große Durchbruch schon an ihm vorbeigegangen sein sollte.

Einen Monat später ist ein regelrechter Kult um "The Hamburglar" ausgebrochen - und auch den meisten Nicht-Senators-Fans dürfte inzwischen klar sein, warum man in Ottawa seine Burger derzeit lieber auf das Eis wirft, statt sie zu essen.

Andrew Hammond im Steckbrief

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